tiefe Dewerbe zu beschaffen. Es würde das so viel Arbeit mache», daß die Sache selbst eine große Verzögerung erführe. Es wäre das auch ein Ballast, der das Schicksal der Vor- läge, die ohnehin schon auf des Messers S ch neide gestanden habe, aufs äußer st e ge- s ä h r d e n mühte. Jedenfalls wurde durch die An- nahine dieses Vorschlages die Aussicht für das Gelingen des Werkes vermindert. Hieran schloß sich eine lange und lebhafte Debatte, da namentlich von den bereits bestehende» Innungen der Fuhr- werksunlernehuier, Gastwirthe und Musiker der ausdrückliche Wunsch ausgesprochen worden ist, in das Verzeichniß der zu er- richtenden Zwangsiunungen aufgenommen zu werden. Auch hatten diese Innungen Abgeordnete mit dem Austrage in die Kommission entsandt, dort ihre Anträge zu vertreten. Die Konferenz berieth am heutigen dritten Tage zuerst die Bestimmungen über das Lehrlingswesen(§Z 126 bis 132). Im § 127 wurde die Bestimmung gestrichen, wonach auf Lehrlinge in staatlich anerkannten Betrieben diese Bestimmung keine An- Wendung finde» soll. Z I2S erhielt von der Konferenz folgende Fassung:„Durch Beschluß des Bundesraths können für einzelne Gewerbe nach Anhörung des Jnnungsverbandes Vorschriften über die Zahl der Lehrlinge, die in einem Gewerbebetriebe gehalten werden darf, erlassen werden." — Der„Reichsbote" polemisirt in interessanter Weise gegen die„Berliner Zeitung ", welche in Sachen der Konfektionsarbeiter an den Bürgersinn, die Menschlichkeit und geschäftliche Honorigkeit unserer Konfektionäre appellirt. Das konservative Blatt schreibt: Wir fürchten, dieser Appell wird den Arbeitern wenig nützen. Denn wenn bei diese» Herren die Armuth, das Elend ihrer Arbeiter, die Entrüstung der öffentliche» Meinung, der ge- samiute» anständige» Presse und die Verdikte des Schiedsgerichts keinen Eindruck aus ihre Menschlichkeit und Honorigkeit gemacht haben, dann wird die„Berliner Zeitung " wohl selbst nicht mehr an die Wirkung ihres Appells glaube» und bezweifeln müssen, ob diese angepriesenen Empfindungen bei den Herren überhaupt vorhanden sind. Allein es entsteht dann doch die Frage: Ist es erträglich, daß das Wohl taufender armer abhängiger Arbeiter von einer Handvoll habgieriger Mensche», die nichts mehr zu kennen scheinen als ihren Geld- beutel, absolut abhängig ist und der Staat wie die Gesell- schast ruhig zusehen müsse», wie diese Arbeiter körper- lich und sittlich ruinirt werden? Muß nicht der Staat mnsomehr das Recht haben, gegen solchen Mißbrauch der wirthschastlichen Freiheit einzuschreiten, als er der Industrie überall Freiheit und Schutz für ihre berechtigten Interessen ge- währt?" Sehr schön geschrieben. Leider hat aber die Partei, deren Organ der„Reichsbote" ist, jeder Arbeiterschntzpolitik ab- geschworen.— — Der Kammergerichtsrath Hugo Schröder, Mitglied des Reichstages für den zweiten Wahlkreis deS Reg.- ffiez. Frankfurts a. O-, hat, wie die„Kreuz- Zeitung " vernimmt, seine Entlassung aus dem Justizdieust nachgesucht und tritt am 1. Oktober d. I. in den Ruhestand. Schröder ist bekanntlich der Jurist der freisinnigen Vereinigung und Vorsitzender des de» Mucker» so verhaßten Protestantenvereins.— — Die Müller machen gegen die Kornproduzenten . mobil. Ihrer achtzehn habe» ein Rundschreiben erlasse», in dem es heißt:„Wir beuöthigen dringend eine Vertretung, welche geeignet ist, unsere Interessen auf das energischste zu wahren, und nicht eine solche, welche ihrer Pflicht genügt zu habe» glaubt, rvenn sie den Wünschen der Agrarier möglichst entgegenkommt____ Eine möglichste Beschleunigung der Kretrung einer energischen Vertretung unserer Interessen halten wir um so dringender ge- boten, als jeder Tag uns bei der agrarischen Reichs- tags-Majorität neue Gesetze und Verordnungen bringen kann, die unsere Industrie auf das höchste schädigen." Nun ja, was den Plötzen recht, ist den Müllern billig. Es lebe die Müllerpartei!— — Die Amtsniederlegung d es P ast o rs Göhre bietet dem Hosprediger a. D. Stöcker einen neuen Anlaß, sich mit Loyalitätsphrasen zu parfümiren, um in den Geruch kvuservativ-monarchistischer Gesinnungstüchtigkeit zu komme», der ihn aufs neue würdig machen würde für die konservative Partei..Er schreibt nämlich im„Volk", Herr Göhre habe ganz Recht gethan, seinen Talar auszuziehen, den» wer mir dem vierten Stand gemeinsam de» Klassenkanips durchkämpfen wolle, könne nicht Pjarrer bleiben. I» diesem Sinne sei das Wort des Kaisers wie der oberkirchen- räthliche Erlaß zutreffend. Ein solcher �politischer Pastor" aber könne auch nicht„christlich-sozial", ja nicht einmal„national- sozial" bleiben. Da hat also der alte Hintertreppenpolitiker einen Weg entdeckt, sich mit dem kaiserlichen Telegramm einver- standen zu erklären und den darin enthaltenen Bannstrahl auf andere„politische Pastoren" abzulenken. Diese neue Slöckeriade hat übrigens für unser politisches Leben weiter keine Bedeutung, sondern erweckt nur noch ein gewisses psychologisches Interesse. — Für die Einschränkung öffentlicher Ver- g n ü g u n g e n hat die Polizeidirektion in O s n a- den wir der„Frankfurter Zeitung " entnehmen,„daß die Repression auf das Verschwinden oder Abnehmen anarchistischer Attentate eine» hauptsächlichen Einfluß geübt hat. Ich habe das in meinem Buche über kriminelle Soziologie genügend bewiesen und kann hier nicht dcS näheren daraus eingehen. Die anarchistische» Attentate waren das Symptom eines sozialen Fiebers, das wie jedes andere Fieber auch ohne medizinische Behandlung seinen Kulminations- Punkt, seine Abnahme und sein Verschwinden zeigen mußte. Wen» weiter behauptet wird, daß weder der geborene, noch der gehirnkranke, noch der fanatische Verbrecher durch Androhung der Strafe beeinflußt werde» kann, so will ich hier den un- widerruflichsten Gegenbeweis liefer». Ich erinnere an die Disziplin verschiedener Jrrenasyle, wo die Furcht vor der Douche, vor dem elektrischen Schlag und vor der Zwangsjacke dem Irren jene Disposition giebt, welche, unterstutzt von seiner eigenen schwachen Aktion, ihn vor dem Begehen der gewaltthätigen Akte zurückhält. Die„sontöiics indetenninee" des Herrn van Hammel oder die aequivaleute temporäre Strafe Lombroso's ist nach meiner Ansicht die einzige wirksame und humanitäre Form der Repression) aber nicht unter Anwendung des Zellensystems, dem, die Zellenhaft macht den Gefangenen zum Idioten oder Wütherich, erstickt im Individuum den einzigen Instinkt, der noch zu rette» vermag, nämlich den Instinkt der Soziabilität. Wozu die Monumentalbauten der Gefängnisse, die, auf mittel- alterlich-barbarischem Fundamente ruhend, das nutzlose ihrer Wirkung durch die stetige Vergrößerung bekunden! Ich kenne keine bessere Form, die Gesellschaft gegen das Ver- brechen zu beschütze», als die A g r i k u l t u r- K o l o n i e n mit nächtlicher Jsolirung der unmündigen, der weniger degenerirleu erwachsenen und rückfälligen Verbrecher. Die «ei st ig gestörten Verbrecher gehören ins Irrenhaus und nicht ins Zuchthaus. So lange ich auch für den Anarchisten eine Aenderuug seiner sozialen Um- gebung. sei es durch Exilirung im Falle eines Mordes, oder durch Jnternirung in eine agrikole Kolonie in einem weniger schweren Falle, wo alsdann das Opfer entschädigt werden kann durch den Arbeitsertrag des Delinquenten. Die„sentaiico in dätenninöe" ist von einer Gesellschaft zu verifiziren. die nicht nur aus gouvernementalen, sondern auch aus Magistrats- und Administrationsmitgliedern bestellt sein muß, und welchen sich als unerläßliche Ergänzung Psychiater, Advokaten und Elemente aus dem Volke anzuschließen haben. Die Bestrafung der .iudirekten Aufwiegelung zum Begehen des Attentats zeigt brück sich ins Zeug gelegt. Um nicht Mißverständnisse ans- kommen zu lassen, wollen wir im voraus bemerken, daß die patriotische Polizeidirektion sich nicht etwa hat bei- kommen lassen, gegen den Ueberschwang großer Fest- lichkeiten, wie sie von den Stützen der Gesellschaft ver« anstaltet werden, zu Felde zu ziehen. Nichts liegt ihr ferner. Ganz andere Leute haben sich die verdiente polizeiliche Mißbilligung zugezogen. Uns geht von dem Vorstand des Tapezirer-Vereins in Osnabrück das folgende Schrift- stück zu, durch das er vor einiger Zeit überrascht wurde: Polizei-Direktion. Osnabrück , den 17. April 1896. In letzter Zeit haben sich die öffentlichen Tanzlustbarkeiten in Osnabrück in Bedenken erregender Weise vermehrt. Besonders rührt dieses daher, daß viele Vereine ihre Vergnügungen nicht mehr unter sich, sondern unter Zulassung von Fremden feiern. Die Vereine selbst erreichen hier bereits eine derartige Zahl, daß man zweifelhaft sein kann, ob nicht bereits d i e wünschenswerthe Grenze bedeutend über- schritte» ist. Gewähren diese Vereine aber auch noch bei ihren Festlichkeiten jedem Fremden den Zutritt, so wird in einem vergrößerten Maßstabe Gelegenheit zu Vergnügungen gegeben, und dieses ist ein Mißstand, dem vorgebeugt werde» muß. Von allen Seiten wird Über schlechten Verdienst, Geschäfts- rückgang und Steuerlast geklagt, aber die Vereine und Ver- gnüguugen mehren sich und wachsen ständig, während doch die Vergnügungen das erste sein sollte, was eingeschränkt wird. Da nun nach den bestehenden Vorschristen die Obrigkeit dafür zu sorgen hat, daß die öffentliche» Tanzgesellschasten ein bestimmtes Maß nicht überschreiten, so sollen die Bestimmungen der hier giltige» Polizei-Verordnung über die Genehmigung und Zeilbestimmung der öffentlichen Tanzlustbarkeiten fortan in einer die öffentlichen Tanzvergnügungen möglichst einschränkende» Weise durd)geführt und Uebertretnngen auf das strengste bestraft werden. Wir ersuchen deshalb die Vorstände der Vereine ergebenst, die Gesuche auf Genehmigung von öffentlichen Tanzgesellschaften einschränken zu wollen, da die Genehmigung nur in Ausnahme« fällen ertheilt werden wird. Die Polizei-Direktion. (Name unleserlich.) An den Vorstand des Tapezirer-VereiuS hier. I 3942. Daß es bei dieser polizeilichen Warnung auf ein Stück Sozialpolitik abgesehen ist, geht aus zwei Bemerkungen hervor. Da ist erstens der mißbilligende Seiteublick darauf, daß Vereine (nämlich solche vom Schlage des Tapeziervereins) die wünschenswerthe Grenze bedeutend überschritten zn habe» scheinen, ziveitens die hübsche Betrachtung über Geschäftsrückgang und Steuerlast, die in der Versicherung ausklingt. daß die Vergnügungen das erste sein sollten, das eingeschränkt werden müßte. Nun ja. in gewissem Sinne: besonders, meinen wir, mußten diejenigen Vergnügungen eingeschränkt werden, die aus den öffentlichen Mitteln bestritten, also durch Steuern gedeckt werden. Denn es ist sicher verwerf- licher, wenn sich die Steuerzahler für anderer Lente Vergnügungen die Steuergroschen abdarben müssen, als wenn sie selbst ihre Lebenshaltung durch harmlose Vergnügungen auf ein Höheres Niveau zu hebe» suchen. Also will die Polizeidirektion damit den Anfang mache», dann wird sich über das weitere noch reden lassen.— — Unter der Stich niarke„Zum Vereins- und Versammlungsrecht" bringt der Landrath des Kreises Pinneberg den Polizeibehörden mehrere be- merkenswerthe Grundsätze, welche in Entscheidungen des Ober- Verwaltungsgerichts ausgesprochen sind, durch das Kreisblatt zur Kennlniß. Diese bemerkenswerthen Grundsätze sind folgende: I. Die Frage, ob ei» Verein eine Einwirkung auf öffentliche An« Selegenheiten bezweckt, ist schon dann zn bejahen, wenn sich ans em Verhalten des Vereins oder seiner Leitung ergiebt, daher sich in den Dien st einer bestimnrten politischen Partei st e l l t. 2. Zum Verbot der Betheiligung von Frauen, Schüler» und Lehrlingen an politische» Versannnlungen: „Die Polizeibehörde ist befugt, zu einer aus die Betheiligung von Frauen. Schülern oder Lehrlinge» berechneten Versammlung (Volksbelustigung ic.) eines politischen Vereins die G e- nehmigung von vornherein zu versagen, also nicht nur dieselbe aufzulösen, wenn die Frauen w. der Aufforderung des überwachenden Beamten, die Versa nimlung zu verlassen, nicht Folge leisten. 3. Zum Begriff der Versammlung einer politischen Partei im Sinne des§ 8 Abs. 3 des Vereins- gesetzes. Eine von eine m Vergnügungskomitee veranstaltete Volksbelustigung ist als Ver- s a m ni l n n g eine? politischen Vereins an- zusehen, sofern dieses Vergnügungskomitee aus den Vorstandsmitgliedern eines sozial- demokratischen(!) Vereins besteht. Das„Ham- bnrger Echo", dem wir diese Mittheiluug entnehmen, be- merkt dazu sehr richtig: Welche» Zweck der Landrath mit der Bekanntgabe dieser Entscheidnng des Ober- Verwaltungsgerichts uns so recht, ans wie schiefer Ebene öfters die juristsche Logik rollt. Man beginnt mit der Proklamation der Meinungsfreiheit. Sehr gut. Wir bestrasen blas das vollführte Verbrechen und auch noch das versuchte, heißt es. Das will sagen: nicht nur die That wird verfolgt, sondern auch der Versuch zur That, und man rollt auf der schiefen Ebene weiler und sagt: Nicht nur der Versuch, sondern auch die Vorbereitungen und von den Vor- bereitnugen nicht nur die materiellen, sondern auch die intellektuellen, und nicht nur die direkten, sondern auch die indirekten Aufreizungen. Da hat man einen schönen Weg ein- geschlagen, nach dem man die Freiheit jeder Meinung und ihre Propaganda garantirt hat. Ich selbst, der die Ehre hat, hier zu sprechen, wurde durch das Ausnahmegesetz, daS in Italien mit dem Vorwand, gegen die Anarchisten zu kämpfen, von der Regierung und dem Parlament angenommen wurde, wegen indirekter Aufwiegelung verurtheilt. Ueber- Haupt wurde dieses Gesetz fast ausschließlich gegen die Sozialisten angewendet, trotzdem sie als Antipoden des individualistischen Anarchismus mit seiner Propaganda durch die That vom Kampf der Klassen als einem soziologischen Gesetz sprechen und mit aller Energie gegen die Ansicht auftreten, als wäre Klassenkampf gleichwerthig mit Klassenhnß— und dennoch, soll die sozialistische Propaganda eine in- direkte An fwiegelling zum Begehen anarchisti- scher Attentate bilden! Soweit ist man mit der Logik gekommen! Das wahre Heilmittel aber gegen alle diese krank- haften Auswüchse der menschlichen Gesellschaft bildet nickt die Todesstrafe, noch die Zellenhaft, sondern eine wohlverstandene soziale Hygiene, die den Ursachen des Krankhaften und Ver- brecherischen nachforscht und ihnen vorbeugt, sie ausscheidet und abschwächt." In Kiel wurde am Donnerstag Vormittag die 21 Ver- sammlung des deutschen Vereins für öffentliche Ge- s u n d h e t t s p f l e g e in der Aula der kaiserlichen Marine- Akadeniie eröffnet. Es waren etwa 220 Personen anwesend. De» ersten Vortrag hielt Baurath Thiem-Leipzig über Grund- Wasserversorgung. Der Roman- Schriftsteller Baron von Roberts ist am 7. September öl Jahre alt in Schreiberhau gestorben. Der Direktor des Vesuv - Observatoriums, Senator P a I m i e r i, ist am Donnerstag in Neapel gestorben. an die Polizeibehörden verfolgt, wird jedem einleuchten. DI« Arbeitervereine sollen in ihrer Bewegungsfreiheit»och mehr wie bisher eingeschränkt werden; ob die Behörden damit mehr Erfolg haben werden als seither, das steht auf einem anderen Blatte. Die sozialdemokratische Partei, auf welche diese Entscheidungen doch nur angewendet werden solle», wird sich auch mit demselben schon abzufinden wissen.— — Gegen den wegen Meineids verhasteten früheren Polizeiver walter von Tilsit, Stadtrath Witschet, nimmt das strafrechtliche Verfahren seine» Fortgang, da die Beobachtung in der Irrenanstalt keinen Anhalt für seine Unzurechnungs- fähigkeil ergeben hat. Die Anklage kommt in der nächsten Schwurgerichtsperiode vom 1. bis 3. Oktober zur Verhandlung.— — Ueber das Duellunwesen verhandelte in Braun schweig der allgemeine deutsche Pfarrer-Vereinstag. Das Referat hielt Pastor Frilsch(Schwarz). An den Vortrag schloß sich eine längere Debatte.— Merkwürdiger Weise ist den anwesenden Berichterstattern Schweigen auferlegt worden. Das läßt nicht aus entschiedene Bekämpfung des Duellunwesens schließen. —„Das politische Te st ament Friedrichs des Großen" spukt wieder in der Presse. Es ist das eine vom „alten Fritz" gesckriebene Denkschrift, in der er sich unter anderen über den Ursprung des Siebenjährigen Krieges ausspricht. Dieses Aktenstück wird sorgfältig geheim gehalten, und erst vor kurzem ist einem Gelehrten, der es im Archiv eingesehen hatte, verboten worden, Auszüge zu veröffentlichen. Für die Wissenschaft ist das beiläufig kein Verlust. Denn daß Friedrich der Große den Siebenjährigen Krieg unter falsche» Vorwänden vom Zaun ge- krochen hat, und daß von preußischer Seite nichts weniger als ehrlich verfahren worden ist, das ist längst von der Geschickits- sorschung festgestellt. Es scheint aber, daß der„alte Fritz", der ja ein arger Cyniker war, in seinem Testament die Wahrheit etwas gar zu cynisch gesagt hat.— —„Einen Kreuzzug gegen die Türkei " predigt die fromme„Germania " und ruft den Geist des alten Barbarossa an. Also ein Revanchekrieg. Denn der alte Barbarossa ist be- kauntlich vor 700 und 6 Jahren auf einem Kreuzzug gegen die Muselmänner in Asien ums Leben gekommen. Sehr ausmunternd ist diese Erinnerung nicht.— —„In der französischen Fremdenlegion." Unter dieser Ueberschrift machten wir vorgestern Miltheilung von dem unglücklichen Geschick des ehemaligen Gärtners D i t t r i ch aus Quedlinburg , der jetzt, in der französischen Fremdenlegion steckt und dort grausamste Behandlung zu er- dulden hat. obgleich der Mann offenbar nicht im Vollbesitz seiner geistigen Fähigkeiten ist und unzweifelhaft im Augenblick, wo er sich engagiren ließ, geistesgestört war. Von der verlassenen Frau erhalten wir nachstehendes Zeugniß, das unsere vorgestrigen Angaben bestätigt: „Der Gärtner August Dittrich aus Quedlinburg wurde vom 19. März bis 12. Mai 1891 im hiesigen städtischen Krankenhaus an religiösem Tiefsinn behandelt. Quedlinburg , den 8. Sept. 1896. Dr. Schreiber, Arzt. Wir dächten, die nun feststehende Thatsache, daß Dittrich geistesgestört war, würde ein Einschreiten der Reichsbehörden zu seinen gunsten rechtfertigen.— Frankreich . Paris , 10. September. Ueber angeblich große Unfälle, welche während der Manöver in Chalons stattgefunden haben sollen, ist den Blättern zufolge eine Untersuchung eingeleitet worden. Es sollen sieben Soldaten getödtet und mehrere ver- mundet worden fein.— England. — Die vielfach verbreitete Meinung, die englischen Gewerkschaftsvertreter auf dem Jnter- nationalen Arbeiterkongreß seien von den sozialistischen Organisationen zurückgesetzt worden, wird noch immer von verschiedenen unserer Parteiblätter weiler verbreitet. Wir können auf grund des Aktenmaterials nur wiederholen, daß jene Be- hauptung vollkommen unrichtig ist. Die englischen Sozialisten, insbesondere die Delegirten der Locialdsinocratio Föderation habe» den Gewerkvereinlern bei allen Kommissions- und sonstigen Wahlen eine entsprechende Zahl von Sitzen eingeräumt; die Tradesunionisten haben sich an den Wahlen jedoch wenig be- theiligt. Vom Genossen Edward Aveling ist in unserer Nummer vom 29. August der Sachverhalt eingehend und genau dargelegt worden.(Siehe Parteinachrichteu.) Es wäre gut, wenn diese Darlegung von den Blättern, welche bis jetzt durch die„falsche Nachricht" getäuscht wurden, zum Ausdruck gebracht würde.— Norwegen . — Der parlamentarische Ausschuß für die Ausarbeitung eines neue n Strafgesetzbuchs hat sich gegen die Todes st rase ausgesprochen. In der Begründung des Antrages wird darauf hingewiesen,„daß diese Strafe nur dann vielleicht berechtigt wäre, wenn sie das Leben des Staatsbürgers besser gegen Mordanschläge schützen könnte, als in jenen Ländern der Fall ist, wo diese Bestrafnngsart nicht zur Anwendung kommt. Es müsse aber als feststehend angesehen werden, daß diese Voraussetzung nicht stichhaltig sei. Die Todes- strafe sei somit zwecklos und ans diesem Grunde abzuschaffen".— Die Norweger sind noch nicht von der mitteleuropäischen Kultur beleckt,»ach welcher die moderne Zivilisation auf der Schneide des Henkerbeils und auf der Spitze der Bajonnette zu ruhen hat.— Spanien . — Die revolutionäre Bewegung greift immer mehr um sich. Heute liegen folgende Meldungen vor: Dem„Heraldo " zufolge ist aus mehreren Ortschaften in der Umgebung von Bunol eine revolutionäre Bewegung gemeldet worden. Eine bewaffnete, vermuthlich republikanische Bande wurde in der Umgegend von Pedralva von der Gendarmerie znrückge- in. er frühere Minister der spanischen Republik Estevanez und 13 andere Republikaner werden gefangen gehalten.— Türkei . Konstantinopel , 9. September. Eine amtliche Depesche des Großveziers an die Malis besagt, daß der Ministerrath an- gesichts der Möglichkeil, daß die letzten Unruhen ans der Haupt- stadt sich auf die Vilajets ausdehnen können, folgenden vom Sultan sanktiouirten Beschluß gefaßt habe: Alle Zivil- und Militärbeamten sind streng dafür verantwortlich, daß jede Un- ruhe im Keime erstickt werde. Keine Privatpersonen dürfen an den amtlichen Handlungen theilnehmen. Plünderungen und Metzeleien sind zu verhindern. Zuwiderhandelnde Mohamedaner oder Christen sind ohne Rangunterschied der Bestrafung zu- zufuhren. Hierauf bezügliche Bekanntmachungen sind in den Dörfern in den verschiedenen Laudessprachen zu vertheilen. Außer den genannten sind alle noch erforderlichen Maßregel» ohne Zeitverlust zu ergreisen.— Parteigenosse» Berlins und der Provinz Brandenburg ! Die Partei-Konferenz wird Sonntag, den 20. Sep- tember, von vormittags Sj Uhr an in Cohn's Festsälen zu Berlin , Beuthstr. 20—22, abgehalten. Die Tagesordnung lautet: l. Berichterstattung der Agitationskommission. 2. Diskussion. 3. Die Presse. 4. Die Kandidatenfrage, ö. Die Lokalsrage. 6. Anträge.— Die reichhaltige Tagesordnung, sowie eine An- zahl bereits eingegangener Anträge, welch« einer eingehen- v
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