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Ur. 72.
Mittwoch, den 26. März 1890.
7. Jahrg.
Berliner Volksblatt.
Organ für die Interessen der Arbeiter.
Das Berliner Volksblatt"
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sind die Träger jenes Geistes, aus dem die Kornzölle, hat behauptet, viele Arbeiter seien besser die Branntweinsteuer und die Zuckerbesteuerung hervor- daran, als diese, denn manche Rittergutsbesitzer wüßten gegangen sind. nicht, wie sie die Zinsen ihrer Schulden be=
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Für den ländlichen Arbeiter haben die Herren zahlen sollten. Das Lettere, daß nämlich viele Ritternicht einmal ein tröstliches Wort übrig; wir hören sie nur gutsbesitzer ihre Zinsen nicht zahlen können, glauben wir immer sich beschweren über den Arbeitermangel, über ohne weiteres. Aber nur ein Agrarier fann es fertig Sachsengängerei" und über die falsche Humani- bringen, die Herren Rittergutsbesitzer als die am meisten tät", die den nach lohnendem Verdienst umherwandernden entscheidende Kategorie der Bevölkerung hinzustellen. Man ländlichen Arbeitern billigere Fahrpreise auf den Eisen- möge uns doch einen ländlichen Tagelöhner zeigen, der bahnen gewährt hat, gegen welche Maßregel die Herren besser als ein Rittergutsbesitzer daran ist. Das müßte Agrarier bekanntlich mit der ganzen Schneidigkeit" ver- ein seltenes Exemplar sein.
gebens angekämpft haben, die sie überall zeigen, wo es Wenn es sich aber um jene Rittergutsbesitzer hansich um ihr wirthschaftliches Interesse handelt. Auch von delt, welche dem wirthschaftlichen Ruin verfallen sind, Reform des Unterstübungswohnsites weil die Erträgnisse ihres Bodens nicht ausreichen, um sprechen sie; wer möchte von ihnen aber eine solche haben, ihren, st a n desgemäßen" Aufwand zu decken, da sie immer die härtesten Maßregeln empfehlen? Be so mögen sich die Herren nach ihrer Decke strecken. Der fanntlich wird bei jeder Gelegenheit die kriminelle" standesgemäße" Aufwand besteht gewöhnlich darin, daß Bestrafung des Kontrakt bruchs und das die Söhne der meist adeligen Rittergutsbesitzer als Offiziere, Verbot der Auswanderung verlangt; selbst die als Studenten oder sonst in irgend einer Position, noch wahrhaft mittelalterlichen Gesinde ordnungen vielleicht auch in gar keiner, sich einen Lurus gestatten, gehen den Herren noch nicht weit genug, den die väterliche Kasse nicht aushalten kann. Wenn dann
Wer sich in den ländlichen Verhältnissen nur einiger- solche Leute die Zinsen ihrer Schulden nicht mehr zahlen
maßen umschauen will, der wird finden, daß dem Land- können, so haben sie es ihren ererbten Standesvor
Die armen Ritterguts- och entfernt ist. Zwar wird man das Uebergreifen der
belizer.
proletarier noch in vollem Maße der Schutz des Gesetzes urtheilen zuzuschreiben. Sie mögen dann eben büßen, gegen die Willkür des großen Grundbesizers fehlt. Die was sie gesündigt; aber die Gesetzgebung hat auch nicht Herren Agrarier haben nicht ohne Geschick die Arbeiter- den mindesten Grund, solchen Existenzen zu Hilfe zu schutz- Bestrebungen nach den industriellen Zentren abzu- kommen. Wenn die ländlichen Tagelöhner wirklich so belenfen gewußt; sie thun, als ob auf dem Lande der- neidenswerth sind, so mögen die verschuldeten Rittergutsgleichen nicht nothwendig wäre. Wir brauchen besitzer doch einfach sich als Tagelöhner vers heute nicht von Neuem darauf hinzuweisen, wie weit dingen; dann können sie ja ohne Schwierigkeit all der ein großer, ja weitaus der größte Theil unseres länd- Vortheile und Genüsse theilhaftig werden, die sie der lichen Proletariats von einem menschenwürdigen Dasein Existenz eines ländlichen Tagelöhners zuschreiben. Das werden sie freilich nicht wollen. Was ihr Abeiterschutz- Gesetzgebung in die ländlichen Gebiete nicht Ideal ist, wissen wir schon. Sie möchten, daß der Staat mehr lange verhindern können, denn die Industrie seht ihnen ihre verschuldeten Güter abnähme und sie dafür mit Wir pflegen uns sonst um die Verhandlungen des sich auf dem Lande fest und bezieht einen großen Theil einer, st an des gemäßen" ewigen Rente ausvortrefflichen Herrenhauses sehr wenig zu kümmern, ihrer Arbeitskräfte von da. Vorläufig aber sieht es noch stattete, natürlich weit mehr betragend, als was die Güter denn dort weht eine eigenthümlich modrige Luft und die traurig aus und die Herren Agrarier stemmen sich mit abwerfen könnten. Dann wären sie ihre Schulden los Herren, die dorten sitzen, gemahnen uns an die über- aller Macht gegen jeden Versuch, die ländlichen Arbeiter und könnten auf Kosten sämmtlicher Steuerzahler, standesnächtigen Gefichter" ihrer Ahnen auf den steinernen Grab- dem Bann der Gesindeordnung zu entreißen; sie erklären gemäß" leben. Man weiß ja, daß die Herren mit ihren malen in den verfallenen Burgkapellen. Dem entsprechend es geradezu für gefährlich, dem Landproletarier mit Ansprüchen nicht gar bescheiden sind, sondern herzhaft sind auch die Anschauungen, die in dieser Versammlung gesetzlichem Schutz zu Hilfe zu kommen. Man kann daraus verlangen. fundgegeben werden. Wenn es keine andere Menschen ersehen, wie verlogen es ist, wenn agrarische Blätter immer Nun, dahin wird es wohl kaum kommen. Man wird gäbe, so könnte man glauben, sich noch in der Zeit zu betonen, daß der milde Geist, der in dem, patri- begreifen, daß die Pflicht des Staats, den Schwachen und befinden, da der Mensch erst beim Edelmann anfing und ar chalischen" Verhältniß auf dem Lande Nothleidenden zu unterstützen, nicht nach standesgemäßen" der Bauer dem Grundherrn frohnden und steuern mußte dominire, alle Mängel ausgleichen könne, denn dieser Ansprüchen, die sich auf modrige Vorurtheile gründen, ins bis zur Erschöpfung. Die Herren sind meistens Vertreter milde Geift" ist einfach ganz wenig oder gar nicht vor- Leben treten kann. jener agrarischen Richtung, welche bestrebt ist, die Gesetz- handen. Da giebt es denn doch zuerst für andere Leute etwas gebung so auszugestalten, daß dieselbe Vorrechte für den Im Herrenhause hat bei Berathung der Rentengüter zu thun und dann kommen die Rittergutsbesitzer immer größeren und großen ländlichen Grundbesitz schafft, sie Graf Brühl von den Rittergutsbesitzern gesprochen und noch lange nicht.
Feuilleton.
Nachdruck verboten.]
Der Mord auf dem Balle.
Aus dem Leben einer Kreisstadt.
Von J. S. Panow.
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Auf Grund dessen mußte ich Anna Dmitrijewna ihren Baß abnehmen oder einen Revers von ihr ausstellen lassen, daß sie sich nicht aus der Stadt entfernen werde, oder sie der Polizei zur Beaufsichtigung übergeben, oder von ihr Bürgschaft oder eine Raution verlangen, oder schließlich sie unter Hausarrest stellen oder im Gefängniß einschließen laffen.
Das ist unmöglich. Ich muß ihren Bruder wegen des Rasirmessers verhören, und er darf ihre Aussage nicht fennen.. Darum halte ich es für unmöglich, fie beide beisammen zu lassen.
-Wird sie nicht etwa in einem solchen Falle ihre Tante Jefremom zu sich lassen?
- Das ist eine andere Sache. Lassen Sie den Wagen einspannen, fahren Sie sie zu Frau Jefremow und stellen Sie eine verläßliche Wache hin.
Nachdem Anna Dmitrijewna meine Entscheidung ver nommen, folgte sie Koforin schweigend und ergeben. Bald vernahm ich das Rollen des fortfahrenden Wagens.
Jch begab mich in mein Schlaffabinet, aber ich war kaun. eingeschlafen, als mein Diener mich weckte und mir meldete, daß Koforin mit Anna Dmitrijewna zurückgekehrt sei.
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Sie in den Polizeiarrest zu schicken, der mit Betrunkenen angefüllt war, die hingebracht wurden, um ihren Rausch auszuschlafen, daran war nicht zu denken, und ich mußte auf Kokorins Vorschlag eingehen; einen anderen Ausweg gab es nicht.
Dieses Zimmer wurde mit dem Empfangszimmer durch eine Wendeltreppe in Verbindung gebracht; dieselbe wurde angelegt, und mein Nachbar, der Zeuge gewesen, sandte das Kammermädchen.
Während dieser ganzen Zeit saß Anna Dmitrijemna auf dem Stuhl, das Haupt gesenkt und ohne allen Vorgängen die geringste Aufmerksamkeit zu widmen.
Kokorin begleitete sie mit dem Kammermädchen hinauf und wollte die Thür von außen verschließen, aber es war fein Schloß vorhanden.
So ließ er einen Polizisten sich auf die unteren Stufen Sich auf die erfte Maßregel zu beschränken, war under Treppe sehen und entfernte sich dann. genügend. Ich kleidete mich an und ging zu ihnen hinaus. Da ich mich sehr erschöpft fühlte, legte ich mich angeKonnte ich denn versichert sein, daß sie nach Aus- Frau Jejremom. läßt Fräulein Bobrom nicht in fleidet in meinem Kabinet auf den Divan und sann darüber stellung eines Reverses sich nicht verbergen werde, wo ihr Hans. Sie hat ihr gestriges Bekenntniß erfahren und nach, was für Beweise der Schuld des Fräuleins Bobrow bei ich namentlich den Antrieb ihres Bruders im Auge wünscht nicht, sie zu sehen. Sie will außerdem nicht einmal vorliegen konnten, wenn sie nichts eingestanden hätte, und hatte? davon hören, daß bei ihrer Hausthür Polizei stehen was für Thatsachen diese Aussage bekräftigen konnten, wenn würde... Ich fuhr zu Fräulein Bobrows Onkel, zu ihre Glaubwürdigkeit in Frage fam. Hamelman, aber auch dort weigerte sich die Hausfrau, uns aufzunehmen, indem sie erklärte, daß alle Zimmer durch die Kinder und die Dienerschaft besetzt seien.
Um die beiden letzten Maßregeln zur Ausführung zu bringen waren vorher einige Formalitäten zu erfüllen, welche viel Zeit erfordert hätten und bei Nacht auf jeden Fall unerfüllbar waren.
Ich entschloß mich, ihr Hausarrest zu diktiren, und nachdem ich die Anordnung in diesem Sinne zusammenge stellt, ging ich zu Kokorin hinaus.
-Wo tönnte man sie nach Ihrer Meinung bis morgen am besten unter Hausarreft halten? frug ich. In ihrem Hause.
Ich wußte nicht, was ich thun sollte.
Ich kam zu dem Schluß, daß, wenn Jtschalow am folgenden Tage ohne die Aussagen der Anna Dmitrijewna zu kennen, über die Einzelheiten des Mordes in Ŵebereinstimmung mit ihren Worten aussagen werde, schon diese beiden Verhöre genügen würden, die Thatsache selbst außer Zweifel zu stellen.
Koforin erinnerte mich daran, daß fich bei mir im obern Stockwerk ein leeres Zimmer befinde, in welchem mein Sekretär zu übernachten pflegte, wenn die Arbeiten ihn bei mir bis in die Nacht zurückhielten, und das jetzt wie mir scheint, bald ein. leer war.
Unter solchen Gedanken schloß ich die Augen und schlief, Plöglich hörte ich Schritte im Empfangszimmer.