BUNTE WELT

Nr. 49

Macs:

Unterhaltungsbeilage

Ein Feuer erlischt

apparat.

dene Urlaubstage.

1936

Aber noch ist es lange nicht so weit. Noch Seeleute, meiſt ältere Männer, zu Weib und find es mehr als zwei Monate, ehe die rauhen Kind heimkehren dürfen. Ihnen macht es nichts. Sie alle find viele Jahre lang auf den Meeren der ganzen Welt umhergefahren und find es ges wohnt, nur vorübergehend zu Haus bei Mut­tern zu sein.

Heulend und brausend fegte der Nordiveft- findlichen Schiffe gewarnt. Und fast jedes der holt zu werden. Dann hat die Besakung gol sturm über die grauen Gewässer der Nordsee . heutigen Fischerfahrzeuge hat einen Empfangs­Seit drei Tagen weht es schon ununterbrochen mit Windstärke elf. Die Gewalt des in die Elb­mündung stehenden Windes drückt bei Ebbe das ihm entgegenlaufende Waſſer zurück, und wenn die Flut einsetzt, so strömen ungeheure Waſſer­maſſen ſtromauſwärtz, überfluten die Ufer biz weit hinein ins Binnenland, wo das Elbewasser nicht einmal mehr salzig schmeckt. Es geht auf Neumond, und wenn zum Mondwechsel im Herbst ein richtiger Nordwester tagelanz bläſt, dann ist an der unteren Elbe der Teufel los.

von der Insel Neuivert beim Feuerschiff Elbe Auf der Rede von Altenbruch und querab 3" liegen viele ausfahrende Seedampfer vor Anker, um besseres Wetter abzutvarten. Bei fol­chem Nordweststurm auszulaufen ist selbst für größere Schiffe gefährlich. Manch schöner Dampfer ist bei dem Versuch, die Ausfahrt aus der Unterelbe gegen einen Nordwester zu er tvingen, an der felsharten Kante der Sand­bank Scharbörn gescheitert und seine Holztrüm­In Cuxhaven ſteht die Fischervorstadt fuß- mer trieben mit einsehender Flut gegen die hoch unter Wasser. Auf dem linken Ufer find Anterketten der vorsichtigeren Genossen. Manch Wiesen und Felder des fruchtbaren Kehdinger anderer, nördlicher steuernd, um die schäumende Landes weithin überschwemmt und die Bauern Brandung vor Scharnhörn zu vermeiden, geriet von Stormarn auf der schleswiger Seite, deren gegenüber auf den Großvogelsand, und bei Uferland höher liegt und durch flache Sandbänke Niedrigwasser fann man seine beiden Mast­vor dem Ansturm des Wassers geschützt ist, haben spigen noch monatelang sehen. Alles übrige ihr Vieh schleunigst von der Weide holen haben die mahlenden und saugenden Sand­müssen. Ihre berühmten schwarzweißen ühe, massen des großen Schiffsfriedhofes zwischen die sich das Gras des fetten Marschbodens bis Helgoland und Curhaven verschluckt. weit in den Winter hinein gut schmecken lassen. Im Hamburger Freihafen zeigt der Regel einen Wasserstand an von fast atvei Fuß über normal. Auf der Seewarte, gegenüber dem Bismard­denkmal, ist schon gestern der erste Kanonenschuß gefallen, das Warnungssignal vor Hochwasser­gefahr. Bald wird der ztveite folgen: Für jeden

Fuß am Pegel ein Schuß.

Und der rasende Sturm läßt nicht nach:

Heute ist der Schiffsverkehr eingestellt. Der heulende Sturm findet kein Opfer, an dem er seine Wut austoben, das er zerschmettern und den wilden Wogen, ſeinen Spießgeſellen, zum Fraß hinterfen könnte. Die vor Anker liegen­den Schiffe sind durch die vorliegenden flachen Sände sicher geschüßt. Zornig brüllte er auf, der rasende Nordwester. Wirklich niemand, mit dem er spielen, dem er seine Kraft beweisen fönnte? Fern blist ein Licht auf.

Ueber die freie, offene See ist er gekommen, hat die Wasser aufgewühlt bis in die Tiefe und ist in sausender Jubelfahrt weiter gezogen. Nun Weit draußen auf der See, dreißig See­stößt er zwischen nordfriesischer und ostfriesischer meilen von Curhaven entfernt und vierzig von Küste auf tausend harte Widerstände, die nicht Helgoland, liegt das Feuerschiff Elbe 1" auf nachgeben wollen oder können. Biegen oder bre- Position. Fünf Monate dauert der Seetörn", chen! Und es brechen alte, festverwurzelte fünf Monate muß das mit den modernsten Bäume. Es brechen Telegraphenpfosten und Hilfsmitteln ausgerüstete Schiff Nacht um Funkenmaste. Es fliegen flirrende Ziegel von Nacht mit seinem strahlend hellen elektrischen den Dächern. Im schönen Vierlanden kracht Leuchtfeuer den Schiffen den Aussteuerungs­unter ohrenbetäubendem Getöse eine Wind- punkt in die Elbe weisen, von dem ausgehend sie mühle zusammen, die schon mehr als hundert Jahre steht.

So hast der ungebärdige Aeolussohn im Lande. Die ruhigen Friesenbauern kennen ihn. Sie siben in ihren weit voneinander liegenden Häusern, rauchen zufrieden in Geborgenheit ihre Pfeife und sagen zuweilen, denn sehr ge­sprächig sind sie nicht, zu der eifrig stridenden Bäuerin: Dat bläst abers heute mal wieder bannig, wat, Mutting? Woans mag dat nu woll buten fin?"

Ja, wie mag das wohl draußen sein... Draußen auf See, an diesem Oktoberabend des Jahres 1936! Die wetterkundigen Fischer find vor dem ausbrechenden Sturm rechtzeitig heim­wärts gefahren oder haben einen Nothafen auf gesucht. Sie wissen, daß Weser und Elbe so manchem ihrer Väter und Brüder bei solchem Wind zu Mondwechselzeit ein nasses Grab be­reitet haben. Sie sind moderne Leute, die Nord­seefischer. Beim Herannahen des Nordwesttiefs haben die Fischereikreuzer und die Küstentvetter stationen funfentelegraphisch alle auf See be­

von Feuerschiff zu Feuerschiff bis nach., Elbe 5" und so den Weg nach Eurhaven finden. Fünf Monate lang haben die zehn Mann der Be­sabung vollauf zu tun, um tagsüber Signale mit ein- und ausfahrenden Schiffen auszutau­schen, Funkielegramme entgegenzunehmen und abzusenden, Lotsen, von denen immer eine An­zahl an Bord ſind, mit dem großen Motorboot auf einkommende Dampfer abzusetzen oder von auslaufenden abzuholen, die Dynamos und andere Maschinen des eigenen Schiffes zu be: dienen und vieles mehr. Arbeit genug ist auf dem Feuerſchiff. Es soll niemand glauben, die armen Leute, fünf Monate allein da draußen an immer derselben Stelle, wüßten vor Lange­weile nicht was anfangen.

Wenn die fünf Monate herum sind, kommt der Bojendampfer der Eurhavener Lotsenstation längsseits und mit ihm das Reservejeuerschiff, das nun für einen Monat den Posten des ge­treuen Elbwächters übernimmt. Mit eigener Kraft fährt die ,, Elbe 1" dann motorbrummend elbaufwärts, um in Eurhaven gründlich über­

Der Nordweststurm verschafft ihnen ein paar faule Tage. Zwar das mit einem viele Zentner schiveren Schildanker fejiliegende Feuerschiff ſtampft und rollt gewaltig in der groben See. Aber der ruhende Schiffsverkehr läßt ihnen tagsüber mehr Zeit als ſonſt, und nachis, wenn die große Lampe brennt, genügen vei Mann Decwache und einer in der Maschine, um den Dienſt zu verſehen.

In Delzeug und schweren Seestiefeln stehen die Männer der Wache an Deck. Fortwährend dampft Sprißwaſſer über das auf- und nieder­stampfende und hin und her rollende Schiff. Bon Zeit zu Zeit, wenn die Elbe 1" gerade in ein Bellental niedersinkt, bricht eine beson­der schwere See mit dumpfen Donnern über die Bordwand und stürzt Unmengen Salz­waſſers an Deck. Dann geht von dem gewaltigen Stoß ein Bittern durch den rotgestrichenen eisernen Rumpf, und es dauert eine Weile, bis sich die Wasser, im Schlingern und Rollen des Schiffes von Verschanzung zu Verschanzung getrieben, durch die nach außen aufklappenden Wasserpforten wieder verlaufen haben. Die Seeleute kennen das. Unzählige Male sind sie um Kap Hoorn gefahren, wo die Gewässer des Atlantischen und des Stillen Ozeans ständig wütend gegeneinander prallen und mit riesigen Wellenbergen dem gegen Westtvind und See auffreuzenden Schiff furchtbar zusehen.

Auf der Brücke steht, ebenfalls in wetters festem Zeug, der Steuermann. Mit Billigung des Kapitäns hat er bereits vor ein paar Stunden den Befehl Achtung" in die Maschine gegeben. Aus Vorsicht. Bei solchem Wetter fann es vorkommen, daß die beste Ankerkette bricht. Dann muß das Schiff in der Lage sein, mit seiner Schraube sofort Fahrt voraus aufzuneh men. Sonst treibt es, dem Steuer nicht gehor­chend, hilflos gegen die gefürchtete Scharhörn­fante. Leise brummt der große Motor im Maschinenraum.

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Der Steuermann nicht zufrieden. Solche Sturmtage erlebt man an Bord eines Feuer­schiffes in der deutschen Bucht im Herbst und Winter zu oft, als daß man sich irgendwelche Gedanken dabei machte. Vorsorge treffen natürlich, das ist die Pflicht eines ordentlichen Seemannes. Im übrigen hat er jeder See­ mann glaubt das stets schon viel schivereres Better durchgemacht und überstanden.

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Ein Strich Steuerbord voraus ist das Drehsener des Helgoländer Leuchtturmes gut zu sehen in der klaren Nacht; von achtern schim mern die beiden roten und weißen Lampen von

Elbe 2" und ganz schwach und undeutlich das