Fretheil

Pan fale

Nummer 161-1. Jahrgang

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Freitag, 29. Dezember 1933 Chefredakteur: M. Braun

Aus dem Inhalt

Francois- Poncet bei Hitler Seite 2

Herrschaft

dec zentralen Bürokratie Jüdische Weihnachtsgceuel Seite 3

Wahre Meinung des Vatikans

Seite 4

Innere Keise Japans

Seite 6

Röhm kommandiert die Reichswehr

Sturz des Generals von Hammerstein- Der letzte Freund Schleichers

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D. F. Amtlich wird aus Berlin gemeldet, daß der Chef der Heeresleitung, General der Infanterie Freiherr von Ham= merstein Equordt am 1. Februar unter Beförderung zum Generaloberst aus seinem Amte scheiden wird. Im vollen Einvernehmen mit der Reichsregierung." Daran zweifeln wir nicht. General von Hammerstein, ein fluger und wohl überlegender Mann, wird längst eingesehen haben, daß seine Zeit ebenso vorüber ist wie die seines langjährigen Freundes, des Generals und furzlebigen Reichskanzlers von Schleicher.

Gesundheitliche Gründe können den rüstigen General nicht zum Rücktritt veranlaßt haben. Die amtliche Meldung macht auch nicht den Versuch, die sonst so beliebte erschütterte Ge­fundheit anzuführen. Freiherr von Hammerstein ist erst 55 Jahre alt. Er hat eine große und rasch aufsteigende Lauf­bahn hinter sich, deren entscheidender Teil in die Geschichte der Republik fällt. Zu Beginn des Krieges war er Adjutant des Generalquartiermeisters beim Chef des Generalstabes. Er verfaßte die ersten Kriegsberichte des Großen Haupt: quartiers. Ihre knappe, prägnante Kürze entsprach seinem militärischen Lebensstil. Ueberflüssige Worte wird man felten aus dem Munde dieses Generals gehört haben, wohl aber manchmal sehr derbe, von kräftiger Plastik. Auch wenn er vor sogenannten Gebildeten sprach, verleugnete er seine Vorliebe für Kasernenhofblüten nicht. Er war aber keines­wegs so einseitig, wie man aus mancher seiner Redewendun gen hätte schließen können. Insbesondere wußte er sehr wohl, daß die Reichswehr , so sehr er parteipolitischen Cha rafter des Heeres vermeiden wollte, tief im Volke, auch in der sozialistischen Arbeiterklaffe, verwurzelt sein muß, wenn sie ihre Aufgabe in Frieden und Krieg erfüllen soll.

Chef der Heeresleitung war er seit dem 18. Oktober 1930. Er gehörte zu den Generalen, die in eiserner Trene neben General von Schleicher standen. Er war an dessen ver: wegenen Plänen vor jegt einem Jahre beteiligt. Das unter den gegebenen Verhältnissen nun einmal fantastische Ziel einer Front von Gregor Strasser bis Leipart fand seine Unterstügung. Er war einer der Verschworenen, die kurz vor der Machtergreifung Hitlers die Verhaftung des geschäftigen Intriganten von Papen und die Entmachtung des Reichspräsidenten erwogen, um dem nationalsoziali: stischen Regime durch ein konservativ- militärisches Diref= torium zuvorzukommen.

Die Nationalsozialisten konnten bei der Rücksichtnahme, die gegenüber der Reichswehr geboten war, nicht sofort den frondierendes General beseitigen. Dennoch wußten sie die Reichswehr mehr und mehr um dessen Einfluß zu bringen. Der Reichspräsident hatte sich zwar vorbehalten, daß das Auswärtige Amt in den Händen des konservativen Freiherrn von Neurath verblieb und die Reichswehr wieder einem bewährten Offizier anvertraut wurde, dem General von Blomberg aus Königsberg . Dieser aber brachte sich einen nationalsozialistischen Chef des Ministeramts aus Königs­ berg mit, den Obersten von Reichenau. Der saß nun in der wichtigen politischen Schlüffelstellung im Reichswehrministe: rium, von der aus Herr von Schleicher so lange Jahre hinter den Kulissen Politik zu machen verstand. So wurde denn erft vorsichtig und dann in rascherem, sichtbarem Tempo die Gleichschaltung der Reichswehr betrieben.

Ein General von der Bergangenheit und dem militärischen Zwischen Paris und London

Eigenwillen von Hammersteins wurde unmöglich, als der Höchstkommandierende der nationalsozialistischen Milizen, Ernst Röhm , Reichsminister wurde und die SA. und die SS. auch durch Reichsgesetz staatsoffiziellen Charakter erhielten. Männer wie Schleicher und Hammerstein wollten zwar durchaus die körperliche Vorbereitung der gesamten wassen fähigen Jugend für den Kriegsdienst, aber sie waren niemals Freunde von militärähnlichen Jugendorganisationen, wenn diese nicht ihrer eigenen Kontrolle, ja ihrem Kommando unterstanden. Nun wurden zwar unter der nationalsozialis stischen Regierung die Milizen Hitlers , in Wahrheit die Milizen Röhms, mehr und mehr an die Reichswehr heran: gebracht und in den Staat eingebaut, aber ihr Organisator und Führer Röhm kann keine andere Befehlsgewalt neben fich dulden. Ob er nun nach der Beseitigung Hammersteins unmittelbar das Kommando über Reichswehr und Milizen erhält oder einen ihm hörigen General vorschiebt, ändert nichts an der Tatsache, daß von nun an die gesamte Militär macht Deutschlands , sowohl das Berufsheer wie die unübersehbaren Mili zen, dem soldatischen Willen Ernst Röhm 3 unterstehen.

Wir haben oft schon auf die große und wachsende Bedeu tung dieses Mannes hingewiesen. Seine homosexuelle Ver: anlagung und Betätigung hat viele Vorbilder in den Biografien von Heerführern. Als sie öffentlich bekannt wurde, war Röhms Stellung in der NSDAP . schon viel zu mächtig, als daß er hätte beseitigt werden können. So haben sich denn mehr und mehr seine Gegner, schließlich auch der alte, in seinen eigenen unwürdigen Fehlern gefangene Hindenburg, dem ihm persönlich widerwärtigen Röhm bengen müssen. Röhm ist nie etwas anderes gewesen als Soldat und nur Soldat. Seine Entlassung aus dem Heeres: dienst trieb ihn in die illegale militärähnliche Organisation. Seine Natur zwingt ihn, militärisch zu denken, militärisch zu handeln und militärisch zu drillen. Längst fieht Europa mit Staunen, wie dieser Mann unter den Ketten des Ver: sailler Vertrages und unter den Augen der hochgerüsteten Militärmächte in Deutschland die gewaltigste triegerische Jugendorganisation geschaffen hat, die je militärische Fan: tasie sich erdachte. Er reist und redet nicht wie Hitler . Er baut unermüdlich Deutschlands militärische Reserven auf. Seine soldatische Kampinatur läßt es auch nicht zu, daß er sein Machtinstrument lediglich als Waffe gegen den inneren Feind kennzeichnet. Wo er das einmal tun muß, wie neulich vor der ausländischen Presse, fühlt man deutlich, daß andere ihn zu diesem politischen Spiel vorgetrieben haben. Ihm selbst ist das zuwider.

In London , in Paris und in Rom überlegt man, wie man Deutschland an die friedlichen Völkerbundsgestade von Genf zurückführen könne. Ob es gelingt, bleibt dahingestellt. Berlin verläßt sich jedenfalls weder auf Genf noch auf

direkte Gespräche. Die alten, konservativen, jedem Abenteuer widerstrebenden Generale verschwinden. Röhms unbedenk­liche, alles auf eine Karte segende Soldatenenergie beherrscht die Stunde. Zwischen den Kabinetten wandern hin und her die Noten für Abrüstung und Frieden. In Deutschland aber und im Grunde in der ganzen Welt stehen längst die Mili tärs im Vordergrunde, und sie rechnen mit dem Krieg.

Amerika erwartet Kricg

Vielleicht schon in ein paar Monaten paar Monaten- sicher in zwei Jahren

Der großen amerikanischen Tageszeitung New York American" schreibt ihr Londoner Korrespondent William Hillman am 4. Dezember:

Weihnachten kommt in den nächsten Tagen: Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen" Der nächste Krieg, der neue Weltkrieg, kann eine Angelegenheit der nächsten Monate werden.

Für Europa ist der Krieg wieder nah! Die Staats­kanzleien verhehlen nicht ihre Furcht, daß der Krieg, den sie erwarten, nahe bevorsteht; in privaten Unterhaltungen schätzen sie das Datum seines Ausbruchs.

Eine fieberhafte Atmosphäre liegt über den europäischen

Hauptstädten, erschreckend in ihrer Aehnlichkeit mit der elektrischen Spannung des Frühjahrs 1914. Nüchternes Urteil mag sagen, daß die großen Völker, die vor ungeheueren wirtschaftlichen Schwierigkeiten stehen, zum Krieg nicht bereit sind. Aber dem nüchternen Urteil tann man fein Vertrauen schenken... Ganz offenbar ist

Deutschland , um das sich die Sturmwolken sammeln, zum Schlagen nicht bereit. Wenn es zum Schlag ausholt, wie Frankreich , England, Belgien und die fleine Entente er­warten, so wird es das erst tun, wenn es sich stark genug fühlt, den Spruch von 1919 umzustürzen. Ihm fehlen die Sortjegung Seite 2

Paris , 28. Dezember.

A. Sch. Die englisch - französische Aussprache, die in diesen Tagen von Simon, Chautemps und Paul- Boncour geführt, in Paris stattgefunden hat, bildet zweifellos eine wichtige Etappe in jenem so komplizierten außen­politischen Spiel, in dem jegt um die Kräftelagerung in Europa und um die Entscheidung, ob Krieg oder Frieden, gewürfelt wird. Die Bedeutung der Pariser Aussprache besteht nicht allein darin, daß zum erstenmal seit Wochen wiederum die Ansätze einer englisch - französischen An­näherung angedeutet wurden. Noch wichtiger war es, daß in Paris der Standpunkt Frankreichs präzisiert und er­härtet wurde. Es war in den letzten Wochen unklar, ob und in welchem Maße Frankreich bereit wäre, den Hitler­schen Forderungen nachzugeben. Die Verhandlungs­bereitschaft Frankreichs wurde von pielen als Rompromiß bereitschaft ausgedeutet. In den Tagen, die nach der englisch - französischen Aussprache vergangen sind, war es indessen möglich, wichtige Einzelheiten über die Haltung der beiden Partner festzustellen.

Der Nebel um die Position Frankreichs ist nunmehr gewichen. Chautemps und Paul- Boncour haben dem eng­lischen Außenminister mit aller Bestimmtheit erklärt, daß Frankreich gegen jede Aufrüstung des Hitler- Deutschlands ist und unter allen Umständen an Genf festhält. Damit wurde ein schwerer Schlag gegen Berlin geführt, denn Hitler hat die deutsch - französischen Verhandlungen von vorneherein in die Gleise seiner Aufrüstungsforderungen geschoben. Statt die Möglichkeit der direkten Fühlung­nahme zum Zweck der generellen Verhandlungen mit einem breiten Wirtschafts- und politischem Programm auf Grundlage der gegenseitigen Rompensationen auszus nützen, und ein solches Programm würde in Frankreich zweifellos eine allgemeine Beachtung finden, hat der deutsche Faschismus einzig und allein die Waffe ver­langt. Frankreichs entschiedenes Nein!" bedeutet nun mehr, daß die direkten Verhandlungen gegenstandslos geworden sind, da Hitler sie allein auf seine Aufrüstungs­forderungen beschränkte. So muß der Trumpf der Ver­handlungen zu zwei, ein sehr starker und vielversprechen­der Trumpf, Hitlers Händen entgleiten.

Auch Frankreichs Parole zurück zu Genf !" ist eine starke Enttäuschung für die Hitlersche Diplomatie. Hitler wollte direkte Verhandlungen mit Paris , um Genf meiden zu können, sowohl den Völkerbund, als auch die Ab­rüftungskonferenz. Frankreich will das nicht zulassen. vorschläge" den Bölkerbund mitten ins Herz treffen, um Mussolini wollte Anfang Dezember durch seine Reform Großmacht zu steigern und um die Revision der Verträge Hitlers Stellung zu entlasten, um Jtaliens Gewicht als aufrollen zu können. In Paris erklärten Chautemps und Paul- Boncour , daß Frankreich den italienisch- deutschen Vorstoß gegen den Völkerbund mit allen Mitteln ab­wehren wird. Es ist England zu verstehen gegeben worden, daß Frankreich unter allen Umständen dem Völkerbund treu bleiben wird, auch wenn Jtalien und selbst England ihn verlassen werden.

Aber auch die Abrüstungskonferenz ist von Frankreich in Schutz genommen worden. Frankreichs Parole lautet: Fortsetzung und Abschluß der Abrüstungsverhandlungen nur in Genf , bei der unbedingten Beibehaltung des verein­barten Termins. Am 21. Januar soll die Hauptkommission ihre Arbeit anfangen. Es geht nicht allein um den Grund­jazz, ob die Verhandlungen allein im Rahmen der Ab­rüstungskonferenz geführt werden, es ist auch eine prak­tische Frage von außerordentlicher Bedeutung. Frankreich will die Abrüstungsverhandlungen vor dem Forum der Weltöffentlichkeit führen, sich auf die beiden Genfer Ein­richtungen, auf die Abrüstungskonferenz und auf den Völkerbund stüßend. Das maßgebende Organ der Radikalen Partei, das Pariser Deuvre", das noch vor Deutschland war, hat in diesen Tagen sehr deutlich auf­kurzem selbst für die Verhandlungen mit dem Hitler­gezeigt, zu welchen Mitteln Frankreich zu greifen beab­fichtigt, wenn der deutsche Faschismus seine Aufrüstungs­forderungen nicht aufgibt und seine Aufrüstung fortsetzt. Dann wird Frankreich sich an den Völkerbund wenden,