II. Nach der Wahl:

Conferenz

Saal

3

K

Wir brauchen Soldaten, um den Sozialismus niederzuzwingen. Weiber haben in der Politik nichts zu suchen. Scheren Sie sich an den Kochtopf! Hinaus mit Ihnen!"

Spott und Hohn belegt, geradezu aufreizend und beleidigend| muß aber das Urteil des Obersten Bauer für die Frauen fein, wenn er an anderer Stelle( Seite 156) im Abschnitt feines Buches sagt:

So fehrten viele Ehemänner vom Urlaub gefchlechtstrant zurück, die eigenen Frauen waren die Schuldigen. Bei den unver­heirateten Männern war es noch ärger. Der Mangel an Männern einerseits, die infolge der Berufstätigkeit größere persönliche Freiheit der Frauen anderseits, und die geringe Aufsicht durch Gatten und Bäter, trieben gerade das Weib zum Sich- Ausleben".

Die verführten Männer- fle waren es tatsächlich mußten das Geld schaffen, und so ffieg wieder das Schieber- und Wucher­wesen, ein wahrer circulus vitiosus."( Fehlerhafter Kreislauf.)

Das ist das Urteil eines Offiziers über die Frauen, der neben General Ludendorff in der zweiten Hälfte des Welt­frieges die verantwortliche militärische Leitung auf deutscher Seite hatte.

Die Frauen und Mädchen des Proletariats, die wäh­rend des Krieges bei mangelhafter Ernährung in den gefähr lichen Waffen- und Munitionsfabriken Arbeit nahmen, um für die Familie das bißchen Geld für Kriegsbrot und Kohl­rüben zu verdienen, werden von einem Offizier beschimpft, welcher bald nach dem Zusammenbruch ins Ausland flüchtete und mit Hitler und all den anderen Hachverrätern gegen die Republik und Arbeiterschaft konspirierte.

Frauen und Mädchen des Broletariats! Denkt am Wahl­tag an die Beschimpfungen Eurer Ehre durch diesen völti schen Rohling. Laßt Euch durch keine Versprechungen ein­fangen.

Wählt nur die Sozialdemokratische Partei , die stets für Eure politische Gleichberechtigung eingetreten ist und nach wie vor Eure Rechte verteidigt!

Die gute alte Zeit!"

Zu diesem Thema schreibt Genosse Pfarrer Franke: Mitte Februar geleitete ich auf den Friedrich- Werder­Kirchhof einen 79jährigen Manit zu Grabe. Er war feines Zeichens Steindrucker gewesen. In diesem Beruf, der mit schwerer förperlicher Anstrengung verbunden ist, hat er 57 Jahre ununterbrochen im Dienst ein und derselben Firma gestanden, einer größeren Steindruckerei in Neukölln. Als der Krieg begann, wurde er entlassen, ohne jede Bension oder fonftige Bergütung. Anspruchslos und bescheiden, wie er

war, nahm er es ohne Murren hin, obwohl er zu Hause eine seit 11 Jahren gelähmte Frau liegen hatte. Er hat dann noch während des Krieges als Steindrucker bei anderen Firmen Arbeit gesucht und gefunden, bis es nicht mehr ging. Die Liebe und Anhänglichkeit seiner Kinder bewahrte ihn vor Not und Entbehrung und hat es zuwege gebracht, daß dieser Mann bis zu seinem 80. Lebensjahre unverbittert blieb. Dabei hat er während seiner 57jährigen Tätigkeit bei der einen Firma nicht einmal Urlaub gehatt; er ist nie frant gewefen! Und wenn er aus Anlaß der Konfirmation feiner Kinder je einmal einen Tag von der Arbeit wegblieb, hat er sich müssen einen Lohnabzug dafur gefallen lassen. Arbeiterschicksal in der wilhelminischen Aeral

Daß eine neue Welt erstehen soll.

weihnachtsheiligabend mittags, in strenger, hoffnungslos nüchterner, Es war zum erstenmal, daß ich ein Gefängnis betrat, letzten klarer Kätte. Wir hatten Geld gesammelt und eingetauft, wäsche,

warme Kleidungsstücke, Büchsenmilch. Mit ihnen sollte den Müt tern, die sich mit ihren kleinen Kindern im Gefängnis befanden, eine Weihnachtsfreude bereitet werden. Das Entgegenkommen der Oberin ermöglichte eine freundliche Anordnung der Gaben auf dem langen i'ch eines gutausgestatteten Konferenzzimmers, in dem dann die Mütter mit ihren Kindern erschienen. Bielleicht war dieje furze Spanne Zeit, in der sie von dem warmen Behagen eines ge fälligen Raumes umfangen waren, die einzige in den Feiertagen, die eine weihnachtliche Stimmung minutenlang in ihnen auffommen ließ. Und vielleicht waren die Tränen, die sie hatten, gar nicht nur der Ausdruck einer Rührung, daß man ihrer fleinen Kinder gedacht, daß man sie und in ihnen die Mütter beschenkt hatte, vielleicht waren sie weit mehr noch der Ausdruck einer nicht bewußt ge worbenen, aber im fiefften leidenden Traurigkeit, aufgefliegen aus dem Berlust des früheren Paradiefes, das einmal im Anfang jeder Mensch haite, und aus der Lebensangst, die feinen hellen Weg vor jich jah. Es gibt nichts, daß mehr erschüttern und troftloser wirken fönnte, als das stumme Weinen diefer jungen, unehelichen Mütter. Denn das waren sie ausnahmslos, und durchweg, wie ich erfundete, megen Eigentumsvergehen verurteilt. Eine hatte einer Kollegin ein Kleid entwendet, die andere ihrer Arbeitgeberin Wäsche weg­genommen, um die notwendigen Sachen für das erwartete Kind daraus zu machen, eine drifte hatte sich Geld angeeignet, denn ihr kind befand sich bei der Großmutter in Pflege und sie mite zahlen. Es ist ein Abgrund von Trauer. Gerade die letzten Jahre

-ARY