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wie ein rotes, jzerschlagenes Ei. Butoire un­tersuchte vorschriftsmäßig die Kleider und Waffen. Plöglich sprang er auf und stieß einen unterdrüdten Strei aus. Dann lief er wie närrisch im Kreise und schwenkte einen Helm in der Hand. Ohne der Gefahr zu achten, brüllte er laut auf. Sein Opfer war ein französischer Soldat!

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Er blieb auf der Erde sizzen. Seine, ten Schuhen umher. Als er sah, daß Bu: vire schlotternde Angst wuchs von Minute zu Mi- die Augen aufschlug, trat er zu ihm und nute. Es wurde ihm abwechselnd heiß und sprach ihn an: falt. Er wußte nicht, was er tun sollte. Er kam auf den Gedanken, rasch zur Stellung zurüdzukehren und sich anzuzeigen. Er stand auf und machte drei Schritte. Auf seinen Lippen formie sich schon der Sah, den er sprechen wollte: Herr Sergeant, ich bin ein Schuft!"

Butoire hielt im Laufen inne und sank in Schrecken und Angst neben der Leiche zu Boden. Er stüßte der Kopf in die Hände Leiche zurück, brach neben ihr zusammen, Aber unwiderstehlich fehrte er zu der und schluchzte. Immer wiederholte er die­selben Worte: Ich habe ihn getötet, weil ich betaftete fie, hob sie auf und umarmie sie. Es wurde immer heller. Lange Baum­besoffen war. War' ich nicht besoffen gewestämme lagen um den verfluchten Ort. Als sen, hätte ich ihn nicht getötet!" es vollends Tag geworden war, saß er auf recht und unbeweglich auf der Höhe der Bö­schung. Bald flatschte eine Rugel gegen sei­Mantel. Er stöhnte erleichtert auf, fiel auf die Knie und sauf zurüð.

,, Na, da guast du ja wieder. Es geht dir wohl besser. Weißt du denn schon, daß sie dix die Militärmedaille unten an den Strohsad geheftet haben? Große Eile haben sie damit gehabt, gleich am selben Morgen. Der Boche in französischer Uniform hatte Papiere von großer Wichtigkeit mit. Jch helfe hier ein Aber es ist halt so im Leben; je mehr du bißchen. Ich könnte eigentlich mehr machen. macht, um so weniger giltst du."

" Ja," murmelte Butoire. Er schlief wieder ein; denn er war nicht imſtande, alles zu verstehen. Soviel auf einmal fonnte er nicht favieren und in seinem Gehien ver­arbeiten. Nach und nach begriff er alles. Die neue Ta'sache veränderie ihm das Bild der Welt, und er drückte das Ereignis in dem Er erwachte, ganz in Weiß gehüllt, in einen Wort aus: Ich war ein Schuft und einent fleinen, hellen Schulsaal, der zubin jetzt ein Held!" Ein Held! Er strahite. einem Hosvital umgewandelt worden war. Mit Wonne erwachte er wieder zum Leben. Ein Kranker, der schon beffer auf dem Seine ganze Umgebung schien in sonntägli­Bosten war als die anderen, schlurfte in alchem Buzz zu leuchten."

Beim Blute des Heilands, wer hatte ihm nur gesagt, daß es ein Deutscher sei? Keiner! Er hatte es, ohne nachzudenken, angenomen ment, weil der Kletterer von dem andern Ufer der Aisne gefommen war. Butoire hatte angelegt, obwohl es kaum möglich gewefen war, in dem huschenden Schatten einen Men­schen zu erkennen. Er war eben besoffen gewesen!

Warum?

Laß die heiligen Parabolen, Laß die frommen Hypothesen Suche die verdammten Fragen Ohne Umschwelf uns zu lösen. Warum schleppt sich blutend, elend, Unter Krenzlaft der Gerechte, Während glücklich als ein Sieger Trabt auf hohem Noß der Schlechte? Woran liegt die Schuld? Ist etwa Unser Herr nicht ganz allmächtig? Ober treibt er felbft den Unfng?" Ach, das wäre niederträchtig. Also fragen wir beständig,

Bis man uns mit einer Handvoll Erde   stopft die Mäuter­Aber ist das eine Antwort?

Heinrich Heine  .

Der letzte Verwundete.

Der leyte   Verwundete des Weltkrieges wurde dieser Tage aus der chirurgischen Station des Landfrankenhauses in Fulda   entlaffen. Er war seit 19: 8 ohne Unterbrechung in ärztlicher Behandlung. Dieje tieine Notiz ging fürzlich durch die Breffe... als sturiosum. Sie verriet weder den Namen des Kranten noch die Art seiner Ver wundung. Ob einer länger darüber nach dachte, als er das las?

Ein Reflex des grogen Weltbrandes; utan rechnet:... da war er ja volle zehn Jahre im Krankenhaus..."

Nein, die Rechnung ist falsch. Nicht zehn Jahre war er in jenem Haus, in deffen Räume Hoffnung und Verzweiflung einander täglich begegnen. Es war mehr: er sah zehumal den Frühling wachsen und den Herbst verdämmern. Das ist wohl mehr. Der Krieg sauf zuzüd. Die Schleier trauernder Witwen

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Champagneschlacht... Berdan... Somme[ sen, grove Redakteure Pfennigzeilenhono­pern... Chateau Thierry  ..

rare.

Namen und Zahlen gleiten zurüd wie ge- Aus besseren Sachen: Empfängen von storben Sumer schwächer ziehen die Reflexe aus Fürstlichkeiten, Naturkatastrophen, erſtem jener vierjährigen Mordnacht am Firmament Schneefall oder christlichen Feiertagen machte des Weltgeschehens auf. Keiner verweilt. Die der Redakteur eigenhändig ein Feuilleton. Ein Zeit zerpftüdt ihn in tausend Hände, die nach Gebilde, aus Tatsachen, persönlichen Meinungen Brot greifen utüſſen. und staatserhaltender Philosophie funstvoll zu fammengedichtet.

Der simple Reporter playte vor Neid. Jeder Stand hat seine Schicksalsfurve. Den Reporter hat die Zeit hochgeriffen. Das Feuilleton( der Redakteur natürlich nicht!) fixt auf dem absteigenden Aft.

Die Gegenwart zieht den Boxer den Dich ter, die Tatsache der besinnlichen Spekulation vor. Damit hat sie Recht, denn der Dichter dich­fete meistens unglaubwürdige Märchen, während die Majestät der Tatsache unangreifbar ist.

Der Verwundete im Landesfrankenhaus in Fulda   hatte wohl etwas mehr Zeit. Tag und Nacht sind ihm Geschwister geworden, nicht Zeit­begriffe. Und so wurde er blutsverwandt mit jenen Tagen und Nächten, in denen er vergessen mußte, Mensch zu sein. Die anderen dachten jurid, er fühlte zurüd; sein Leiden war der stumme Weggenoffe, die Frage: warum? Zehn Jahre zehumal Frühling zehnmal Herbst, da lernt man nachdenken. Und vermag es nicht zu begreifen, wie fern jetzt schon trop aller Leitartikel, trotz aller Reden, denen diese Zeit des Bluthustens liegt, die sie damals verfluchtenien eingerüdt. und die goldene Altäre gelobien, wenn das Wort Friede in einer linden Nacht Wirklichkeit geworden wäre. Wird ihm die Welt nicht flacher, nicht lächerlicher in all ihrer Tragif geworden fein?

Und er sicht: Sie hastet an Abgründen vor­bei. Ein Zug blinden Schidfals? Wer steht an den Weichen? Wer kennt die Haltefignale? Wer beachtet sie? Weiter geht die Fahrt, und wie wenige achten darauf, wohin der Schienenftrang führt. Wer im Speisewagen des Lebens jigt, fühlt sich am fichersten, bei Katastrophen wer­ben Speisewagen selten zertrümmert

Zu langen Nächten kommen Berwundete auf quergelagerte Gedaufen. Die Zeit räumt sie als Hindernisse weg, aber lagen sie nicht in der gleichen Richtung wie vor zehn und mehr Jahren, unfere eigenen Gedanken? Wenn Wun den vernarben, flopft das Vergessen ar?

D. F. Heinrich

Der Reporter wurde jetzt in beffere Spal

Er wurde der Chronist des nüchternen Weltgeschehens.

Damit wuchsen die Ansprüche an seine Fähigkeiten. Er mußte fernen, komplizierte Er. eignisse der Sachwelt mit einem Blick zu über sehen, sie richtig, d. h. ohne Phantastebeimen­gung, in größere Zufaumenhänge einzugliedern, ihnen das Wesentliche im Nu anzumerken und alles in eine fuappe, gegenständliche, präzise Sprache zu bannen, in der noch das Erlebte un mittelbar lebendig nachzittern soll.

Das ist ungeheuer schwer, bedingt eine Son derbegabung und mancher lernt's nie.

Auf den entfesselten Reporter, den nicht mehr die engste Abhängigkeit von Redakteurs­gnaden quali, lanern mancherlei Gefahren. Er kann der Sensationswnt verfallen, indem ihn nur noch Spizenleistungen des lächerlichen 3- falls intereſſieren, tolle, ausgefallene Sachen, die so unwahrscheinlich sind, wie das große Los in der zwölfföpfigen Broletarierfamilie. Dann feinen Zeitungen zwar knallige

Mädchen lösten sich von jenent vermeintlichen, Haben Sie gelesen, daß...? hlagzeilen, aber der seitchronische Wert der

Ende: er kommt nicht wieder; Kinder fragtent feltener nach dem Bater, dessen lehter Brief im obersten Fach der Kommode liegt und nun allmählich vergilbt.

Die Welt rast mit ihrem Maschinengejicht, bas jich nicht rüdwärtswenden will, in eine nene Zeit. Nur hin und wieder erblickt dieses Ma­fchinengesicht eine Warnungstafel, die einsam an Krenzwegen steht:... 2. August 1914...

Meldung steht dahin.

Der Reporter das war früher der Stadt reisende in Neuigkeiten. Irgendwo war ein Oder er beginnt planlos zu rasen. Er Pferd gestürzt. Dahin stürzte auch der Reporter. nimmt den Erdball unter sein Sixfleisch und Er schrieb auf, wem das Pferd gehörte, nach wie- rutscht unruhig auf ihm herum, wie ein Schü­viel Minuten die Feuerwehr aurüdte. Er be- fer, der mal hinaus muß. Natürlich: überall scheinigte dem Zuschauer, dabeigewesen zu sein gibi's was besonderes zu sehen. In   China und den Lesern, nichts versäumt zu haben, weil schlachtet man Hühner anders als auf   Sumatra, fie nicht dabeigewesen waren. in   Leipzig trinkt man anderen Kaffee als in Dem Reporter gebührten ausgefranite vo-   Konstantinopel. Was ist schon daran...