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Der richtige Reporter, wie er sein soll, sieht mit unbestechlichen Augen. Er berichtet unbetechlich, aber die Tinte, mit der er schreibt, ista) tros allem Blut, Blut im Körper eines Menfchen, den Gesinnung zum Charakter macht.
Es gibt aber heute nur eine einzige wahr haftige menschenwürdige Gesinnung: das ist die sozialistische. Und daher gibt es nur Reporter von Bedeutung, wenn sie zugleich Sozialisten find.
Egon Erwin Kisch und Tucholsky haben den Typ herausgearbeitet. Jeder auf seine Weise, jeder für sich gültig. Der junge Nachwuchs muß bei beiden das ABC des zeitgemäßen Bericht erstatters gelernt haben, will er selbständig weiterstreben.
Viele bleiben in der Nachahmung haften. Das läuft sich rasch tot.
Wenige finden ihre eigene Straße. Dann geht es rasch voran. Zu diesen Wenigen gehört Erich Gottgetreu , von dem der Berlag J. H. Die Nachf., Berlin , soeben ein Buch gefammelter Reportagen unter dem Titel„ Haben Sie gelesen, daß...?" herausgebracht hat.
Euftige Kurzgeschichten.
Eine ausgezeichnete Erfindung. Das mußte eine gemeine Berleumdung sein. In jenen seligen Striegszeiten, wo man in Einfach eine Beleidigung Fernands. Es war den nentralen Ländern nach zwei Seiten Ge- möglich, ihm eine solche hinterliftige Hand lungsweise zuzutvauen. Nein sie würde sich schäfte machen konnte, hatte es auch in Schwe- nicht so weit erniedrigen, ihn nachzuspionieren den der eine oder andere Habenichts zu Reichtum und Anschen gebracht.
So einer ist nun Herr Kallo Petterson in,
nun ja, der Name tut nichts zur Sache. Er hat sich dort ein altes feudales Schloß gekauft und es auf das allermodernste und überladenſte eingerichtet. Als ehemaliger Maurer glaubte er nämlich, viel von Architektur zu verstehen. Wie dent auch sei, bei seinen Millionen brauchte er jedenfalls feine Kenntnisse mehr. Das Schloß steht da, mit allem, was dazu gehört.
Neulich zeigte er nun einem ehemaligen Berufskollegen, dem er zufällig nach Jahren wieder begegnete, seinen Besiz. Der Freund kam aus dem Staunen gar nicht heraus. So etwas Herrliches hatte er in seinem Leben noch nicht gesehen. Sie gingen durch das Treibhaus und den großen Empfangssalon, durchquerten das Eßzimmer, besichtigten die Bibliothek und landeten schließlich im Schlafzimmer. Auf das Schlafzimmer war Malle Petterson besonders
Hier werde ich dir nun eine Erfindung zeigen," jagte er selbstbewußt,„ die Architekten find nämlich alle furchtbar dämlich. Sichſt du, dort die Wand, ist meine persönliche Erfindung." Der Freund stierte hin, fraute sich den Kopf und konnte an der Wand nichts besonderes feſt
Die dreißig kurzen Tatsachenberichte, die das Bändchen bietet, springen quer durch Europa und auch hinüber nach dem näheren Orient. Stürzt sich Gottgetren an so verschiedenen Schaupläßen in wilde Fendrudabenteuer...? stolz. Nein. Er steht draufen in der Menge vor dem Gefängnistor, als drinnen einer hingerichtet wird. Er sieht zu, wie fich die Irländer am jagenhaften Shannonfluß ein Kraftwerk banen lassen. Er ist Passagier eines Dampfers, der vor Helſingfors auf Spritschmuggler jagt( aber es gibt keine Toten, es geht ganz gemütlich zu). Er schlendert am Pier von Marseille entlang und gerät unter franzöſiſche Soldaten, die ins Schiff verladen werden. Er verbringt einige Tage unter den tapferen jungen jüdischen Siedlern in Palästina.
Alles das sind keine Sensationen, die wie erschreckte Frösche in den Teich des Unwider bringlichen hupfen. Es sind Situationen, die jedem von uns offen stehen, die jeder nacherleben kann, wenn er nur will. Man darf sie prüfen.
Man darf fie prüfen: fie halten jede Frage aus! Das gilt für den Wert der Reportage.
Wie sie dargestellt sind, in eindeutiger, Inapp formulierter und doch klingender Sprache, wie fie fait in jedem Say die klaffen fämpferische Energie des Beobachters spüren lassen, ohne daß ein einziges, billigen Erfolg verheißendes Schlagwort durchdringt, das gilt für den Wert des Reporters. Manche dieser fleinen Sachen sind gedichtete Realistik und realistische Dichtung ideal verhochzeitet.
Genug Reportage über ein gutes Buch, das jich durch die Lettüre beffer empfiehlt als durch Anpreisungen, die schon ins Feuilletonistische und mithin ins Unzeitgentäße auszuarten drohen. W. Jing.
Gedanken- Splitter.
... Wenn je in den Menschen der Heidenmut der schöpferische Arbeiter gewesen wäre, der in den lezten Jahren millionenjältig aufgewendet wurde, um zu zerstören, zu verwäften, zu morden, zu verstümmeln, wenn je die Menschen soviel Heldeumut, soviel Freiheit auf gebracht hätten, wenn je die Jugend, die in ungezählten Scharen hinausgeströmi ist, um die Länder zu verwüsten, ihr junges Leben zu opfern, jenen Heroismus besessen hätte, um Menschheit zu erkämpfen, dann wären wir heute eine andere Geſellſchaft.
( Aus der Rede an die Baster Studenten, 1919.)|
stellen.
und troydent... nachdem sie der Zerstreus ung halber stundenlang die allerverlockendsten Abteilungen der verschiedensten Warenhäuser durchbuzamelt hatte, befand sie sich etwas vor 5 Uhr in einem kleinen, schäbigen Kaffeehaus. deſſen Fenster gerade dem im Brief näher be
zeichneten Hause gegenüberkagen
Es war eine kleine, enge Straße hinter dem Trocadero und das Café war viertklassig.
Sie bezahlte ihren Tee mit einem Zehnfrankenschein, den der Kellner mit außerordent lich verständnislojem Lächeln entgegennahm.
Durch die Gardinen der Fensterscheiben ver juchte jie irgendetwas von jenem Myſterium zue entdecken, dessen Fäden sie gern entwirren wollte. Aber Fernand kam nicht, und Sos lange war, als ob die Sonne wieder neuen Glanz bekommen hätte. Schnell verließ sie das obsture Lokal, in dem sie wahrlich nicht vor allerhand unangenehmen Bemerkungen ver schont geblieben war.
In einem Auto gelangte sie nach Sause, wo sie Fernand bereits antras, eher als erwar tet. Wie war sie doch glücklich und beschäntt. Sie tüßte ihn außergewöhnlich zärtlich und beklagte lebhaft, wie müde und überanstrengt er aus
fäbe.
Was fehlt dir denn, mein Liebster, hast du Aerger gehabt?"
Aches war nur ein langer, ungemüt
,, Wirst du gleich sehen. Ich bin natürlich zu faut, morgens ins Badezimmer zu gehen, und licher Tag, mit Bersammlungen und geschäftjein Bad muß man doch täglich haben also, lichen Schwierigkeiten," fogte er ausweichend. hier strahlte der Hausherr,„ habe ich das Badejimmer gleich neben das Schlafzimmer bauen kaffen. Ich drücke auf den Knopf, die Wand geht auf und die Badewanne kommt auf Schienen, verstehst du, bis vor mein Bett gefahren. Ist das nicht großartig?"
Der Freund gab zu, daß das entschieden großartig wäre, und er ähnliches beſtimmt noch nie gesehen.
,, Schenial, wie?"
Jawohl, Kalle, schenial"
„ Du glaubst es wohl nicht, wie?" „ Bei deinen Millionen
„ Ich will es dir aber doch gleich vormachen. Stehst du, und nun
Die Wand klappte richtig zurüd, die Wanne fant hervorgeglitten, richtig auf Schienen und gefüllt mit Waffer, doch in ihr fag- dent Haus Frau Petterson, herrn erstarben die Worte die dies nicht vorgesehen.
25. 6.
Er konnte ihr doch unmöglich erklären, daß feine schlechte Laune auf einen furzen Brief zurückzuführen war, in dem feine kleine Freun Sin ihm geschrieben hatte, daß sie heute leider zwischen 5 und 7 Uhr nicht zu Hause sein könne, weil sie eine franke Verwandre besuchen müſſe.
Solange fragie nichts mehr. Sie war viek zu glüdlich. Nie mehr im Leben würde sie auch nur das geringste auf anonyme Briefe geben. F. B.
Blinder Alarm.
Jm Jahre 1803 gab es in London ein Stück, das einen unerhörten Erfolg hatte. Es hieß„ Die Karawane oder Der Schäfer und sein Bund" und war von Reynolds verfaßt. Das Stück verdankte seinen Erfolg vielleicht weniger b) Anonyme Briefe. jeinen literarischen Qualitäten als der ein schmeichelnden Musik, die dem Text beigegeben Solange stand fie felbſtgefällig vorm war. Deneben war eine der Hauptattraktionen Spiegel, bereit um auszugehen, als das Maddes Stückes... ein dressierter Hund namens then ihr einen Brief brachte, dessen Schriftzüge ihr unbekannt waren.
Carlo.
Eines Abends flopsie der gefeierte Schaus Die Buchstaben tanzten vor ihren Augent, spieler Charles Dignum, der den Schäfer, die während sie das anonyme Schreiben las, das Hauptrolle des Stüdes, spielte, bei dem Direk sie mit Kummer and Zorn erfüllte. Nur die order übrigens Sheridan war- und sagts Anwesenheit des Mädchens veranlaßte sie zur mit niedergeschlagenem Gesicht:„ Sa, es ist tief Selbstbeherrschung. Sie bat jie, sich zu enifer- bedauerlich, wenn ein solcher Erfolg unterbro nen und gab vorläufig ihren Spaziergang auf. chen werden muß, aber gegen Krankheit find wir ja alle machtios."
Ats fie allein war, durchslog jie noch ein mal den Brief, der ihr schonungslos und in knappen Worten mitteilte, daß ihr Mann, ihr Fernand, mit dem sie sieben glückliche Jahre zufammengelebt hatte, täglich zwischen fünf und sieben ühr eine junge Dame besuche, deren Adresse sogar ganz genau angegeben wurde.
Niemals hatte sie ihren Manne mißtraut. Er war ihr Abgott, ihr persönlicher Besiv.
Beinlich berührt, ließ sie den Brief fallen.
Sheridan sprang auf, in höchster Erregung. „ Was jagen Sie, Mensch?"
Ja," erwiderte Dignum betrübt,„ ich bin so frant, daß ich mich faum noch auf den Beinen hatten fann!"
„ Ach, Sie sind fraai," jagte der Direktor erleichtert.„ Ich habe ji einen so meßlosen Schreck bekommen. Ich habe, weiß Gott , ge dacht, der Hund wäre krant geworden."