Feierabe

Nr. 46

Unterhaltungsbeilage.

Feieraben

1929.

Die Revolte im Zuchthaus.

Von Hardy Worm  .

Das Zuchthaus lag auf einer Anhöhe, Am Nachmittag wurden die Gefange- fchen tanzten. Ach, wie lange hatten sie fein unweit des Bahnhofes. Die Reisenden, die nen in den Hof geführt. Es war jeden Tag Mädchen in den Armen gehalten. Waren vorüberfuhren, blidten teilnahmslos auf dasselbe trostlose Bild: In der Mitte die nicht auch sie einmal jung? Hatten eine das graue, vieredige Gebäude, das einer Aufsicher mit den Schußwaffen. Um sie Mutter, die sich um sie sorgte? Da lag man­drohenden Festung glich. Ab und zu deutete herum die Zuchthäusler in den gestreiften cher Gefangene tränenüberströmt. Da biß wohl einer der Fahrgäste auf die Anstalt titteln. Sie hielten die tahlgeschorenen mancher Zuchthäusler in die Decke. Viele und murmelte: Die sind gut aufgehoben." Stöpfe geneigt. Erotteten wie die Tiere ein- aber fonnten nicht mehr weinen. Das glich dem Rülpfer eines Satten, der her. Der helle Schnee schmerzte ihre Augen. fichtlich interessiert zusah, wie sich zwei leber ihnen stand der Himmel in durch Hungrige um ein Stüdchen Brot balgten. fichtigem Blau. Die Sonne schien grell. An einem Wintertage, Schnee fiel vom Himmel, wurden drei männliche Versonen Als einer der Aufseher einen Zucht­in einen vor dem Bahnhofe haltenden Wahäusler anschrie, ging eine Welle des Un gen geladen. Sie zogen ihre abgetragenen Sommerpaletots fest an die Glieder und rüdten dicht aneinander, denn falter Wind fegte durch die Kalesche. Der Aufseher, das Gewehr zwischen den Knien, blätterte in den Aften. Zehn Jahre Zuchthaus wegen Totschlages." Fünf Jahre Zuchthaus   wegen versuchten Raubmordes." Drei Jahre Zuchthaus wegen Aufruhr."" Der Beamte murmelte die Zahlen gleichgültig vor sich hin. Dann stampfte er ungeduldig mit den Füßen auf.

Der Wagen hielt. Als der Kutscher   mit der Peitsche knallte, öffneten sich die schwe­ren eisernen Türen, und tuirschend fuhr die Kalesche durch den Torweg.

Die Gefangenen wurden in den Auf­nahmeraum geführt. Ihre froſtſtarren Züge löften sich. Dumpfige, aber warme Luft schlug ihnen entgegen. Ein langer Beam ter trat auf sie zu. Verlas ihre Namen. Als er den lleinen, podkennarbigen Gefangenen jab, Iniff er ein Auge zusammen. Na, auch wieder hier? Hast es draußen nicht lange ausgehalten." Der Kleine grinste. Ach, Herr Juspekta, de anständin Leite kommen alle widda furüd!" Der Beamte tat, als hätte er die Antwort überhört. Er ließ die Gefangenen abführen.

Als die zwölfte Stunde vorüber war, löfte sich im Flügel A ein Sträfling aus einer Nische. Er schlich an die Zellen, schob leise die Riegel zurück, öffnete die Schlösser. Die Gefangenen schnellten von den Lager­willens über den Hof. Flüche wurden zerstätten hoch. Blieben lauschend an den nur biffen, in den Schnee gejpien. Die Beamten angelehnten Türen stehen. Ihre Pulse flo schrien nach Ruhe. Aber die Gefangenen gen. Ihr Mund war iroden. Als der Auf­Feindliche feber wieder die Galerie betrat, flog eine verlangsamten ihren Gang. Blide flogen den Aufsehern ins Gesicht. Gestalt auf ihn zu, ein würgender Griff Blide, die stachen und beunruhigten, daß legte sich um seine Keble, langsam fiel er einige Uniformierte die Waffen hoben zusammen. Die Leiche des Wärters wurde und schußbereit hielten. Da ging ein Ge- in eine Zelle geworfen. Langsam, wie die lächter über den Hof. Ein verächtliches Ge- Kazen, schlichen die Sträflinge den Gang lächter, das die Mauern emporkletterte, entlang. Zangjam... langſam... hin­durch die Gitterstäbe froch und die anderen legen Gefangenen an die Fenster rief. Die Frei­ſtunde wurde vorzeitig abgebrochen, der Vorfall dem Anstaltsdirektor gemeldet. Der fuhr sich nervös über die Glaze. Da ist etwas nicht in Ordnung. Tja, da" müssen Se genau aufpassen. Die Rädelsführer aus suchen. Tja." Die Leute beklagen sich seit einigen Tagen über das Essen, Herr Di reftor!

Ach was, das Effen ist vorzüglich. Wir lönnen doch den Sterls feinen Gänse braten vorsezen, hähä. Dann gingen i überhaupt nicht mehr raus, Tja, was ich noch sagen wollte sorgen Sie doch dafür, daß morgen alle zum Stirchgang antreten. Da muß den Sterls' n bißchen ins Gewissen geredet werden."

Jawohl, Herr Direttor!"

Um die Mittagsstunde schlug die Glocke Am Abend wurden die Gefangenen aus auf dem Gang. Die Aufseher rasselten mit den Schlüsseln. Der Kalfaftor schleppte mit ihren Arbeitsräumen in die Zellen geführt. einem anderen Gefangenen den Eßtübel Sie schlangen gierig ihre Suppen herunter. herbei. Der Aufseher öffnete die in den Zellentüren befindlichen Slappen, ein Arm mit einem Napf, in den die dünne Suppe geschüttet wurde, fam zum Vorschein. Sie gingen weiter. Von Zelle zu Zelle. Manch mal ein Fluch, der durch den Knall der uschlagenden Mappe erwürgt wurde.

ist schon vorbei. du nimmst den Ober... du Telephon still", und dann flogen sie vorwärts, würgten den Oberauffeber, der auf der Brücke des Mit­telganges saß, drangen in die Wachstube ein, schlugen die schlafenden Beamten nie­der, zerschnitten jämtliche Telephonleitungen und bemächtigten sich der Schlüffel und Waffen.

In allen Flügeln des Zuchthauses brach der Aufruhr aus. Einige noch im Gebäude befindliche Aufseher wurden zer­treten. Einigen gelang es, zu entfliehen. Ueber die Treppen rasten die Befreiten. Alle schrien wild durcheinander. Die Klei­derkammer wurde erbrochen. Einige rann­ten in die Küche und stürzten si auf die Vorräte. Sie schlugen aufeinander ein. Es war, als stände das Zuchthan in Flam

ment.

Als die ersten Sträflinge vor den Toren des Zuchthauses standen, blieben sie einen Augenblid verwirrt stehen. Dich fiel der Als sie auf den Matrazen lagen, bohrten Schnee. Sie ſtanden im Taume! der Flocken fich ibre Blide durch die Mauern des Zucht- und wußten nicht, wohin sie sie. wenden hauses. Sie sahen schneebededte Felder. sollten. Viele rannten in die nahe gelegene Rote und grüne Lichter auf der Bahnstrede. Waldung. Gestrüpp legte sich um ihre Sie blidten in durchwärmte Wohnräume, Füße. Sie schlugen hin, rafften sich auf und wo Menschen friedlich nebeneinanderfaßen. rannten weiter. Sie sahen Ballfäle, in denen junge Mäd­

Gegen Morgen traf ein Militärkom