Einzelpreis 10 Pfg Jahrgang 2 -

Dienstag, den 27. Mai 1919

Nummer 253 Morgen- Ausgabi

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Freiheit

Berliner Organ

der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands

Todesurteile beim Grenzschuß!

Ein drafonisches Urteil.

( Eigene Drahtnachricht der Freiheit".) Danzig , 26. Mai.

Die Mannschaften des Infanterieregiments 175 in Gaerst follten sich verpflichten, noch ein Jahr weiter zu dienen. Sie for­berten ihre Entlassung und verweigerten, als ihnen diese nicht ge­

währt wurde, den Dienst. Daraufhin wurden sie verhaftet. Nur

wer sich verpflichtete, vier Monate zum Grenzschutz zu geben, wurde freigelaffen. Das Kriegsgericht in Kanis hat am 9. Mai 8 Mann, bie feft blieben und auf ihrer Entlassung beharrien, zum Tode verurteilt. Das Urteil liegt dem Reichswehrminister Noske zur Veftätigung vor.

Gegen dieses ungeheuerliche Urteil muß die gesamte Mrbeiterschaft auf das schärfste protestieren. Die Militär­gewaltigen haben fein Recht, Soldaten zum Grenzschutz zu zwingen, da die Dienst pflicht aufgehoben ist. Die Forderung aber, die an die Mannschaften des 175. In­fanterieregiments gestellt wurde. bedeutet die Wieder einführung der Dienstpflicht, und das Urteil felbft zeugt da Bin, daß der Militarismus sich wieder so fest fühlt, wie in seinen schlimmsten Zeiten. Wir verlangen von der Ne­gierung Aufklärung über diesen unglaublichen Vorfall. Herr Roske muß vor aller Oeffentlichkeit Nede und Antwort tehen.

Die Erschiehung Dorenbachs.

In der Presse wurde behauptet, der frühere Führer der Bolksmarinedivision Doren ch sei von dem Kriminal­wachtmeister Kirschbaum erschossen worden. Das ist eine unwahrheit. Dorenbach ist vielmehr von dem Kriminal. wachtmeister Ernst Tamschickt erschossen worden, demselben Manne, der auch den Kommunisten Leo Jogisches er­schossen hat.

Die Schuldfrage.

Die Note des Grafen Brockdorff- Rantan über

also den Leitern des neuen Krieges im Osten ebenso ge­legen, wie die bestellte Arbeit der Vibauer Strohmänner­rgierung. An ein zufällige 3. Rujammentreffen dieser beiden Noten werden wohl nur sehr naive Gemüter glauben. Anaefichts des jüngsten Borstoßes der deutschen Truppen die Verantwortlichkeit spricht trop manchem Richtigen in gegen Niaa ist die Vermutung nicht van der Hand zu weisen, den Ginzelheiten im Ganzen nicht eine Sprache, die aud daß die auf neue Abenteuer im Often ausgebenden Militär- den Gegner überzeugen fönnte, und bleibt in Halbheiten freise mit allen Mitteln darauf hingearbeitet haben, dak und Zwiespältigkeiten stecken. die Zurücknahme der deutschen Truppen aus Lettland von der Entente untersagt werde. Sie brauchen dieses Berbot, um die Pläne der baltischen und reichsdeutschen Sonterrevolutionäre durchießen zu können, für die die deutschen Arbeiter und Bauern nach wie vor das Kanonen­futter liefern müssen.

Der neue Krieg in Lettland .

Libau , 20. Mai.

Folgender Schlachtbericht wird ausgegeben: Die militärische Lage ist im allgemeinen unverändert. Die Bolichewisten haben die Eisenbahnbrüde avischen Jägel ub Stintsee nordöstlich Riga gesprengt. An der Seenenge wird ebenso wie um den Bes fizz von Dünamünde noch gekämpft. Bei dem Vormarsch der Landeswehr blieben die Verluste erträglich. Geschütze und Laftkraftwagen wurden in größerer Zahl erbeutet, ebenso Heeresproviant und Nahrungsmittel, die für eine viertägige Versorgung der Bevölkerung ausreichen. Amerikanisches Mehl ist auf dem Wege von Mitau nach Niga, ebenso werden der dänische und der schwedische Konful in den nächsten Tagen Lebensmittel bon Libau nad Riga schicken. Bor ihrem Rüdauge haben die Bolschewisten in Riga etwa 20 politische Ge­fangene getötet und 50 verfchleppt. 1600 Gefangene, meist Balten, wurden befreit. Aus vielen Wohnungen find Möbel entfernt und nach der Ukraine als Austausch gegen Lebensmittl geschiedt worden. Biele bolscheristische Komunisjare wurden verhaftet, während Stutschta und Danischewisty entflohen sind.

@todholm, 26. Mai.

Zamschick ist zur Zeit bei der fliegenden Seraftfahrer­abteilung Reifel als Bizefeldwebel eingestellt. Diese Bei Jsborst westlich Pleskau durchbrachen die Esten Abteilung ist dem Regiment Reinhard in Moabit an- die bolshewistischen Linien und machten 1000 Ge­gegliedert. hr liegt die Verfolgung und Ausfundschaftung fangene, darunter ein ganzes Scharfschüßenregiment estnischer politisch verdächtiger" Personen ob. Tamschick wurde für Kommunisten. Die estnischen Truppen stehen jeht 10 erit feine Tat von Generalleutnant Hofmann persönlich bon lestau belobt.

Berlin , 26. Mat.

Das freie" Bersammlungsrecht. Offisiös wird mitgeteilt: Um fünftighin Auflösungen von Bersammlungen zu vermeiden, wird nochmals daran erinnert, daß bis auf weiteres alle öffentlichen Versammlungen rechtzeitig, das heißt mindestens 48 Stunden vorher, beim zuständigen Bolizeipräsidium angemeldet werden müffen. Wir fordern demgegenüber erneut die Aufhebung des Belagerungszustandes und völlige Wiederherstellung der Versammlungs- und Breßfrei­heit. Dann sind all diese schikanösen und der Willtür Tür und Tor öffnende Vorschriften überflüssig.

Das deutsche Kanonenfutter.

Das ist allerdings nicht nur die Schuld der Friedens­delegation, sondern vor allem der Regierung, die bis beute noch nicht den Mut zur Wahrheit gefunden hat und nicht versteht, daß nur rücksichtslose Offenheit dem deutschen Bolfe allmählig jenes Vertrauen zurückerobern kann, das ihm die hinterhältige Täuschungspolitik seiner Machthaber geraubt hat.

Für uns ist die Schuldfrage vor allem eine inner­politische Frage. Wir forderten immer wieder die Fest stellung der Schuldigen am Ausbruch des Weltfrieges, um dem deutschen Volke zu zeigen, wer es in den Abgrund geführt, wem es die Statastrophe mit all ihren scheren Folgen zu verdanken hat.

In diesem Sinne baben unsere Vertreter in der Ne­gierung auf die restlose Veröffentlichung aller Aften st i de gebrängt, in diesem Sinne hat Sturt Ei 3- ner jene Dokumente veröffentlicht, die an sich schon die schwere Schuld der alten Machthaber unwiderlegbar be wiesen.

Die rechtssozialistischen Führer stimmten ursprünglich widerwillig zu. Sa utsky wurde mit der Veröffentlichung beauftragt. Nachdem aber unsere Genossen ausgeschieden waren, nachdem der Bund mit den bürgerlichen Kriegs­parteien wieder fest geschlossen war, wudyjen die Widerstände gegen jede offene und rücksichtslose Aufdeckung der Schuld frage. Die Veröffentlichung, die seit vielen Wochen druck­fertig ist, wurde immer wieder hinausgeschoben; Kautsty selbst soll ausgeschaltet werden und statt dessen werden immer wieder allerhand Vorwände und Ausflüchte gemacht.

Dazu gehört vor allen Dingen die Idee, die ganze Untersuchung über die Schuldfrage einem internationalen Gerichtshof zu überweisen, dem die Entente ihrerseits ihre Aften vorlegen soll, ein Plan, der nur ausgeheckt wurbe, weil seine Urheber sehr genau wußten, daß die siegreichen Machthaber darauf nicht eingehen würden. So erhielt man denn die erwünschte Gelegenheit, zu erklären, daß man

Eine Erklärung Kalowstis über Offgalizien. selbst nichts zu tumm brauchte; die Dokumente bleiben ver­Einer Moskauer Radiomeldung zufolge hat Rakowski borgen und man operiert wieder mit der Behauptung, auf der Sizung des Ukrainischen Zentral- Komitees über die Deutschland seit überfallen, es treffe seine damaligen Macht­Beziehungen der Sowjetregierung zu Ostgalizien folgendes haber nicht die Schuld oder wenigstens nicht die alleinige erklärt: Um feinen Anlaß au geben, die Sowjetmacht er- Schuld. oberungsfüchtiger Tendenzen zu beschuldigen, werden unsere Die Wahrheit ist, daß die deutsche Regierung, die roten Truppen erst nach der Willenskundgebung des Bürgerlichen und Rechtssozialisten, durch die Nichtveröffent. arbeitenden Boltes die oftgalizischen Grenzen überschreiten." lichung der Dokumente dem deutschen Volk bis heute das Das Ukrainische Zentral- Komitee beschloß darauf, mit der einzige Mittel verweigert, um sich selbst ein Urteil au Westukrainischen Regierung bezüglich Festlegung einer De- bilden, daß fie damit die Politik der damaligen Machthaber noch immer zu decken sucht und so ihre wichtigste Aufgabe, markationslinie in Fühlung zu treten. den radikalen Bruch mit der Vergangenheit, auch auf diesem Gebiete nicht erfüllt hat. Dadurch hat sie die nationalistische und reaktionäre Agitation selbst gestärkt, die die schwere Schulb der damals Regierenden und ihre eigene Mitschuld hartnädig leugnet.

Wien, 25. Mai. Krakauer Zeitungen melden aus Warschau, daß die Gesandten Ameritas und Englands beim Ministerpräsidenten Baderewsti gegen die polnische Offensive in Ostgalizien Protest eingelegt haben.

Bebingte Anerkennung Kolffats.

Baris, 26. Mai( Meuter).

Amtlich wird gemeldet: In einer Note vom 8. Mai Hatte Reichsminister Erzberger der Entente angefündigt, die deutsche Regierung werde ihre gesamten Streitkräfte aus Lettland und Litauen zurückziehen. Hierzu teilte General Nudant am 25. Mai mit, die alliierten und assoziierten Regierungen hätten am 24. Mai beschlossen, Deutschland habe alle Streitkräfte in Settland und Litauen auf- tschats und Denitins anzuertennen, wenn die Lei rechtauerhalten. Die dorthin entsandten Vertreter der ter dieser Regierungen fich bereit erklären, sich, was die Zukunft Alliierten würden, den örtlichen Militärorganisationen ent- Rußlands betrifft, dem Einspruch einer gefeggebenden sprechend, den Räumungstermin bestimmen. Versammlung zu fügen.

In den Bezirken Augustowo, Suwalti und Grodno und in

Dadurch hat sie aber auch daß Mißtrauen des Wuslandes immer wieder genährt, daß das deutsche Volk selbst heute noch die Politit, die damals getrieben wirde, decken und ihre Urheber nicht dem Schuldspruch Der Biererrat hat beschlossen, die Regierungen Rolpreisgeben will. Sie hat sich so selbst der Demütigung ausgesezt, daß sie jetzt ein Schuldbetenntnis auf Geheiß der Sieger aussprechen soll, während sie längst in voller Freiheit aus eigenem Antrieb alles hätte daran fezen müssen, die Schuldfrage zu klären, nicht des Auslands halber, sondern im politischen Interesse der deutschen Revolution. Für uns selbst ist die Schuldfrage nicht zweifelhaft.

dem füdlich der Naryda gelegenen Teil des Bezirkes Scily babe Die Rückführung der amerikanischen Truppen. wir wissen, daß der serieg fich an den Gegensägen ent­

die Zurückziehung der deutschen Truppen sofort zu be­ginnen. General Henrys, der Chef der französischen Militär­

Amsterdam, 26. Mai.

miffion in Warschau, jei beauftragt, die Entscheidung der Drahtlos wird aus Washington gemeldet: Der Chef des polnischen Regierung mitzuteilen und die 8urüdziehung Generalstabes March teilt mit, daß die letten in grant der deutschen Truppen in den genannten Bezirken au überreich weilenden amerikanischen Soldaten mit wachen. Ausnahme der regulären Divifion gegen den 12. Juni nach Es ist von Intereffe festzustellen, daß noch vor Ein- Amerifa eingeschifft werden würden, wenn das jetzige Echema gang der obigen Note Nudants die lettländische Schein­regierung Needra- b. Brümmer das Eriudhen an Deutsch land acrichtet batte, die reichsdeutichen Truppen noch einige 3eit in Lettland au belassen". Die Note Nudants fommt

durchgeführt werde. Nach dem gegenwärtigen Schema werden vor Ende Mai 10 000 Mann mehr, als ursprünglich beab fichtigt war, und im Juni 200 000 Mann in den Ber­einigten Staaten eintreffen.

zündet hat, die der Kapitalism u 3 geschaffen bat, an den imperialistischen Gegensätzen des entvideiten Kapitalis­mus im Westen, on den nationalen Gegenfäßen des Oftens, die der fich entfaltenbe Sapitalismus erzeugt und die die österreichische Hausmachtpolitik vergiftet bat.

Wir wissen aber auch, daß diefe Gegensäge zum friege­rischen Austrag vor allem getrieben wurden durch den aggressiven Charakter des deutschen Im­perialismus, durch die Gewaltpolitik des deutichen Militarismus. der allen Rationen has attriften

rich

-Sti