Frauenstimme
Nr.19-47.3ahrgang
Beilage zum Vorwärts
Genoffinnenaustausch
25.September 1930
zwischen Stadt und Land
Die Redaktion veröffentlicht diesen Vorschlag, innerhalb der Partel zwischen Großstadt und Land einen bejuchsweisen Austausch zu organisieren und lädt ble Ceferinnen zu Aeußerungen Ihrer Meinung hierüber ein.
Ohne die klassenbewußte, d. h. durch die Partei gut geschuite Frau, gibt es feinen Aufstieg zum Sozialismus! Aus diesem Grundgedanken heraus machte ich auf dem Bezirksfrauentag am 18. Mai den Vorschlag, den Austausch von Genossinnen zwischen Stadt und Land zu organisieren. Ich glaube annehmen zu dürfen, daß von den bort anwesenden Genoffinnen sich noch einige dieser Idee erinnern, der sie Beifall gezollt haben, und über die sie nachher mit mir persönlich noch gesprochen haben. Ich sagte bort ungefähr folgendes: Neben den vielen guten Anregungen, die hier gegeben wurden, um zwischen den verschiedenen Ländern eine inter. nationale Zusammenarbeit aller unserer Frauen zu erreichen, möchte ich auf etwas hinweisen, das bisher noch nicht zur Sprache gekommen ist. Wir haben in großen Teilen Deutschlands , ich denke dabei an den mir besonders bekannten Harz und seine kleinen Städte, Genossinnen, die unter schwierigsten Verhältnissen leben. Diese kleinen Städte, 3. B. Quedlinburg , Klausthal , Oter usw., Diese kleinen Städte, z. B. Quedlinburg, Klausthal , Oker usw., werden geistig von Stahlhelmern und Nationalsozialisten beherrscht. Um unsere Partet hier zu stärken, wäre eine hervorragende Schulung unserer Genossen von größter Bedeutung. Die Möglich tetten für eine Weiterbildung sind aber gerade hier start be. schränkt; ba gute Referate und Kurse zur Weiterbildung nicht chräntt; ba gute Referate und Kurse zur Weiterbildung nicht genügend geboten werden können. Schlechte Bahnver. Sindungen, die viel Zeit erfordern, bringen es mit sich, daß Referate auswärtiger Genossen aus Landtag und Reichstag usw. häufig ausfallen müssen, weil eine längere dauernde Sigung das Erreichen des in Aussicht genommenen Zuges unmöglich machen. Das Referat muß telegraphisch abgesagt werden, weil es teine Möglichkeiten für den Referenten gibt, den Ort noch zu erreichen. Ich wurde durch unsere Genossinnen in Quedlinburg , dessen Berhältnisse ich sehr genau lenne, für diese immer wiederkehrende Schwierigkeit, die ihnen die Bildungsmöglichkelt beschneide, interefftert, und tam auf die Idee, durch einen
Austausch zwischen kleinen Provinzstädten und Berlin günstigeré Verhältnisse
zu schaffen. Diesen Austausch denke ich mir folgendermaßen: Einige, Im Verhältnis der Zahl der Genoffinnen in einem Ort ausgewählte Bertreterinnen kommen hier nach Berlin , um Kurse zu hören, die von unseren Referenten abgehalten werden; um Anregungen zu bekommen, die es ihnen ermöglichen, nach Haus zurückgekehrt, allein für sich und mit ben dortigen Genoffinnen weiter arbeiten zu tönnen. Die auswärtigen Genosfinnen würden
hier in Berlin bei Genoffinnen in verschiedenen Abteilungen foffenlos untergebracht
werben. Ich bin überzeugt, daß sich mehr als genug zur Verfügung tellen werden, denn bereits am 18. Mal meldete sich eine große
Anzahl, die mir ihre Adressen zur Verfügung stellen wollte zur tostenlosen Aufnahme auswärtiger Genofsinnen. Ich bente mir, daß aus verschiedenen nahe zusammenliegenden Städten 20 bis 25 Genoffinnen gemeinschaftlich, und deshalb billiger nach Berlin reisen, um an einem fünf- bis achttägigen Kursus teilzunehmen, Referate zu hören und in Arbeitsgemeinschaften mitzuarbeiten. Neben den Kursen wären an freien Nachmittagen oder bazwischen liegenden ganz freien Tagen Besichtigungen unseres Konsums, unserer Sieblungen durchzuführen. Auch sollte es ermöglicht werden, daß die auswärtigen Genoffinnen an einer Reichstags- oder Landtagssigung teilnehmen. Besuche eines Museums, ein Ausflug in die Umgebung, bie Teilnahme an einer Boltsbühnenaufführung fönnen das Pro
gramm erweitern.
Die Genoffinnen aus Berlin , die auswärtige Genoffinnen aufgenommen haben, fönnten bann im Frühjahr oder Sommer einige Tage bei den auswärtigen Genoffinnen sich aufhalten. Sie werden sich gegenseitig fennen lernen und einen Eindruck be. tommen von der Berschiedenheit der Aufgaben und den Schwierigfeiten unserer Partei, je nachdem es sich um Großstadt oder kleinste Brovinzstädte oder Dörfer handelt. Dieses Kennenlernen und Einanderverstehenlernen wird unserer Partei großen Nutzen bringen. Viele gelegentliche Meinungsverschiebenhetten in ber Partei werden wegfallen, wenn die Verschiebenheiten der und Land auf diese Art bewußt gemacht werden. Lebensbedingungen für das Wachsen der Partet in Stadt
in den kleinen Provinzstädten stehen, wäre Unterſtügung im Namentlich für den schweren Kampf, in dem unsere Genoffinnen in den kleinen Provinzstädten stehen, wäre Unterstützung im geistigen Sinne vonnöten. Die vielen intelligenten Frauen, die zwischen ihnen sind, brauchen Förderung, damit sie sich weiter. bilben tönnen. Sie müssen so geschult werden, daß sie nicht mur felbst Verständnis für die politischen Ereignisse haben und über foziale und wirtschaftliche Tagesfragen fich innerlich klar sind, sie müssen das, was sie denken,
auch ausdrüden tönnen.
Da sie aber nicht bie nötige Schulung haben, versagen sie bann leider noch häufig. Erst wenn sie das können, werden sie sich auch In Unterhaltungen und Disputen mit unseren Gegnern durchsetzen. Erst dann werden sie die nötige Sicherheit haben, um die Phrasen der Nazi und Konforten zu entlarven. Damit wird ihrer Werbetätigkeit für unsere Partei noch größere Kraft und Ueberzeugungsmöglichkeit gegeben und ihre Arbeitsfreudigkeit gestärkt!
Ich lasse den Einwand nicht gelten, daß diese paar Tage doch feinen großen Nugen haben könnten! Es wird auf jeden Fall vermittelt:„ Besseres Verständnis zwischen Großstadt und Provingt Und das dürfte nicht der geringste Vorteil des Austausches seint
Dieser Austausch wird das Klassenbewußtsein unserer Frauen heben und erweitern, und dieses Klassenbewußtsein wird ihnen helfen, neue Rämpfer für unsere Partei und damit für den Susi Bork. Sozialismus zu gewinnen.