Für unsere Mütter und Hausfrauen

Nr. 15

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Beilage zur Gleichheit

Inhaltsverzeichnis: Wir heißen euch hoffen! Gedicht von Goethe.

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Für

Babys Wünsche. II. Von Schwester Lydia Ruehland. die Hausfrau. Notizen.- Feuilleton: Lucy Stone.  ( Forts.)

Wir heißen euch hoffen!

Die Zukunft decket

Schmerzen und Glück

Schrittweis dem Blick.

Doch ungeschreckt dringen wir vorwärts. Und schwer und fern

Hängt eine Hülle.

In Ehrfurcht still ruhn oben die Sterne

Und unten die Gräber...

Es rufen von droben die Stimmen der Geister,

Die Stimmen der Meister:

,, Versäumt nicht zu üben

Die Kräfte des Guten!

Dort flechten sich Kronen in ewiger Stille, Die sollen mit Fülle die Tätigen lohnen! Wir heißen euch hoffen!"

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Babys Wünsche.

Bon Schwester Lydia Ruebland. II.

Goethe.

Schon wieder Wünsche, denkst du, vielgeplagte Mutter, und zichst die Stirne in Falten- sei beruhigt. Was Baby heute wünscht, foftet nicht nur nichts, sondern die Erfüllung seiner Wünsche er­spart dir noch unnüße Ausgaben.

Die Sonne lockt so warm, besonders in den Mittagstunden, die Kinder treiben ihre Kreisel und freuen sich des munteren Spieles. Allerdings begreifen auch die größeren Kinder den hohen gesund­heitlichen Wert der Sonnenstrahlen noch nicht in wünschenswerter Weise, immer und wieder muß man sie ermahnen:" Spiele nicht im Schatten, sondern gehe in die Sonne  "." Ja, aber da schwitze ich so", antworten sie mit unwilliger Miene. Und sie haben recht. Darum müssen sie immer den Hals frei tragen. Unter dem Hals­tuch kommt das spielende Kind leicht zum Schwißen. Streicht dann die kalte Luft zwischen Tuch und Hals hindurch, so wird der Tem­peraturunterschied zwischen der äußeren Haut und dem Innern der Mundhöhle und damit auch der Halsschleimhaut zu groß, eine Erkältung ist fast unausbleiblich. Darum fort mit den Halstüchern. Nur Abhärtung schützt gegen Erkältung. Das gilt natürlich auch schon für Baby. Es wünscht sich keine breiten Bindebänder an seinem Häubchen. Die sind ihm nur im Wege, oft direkt lästig, es zupft und zieht daran, aber der stumme Appell dringt nicht zu Mut­ters Ohren und Augen. Im Gegenteil: Mutter ist von ihrer Auto­rität so stark überzeugt, daß sie scheltend und wohl gar mit leichtem Klaps auf Babys niedliche Wurstfingerchen immer aufs neue die Riefenbandschleife knüpft. Liebe Mutter, nimm eine schmale Baum­wollizze nicht leinenes Band, damit schließe das Häubchen, es ist viel billiger und bei weitem zweckmäßiger. Kümmere dich nicht um Nachbars   Märchen, der unter seiner Vivatschleife stöhnt und darum verdrießlich dreinblickt, oder um Nachbars Gretel, die ihre schöne Bandschluppe als Lutschbeutel ansieht und verwendet. Mit der Schleifenmode hat es sowieso seine Schwierigkeit, denn Baby hat ja noch keinen Hals. Das Köpfchen sitzt ihm direkt auf den Schultern, also genügt ein Bändchen vollauf. Und das Häls­chen härtet sich allmählich ab.

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Und das andere, entgegengesetzte Ende des fleinen Menschleins, die Füße und die Beinchen? Was mußte ich da kürzlich in einer sie steck­Beratungsstunde erleben! Alle kleinen Wickelbabys ten noch sämtlich im Windelbündel-- trugen schon Strümpfe!! Bei den teuren Zeiten! Und, weil sie vernünftigerweise sich da= gegen wehrten und die unbequemen, meist verfilzten Dinger von den Füßen strampelten, hatten alle Mütter Strumpfbänder, richtig gehende Gummistrumpfbänder unterm Knie befestigt!! Und wie befestigt! Babys Blutkreislauf ist noch gar leise, darum darf kein Glied des Körperchens eingeengt werden. Ich erlebte einmal in

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1916

einer Mutterberatungsstunde, wie ein Baby, wenige Minuten vor­her noch frisch und rosig, uns fast sterbend auf den Untersuchungs­tisch gelegt wurde. Zunächst war ich ratlos, aber nur für den Augenblick eines kurzen Gedankens. Dann erkannte ich die Not des fleinen hilflosen Wesens: die Mutter hatte ihm beim Wieder­ankleiden die Schnur vom Hemdchen so fest zugezogen, daß es dem Ersticken nahe war. Zwölf Kinder nannte die Mutter ihr eigen, das so leichtsinnig gefährdete war ein Pflegekind ihr war das Ganze ein Rätsel, und mir lag der Schreck tagelang in allen Gliedern. Die Halseinschnürung machte sich sofort bemerkbar die Beinchen antworten so schnell wohl kaum. Darum muß die Mutter denken bei allem, was mit dem so unendlich hilflosen Baby zusammenhängt. Strumpfbänder bekämpfen wir in gleicher Weise bei Erwachsenen wie auch bei Kindern, sie führen zu Stau­ungen und legen häufig den Grund zu unheilbaren Erkrankungen der Blutadern, die eine große Zahl von Müttern nur zu gut ten­nen unter dem Namen Krampfadern.

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Das eingewidelte Baby braucht noch keine Strümpfe, und in borgeschrittenerem Alter genügt ein Wollschnürchen von Luft­maschen gehäkelt, um die Strümpfe vor dem Rutschen zu bewahren, später werden sie am Leibchen befestigt. Die Industrie fabriziert natürlich Babystrümpfchen was fabriziert sie nicht! Deshalb braucht die denkende Mutter noch lange keine zu kaufen. Ein Baby ist weder Puppe noch Kleiderstock, all die unnüßen Dinge haben Zeit, bis Baby aus den Windeln" gewachsen ist. Leider wird noch biel, ja allzuviel des Guten am Anzug Babys getan! Der Aber­glaube, daß Luft, Licht und Wasser dem kleinen Säugling schadet, unterstützt die Unfitte einer dicken Vermummung. Wir Menschen, groß und klein, atmen doch nicht nur durch die Lungen, auch unsere Haut mit ihren unzähligen Poren hilft uns den wichtigen Sauer­stoff aufnehmen Werden die Poren künstlich verstopft durch un­zweckmäßige dichte Kleidung, so entsteht Sauerstoffhunger, der Mensch wird frank.

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Das widerstandslose Baby erst recht. Armes Baby! Jedes junge Tier ist besser daran als du, wenn deine Mutter sich dem Denken und der Überlegung verschließt. Das junge Füllen springt frei auf der Weide umher, die kleinen Rüden tummeln sich, kaum dem Ei entschlüpft, im warmen Sonnenschein nur Baby wird fest verbündelt und verpackt unter warme Federbetten in die heiße Küche möglichst nahe dem Herd verstaut. In diesem furchtbaren Kriege fallen Mauern und Bollwerke, die als uneinnehmbar galten so ist die tröstliche Hoffnung vorhanden, daß in ab­sehbarer Zeit auch die Festungsmauer stürzt, der Wall von Aber­glauben und Gedankenlosigkeit, der die Kinderstube umgibt. Nun hätte Baby gern noch einige Wünsche geäußert, bescheiden, wie es sich geziemt für kleine Menschen, aber doch mit ziemlicher Dringlichkeit. Da ist nämlich seine Mittelpartie, an der, wahr­scheinlich ihrer Unsichtbarkeit wegen, noch unerhört gesündigt wird. Hat da nämlich eine findige Industrie ein Mittel entdeckt, das der geruchsempfindlichen Außenwelt jeden Geruch fernhält, wenn Baby ein Bedürfnis verrichtet hat. Das tut Baby natürlich öfter am Tage, ohne eine Ahnung davon zu haben, denn es hat ja seine Schließmuskulatur noch nicht in der Gewalt. Darum ist dem Sechsmonatkind erlaubt, was beim Sechsjahrkind eine Ungehörig­feit sein würde. Ist aber das Malheur geschehen, so wünscht Baby doch baldige Entfernung der Verdauungsprodukte und Erlösung aus seiner Ungemütlichkeit. Ja, da hat Baby gut wünschen, die liebevolle Industrie schuf ja das Leder, das Gummituch und die wasserdichte" Windelhose--- diese häßlichen Dinge riechen auch ohne Malheur", die Nase gewöhnt sich an den üblen Geruch und nimmt Schlimmeres kaum noch wahr. Und Mutter schont" auf diese Art die Wäsche. Sie selbst würde sich wehren und be­danken, wenn sie in den Tagen ihrer Hilflosigkeit einfach in ein Gummituch gepact stundenlang in Babys Verfassung zubringen sollte, bloß um Wäsche zu schonen". Aber Baby? Ja, wer denkt darüber nach, wie es ihm zumute ist in seiner weichen und doch scharfen, fast beigenden Verpackung.

Und so bittet Baby inständigst: hat Mutter wenig Zeit, daß sie nicht immer nachschauen kann, wie es um Babys Mittelpunkt bc­stellt ist, so soll sie die Verpackung so lose wie nur möglich legen, damit Baby sich durch Strampeln von seiner Last befreien und der Umgebung durch, baldige übermittlung der unvermeidlichen Ge rüche das Geschehene künden kann.