Nr. 23
Für unsere Mütter und Hausfrauen
unterhalt davon zu decken. Es sei deshalb notwendig, daß im laufmännischen Beruf die Mädchen genau denselben Bildungsgang durchmachen, wie er für die jungen Männer üblich ist. Eine praktische Lehrzeit von mehreren Jahren müsse verbunden werden mit dem Besuch der Pflichtfortbildungsschule. In offenen Verfaufsstellen habe sich schon längst die Notwendigkeit einer Lehrzeit für die Verkäuferinnen herausgestellt. Jedoch sei auch diese noch sehr willkürlich und nicht so fest gefügt, wie die Lehrzeit der männlichen Jugend. Im Kontor sei der weibliche Lehrling eine ganz bereinzelte Erscheinung, und daraus entstünden die vor= liegenden großen Mikstände. Die Mädchen begnügten sich mit einer kurzfristigen Ausbildung, um für niedere Dienstleistungen im Kontor gleich gegen ein kleines Gehalt zu arbeiten, das später wenig oder gar nicht steigerungsfähig sei. Wenn das junge Mädchen mehr verdienen müsse, so werde eine neue billige Arbeitskraft eingestellt. Die so Entlassenen bilden das Heer der Stellenlosen im faufmännischen Beruf, ein Heer von lebenslang mit Not und Sorge ringenden Frauen. Für die Geschäftsinhaber bewirke dieser Stand der Dinge einen steten Personalwechsel. Er mache jedes engere persönliche Verhältnis der Angestellten zu dem Betrieb fraglich, woraus dem Geschäft ein Schaden erwachse, der leider nicht ziffernmäßig festzustellen sei. In diesem Stile geht der Artikel weiter.
Den Ansichten dieser Art muß auf Grund der Erfahrungen widersprochen werden. Heute drängt sich der Standpunkt auf, daß eine besondere längere praktische Lehrzeit für das weibliche kaufmännische Kontorpersonal nicht nötig ist. Jedenfalls würden durch sie die aufgeführten Mißstände nicht beseitigt, sondern ge= steigert werden. Für viele Betätigungen im Handelsgewerbe ge= nügen die durch gute Allgemeinbildung zu erwerbenden Fertigkeiten, das richtige Schreiben, Rechnen usw. Das übrige muß die Veranlagung und übung, die Routine, bringen. Gegen eine kurze Zeit des„ Einrichtens" wie bei den Verkäuferinnen, wäre vielleicht nichts einzuwenden, wenn eine bestimmte, mäßige Bezahlung stattfindet. Die mehrjährige Lehrzeit für weibliche faufmännische Angestellte würde in der Hauptsache bewirken, daß die Geschäftsinhaber noch billigere und auf längere Zeit gebundene Hilfsfräfte zur Verfügung haben. Die Neuerung würde die Löhne beziehungsweise Gehälter noch tiefer herabdrücken. Da es der „ Herzenswunsch" wohl der meisten Mädchen ist, bald zu heiraten, und dieser Wunsch sich in zahlreichen Fällen erfüllt, würden recht viele weibliche Lehrlinge kurz nach beendigter Lehre in die Ehe treten. Es wäre dann glücklich erreicht, daß die Mädchen in ihrer faufmännischen Laufbahn für den Geschäftsinhaber lange umsonst gearbeitet, ja vielleicht noch keinen Pfennig verdient hätten.
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Der oben auszugsweise wiedergegebene Artikel stellt manche Tatsachen auf den Kopf. Warum wird, so fragen wir, eine neue billige Arbeitskraft eingestellt, wenn das Mädchen gezwungen ist, mehr zu verdienen? Weil in dem Geschäft eine Menge untergeordneter Arbeiten zu verrichten sind, die nach der Meinung des Geschäftsinhabers und in Hinblick auf die Ersparnis", das heißt auf höheren Gewinn, von billigen Hilfskräften erledigt werden können. Wenn die mehrjährige Lehrzeit bestünde, so würden solche Arbeiten von den Lehrlingen ganz umsonst verrichtet werden. Es besteht fein Anlaß, für die weiblichen Angestellten eine mehrjährige Lehrzeit zu fordern, die sich für die männlichen Angestellten vielfach in F. Kl. wachfendem Maße bereits als unnötig erweist.
Meinungsgegensätze über die Entlohnung von Frauenarbeit. Aus Karlsruhe schreibt uns eine Genossin: In den Kriegsküchen der Stadt werden auch Frauen im Felde stehender Arbeiter verwendet. Sie sind mit der Zubereitung und Verabreichung der Speisen, wie mit dem Aufräumen der Küche jeden Tag 4 bis 5 Stunden beschäftigt. Es wird auf die Dauer mit Schwierigkeiten verknüpft sein, daß Frauen in proletarischen Existenzverhältnissen diese Arbeiten regelmäßig ohne Vergütung leisten. Deshalb ist man seitens der Stadt in Erwägungen eingetreten, ob und in welchem Betrage dem bedürftigen Personal eine Entlohnung für die fraglichen Verrichtungen gewährt werden sollte, die einschließlich der Hin und Herfahrt eine große Spanne des mittleren Tages beanspruchen. Darüber kam es bei der ersten Beratung unter den maßgebenden Personen des Stadtrats zu feiner Einigung. Wie die Genossinnen jetzt erfahren haben, bestanden Meinungsverschiedenheiten unter den beiden sozialdemokratischen Stadträten, die für die Angelegenheit in Betracht kommen. Genosse Bonning hatte, so heißt es, einen Stundenlohn von 50 Pf. und Freifahrt auf der städtischen Straßenbahn für das weibliche Küchenpersonal vorgeschlagen. Er stieß aber auf den Widerspruch seines stadträtlichen Kollegen, des Genossen Kolb. Dieser soll den vorgeschlagenen Lohnfaz für zu
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hoch befunden und es für nicht angezeigt gehalten haben, den Frauen vorzugreifen, die selbst bisher noch gar nichts verlangt hätten. Solche Ansicht habe bewirkt, daß auch die bürgerlichen Mitglieder in der Angelegenheit zurückhaltender geworden seien. Es muß Aufgabe der organisierten Genoffinnen sein, in der Sache mitzusprechen.
Feuilleton
In einer Stadt des Kaplandes leble einer der Unseren, ein schmächtiger kleiner Mann, dessen Stimme nicht weit reichte. Gines Sonntags hatte sich die Gemeinde, Männer und Frauen, versam= melt, und als er auf die Kanzel gestiegen war, um die Predigt zu halten, sagte er:" Statt zu euch zu sprechen, will ich euch eine Geschichte vorlesen." Dann öffnete er ein Buch, das mehr als zweitausend Jahre alt ist und las:„ Nach diesen Geschichten begab sich's, daß Naboth , ein Jesreeliter, einen Weinberg hatte zu Jesreel , bei dem Palast Ahabs, des Königs zu Samaria. Und Ahab redete mit Naboth und sprach: Gib mir deinen Weinberg, ich will mir einen Kohlgarten daraus machen, weil er so nahe an meinem Hause liegt. Ich will dir einen besseren Weinberg dafür geben, oder so dir's gefällt, will ich dir Silber dafür geben, soviel er gilt.
Aber Naboth sprach zu Ahab : Das laffe der Herr ferne von mir sein, daß ich dir meiner Väter Erbe sollte geben!
Da kam Ahab heim Unmuts und zornig um des Wortes willen, das Naboth , der Jesreeliter, zu ihm heute gefagt und gesprochen: Ich will dir meiner Väter Erbe nicht geben."
Der Prediger las die ganze Geschichte bis an ihr Ende, dann schloß er das Buch und sagte:" Meine Freunde, Naboth hat einen Weinberg in diesem Lande, und darin ist viel Gold, und Ahab trägt danach Verlangen, um sich dieses Reichtums zu bemächtigen." Dann legte der Pfarrer das alte Buch beiseite und nahm ein anderes, das erst von gestern war. Da flüsterten die Männer und Frauen miteinander, obwohl sie sich in der Kirche befanden:" Jit das nicht der Bericht des Blaubuchs von dem erwählten Ausschuß des Kap- Parlaments über den Einfall von Jameson?"
Der Geistliche fuhr fort:" Freunde, die erste Geschichte, die ich euch vorgelesen habe, ist eine der ältesten, die es gibt, und die, welche ich euch jetzt vorlesen will, ist von den allerneuesten. Doch eine Wahrheit ist darum nicht mehr wahr, weil sie dreitaufend Jahre alt ist, oder weniger wahr, weil sie erst von gestern ist. Wie sollte uns die Geschichte von Ahab , dem König von Samaria, zum Nutzen gereichen, wenn wir nichts wüßten von den Ahabs unserer Zeit und von den Naboths in unserem Lande, die gesteinigt werden, während wir ruhig dabei sitzen?"
Dann las er ihnen Stellen aus dem Parlamentsbericht vor. Aber einige reiche Männer und Frauen standen auf und entfernten sich noch während er redete, und seine eigene Frau ging auch fort.
Als der Gottesdienst aus war, und der Prediger nach Hause fam, trat ihm seine Frau weinend entgegen und sagte:„ Hast du nicht gesehen, daß einige unserer wohlhabendsten und einflußreichsten Gemeindemitglieder heute die Kirche verlassen haben? Warum hast du so gepredigt, da uns jetzt endlich ein Flügel an unser Haus gebaut werden sollte, und du auch auf eine Gehaltserhöhung hofftest? Du hast ja nicht einen einzigen Boeren in deiner Gemeinde! Was geht dich die ganze Geschichte an? Was brauchst du zu sagen, daß der Überfall der Chartered Company auf Johannesburg ein Unrecht fei?"
„ Liebe Frau," antwortete er, wenn ich glaube, daß gewisse Männer, die wir hoch erhoben und denen wir Macht verliehen, ein feiges Unrecht begangen haben, warum soll ich es nicht sagen?"
" Hast du nicht erlebt, was die Folgen sind? Denke daran, wie du vor kurzem sowohl Engländer als Boeren angegriffen hast, weil sie das Gesetz über die Prügelstrafe der Neger durchdrücken wolften und hast damit fünfzig Pfund Sterling für den Kirche bau verscherzt."
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„ Liebe Frau, können wir Gott nicht ebensogut anbeten unter dem Himmelsdom, den er geschaffen hat, als in goldenen Häufern? Soll ein Mensch schweigen, wenn er Gewalttat sieht, um Geld für ein Gotteshaus zu erlangen? Wenn ich den Schwarzen berteidigt habe, als ich glaubte, daß ihm Unrecht geschähe, soll ich da den Weißen nicht verteidigen, meinen leiblichen Bruder? Sollen wir nur reden, wenn dem Einen Unrecht geschicht und uns des Anderen nicht annehmen?"