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Nummer 7

Heimwelt

14. Februar 1923

d

Unterhaltungsbeilage des Vorwärts

Der Mönch auf dem Venusberg  .

Legende von Fritz Martin Rinfelen.

Nachtsturm schlug seine schweren Schwingen schwarz in ben weißen Mond. Sie brachen von den breiten Schultern ab. Gebrüll stürzte auf den Eichwald, bog die Bäume. Im Fallen splitternder Aleste stand das Steinbild der Maria am Kreuzweg, fchlant und scheu verhüllt im Kommen und Gehen des Mondscheins durch die wechseln den Wolken. Hob eine schmale Hand aus dem Kleid, als sollte sie mild über die hungrigen Wangen des bleichen Mönchs streichen, deffen dürre Knie ein spiger Stein schnitt.

Im Dickicht schrie eine Eule, flog auf über taumelnde Schatten, freiste glühäugig um die Heilige und den Beter. Der erhob sich steif, trat hager in den breiten Weg.

Ueber dem Ausgang des braufenden Waldes auf der blauen Höhe des Venusberges funtelte groß und gelb ein Stern. Eine Straße von Strahlen fiel in das Land. Langbeinig ungelent schritt thr der Mönch entgegen. Aus dem Kragen der braunen Rutte streďte fich ein dünner Hals, in den Augentiefen brannte Berzückung, die blutleeren Lippen stammelten Inbrunst des Gebets ohne Ende, durch die spigen falten Finger freifte der tote Rosenkranz.

Die Maria am Kreuzweg hielt noch zaghaft die Hand aus dem Mantel gehoben, da stürmte der Mönch schon mit weiten Schritten aus dem Eichwald. Bor ihm lag Feld aus schwarzen und weißen Stücken in die Nacht gewürfelt. Er lief querüber, war bunkel, war hell, war dunkel, war hell; fam an den blauen Berg über den fingen den Wohnungen der nackten Frauen, befreuzte sich, schrie ein Gebet in den Wind, stieg auf.

Der Mönch tam auf dem Gipfel an. Hoch funkelte groß, gelb der Stern. Teufelin! Teufelin! Beib, du verfluchtes, schönes, verfluchtes, schönes, verfluchtes!" Der Berg blieb geschlossen.-

Der Glöckner im Kloster St. Anton läutete Mitternacht  . Die zwölf gleichen Brüder Glockenschläge, einer dem anderen nach, liefen durch den Eichwald, fangen am Steinbild der Maria am Kreuzweg, tamen über Feld, bergan, fanden Facundus auf der Höhe im Schlaf der Ermattung, schwangen sich, einer dem anderen nach, auf den Sturm und verklangen weithin.

Als der Glöckner im Klofter St. Anton den Tag einläutete und der gelbe Stern verlöscht war, erwachte der Mönch auf dem Venus­ berg  , stand steif, sah aus weitem Grund die Sonne steigen, fah unter sich Heide und Eichwald und jenseits das graue Kloster noch in Dämmerung, wandte sich um und fah unter sich schon hell die roten Dächer von Dörfern, den blauen Fluß und die große Stadt. Die Sonne löste fich glühend vom Erdrand, die große Stadt wurde wach, Aus der Ferne flang das Geräusch der tausend Schritte, tausend Stimmen, tausend Räder bis herauf zum Mönch.

Der junge Tag recte sich am Ende der Erde, griff die Sonnen­scheibe; ihre Glut wurde flares Gold. Jauchzender Uebermut hob die Strahlende auf beiden Händen hoch über gelbe Locken. Auf die große Stadt war aller Glanz ergossen. Die vieltaufend Häuser standen wir Blüten im Beet, die Spigen der Kirchtürme blendeten. Im blauen Fluß schwammen Schiffe, flein, weiß, mit bunten Fähn lein. Facundus niete stumm auf der Höhe des Bergs, dachte: Welt, o Welt! O du schöne Welt! Ihr lieben Brüder alle! Ihr lieben Schwestern im Licht!

Von der Stadtmauer fielen furze dumpfe Knalle, schwebten filbergraue Rauchkugeln; schwankten die Schiffe im Fluß, fuhren zueinander, ordneten sich in Reihen, glitten langfam der Stadt zu. Schmettern der Fanfaren rief herauf. Von den Dörfern zogen Menschen mit wehenden Fahnen nach der Stadt, Bruder zum Bruder, Schwester zur Schwester. Hatte einer für den anderen müh­selig geschafft, ging nun einer zum anderen, das Fest zu feiern. Der Mönch sah mit großen Augen. Seine bleichen Wangen wurden rot. In den dünnen Fingern flopfte das Blut.

Werwill das andere Leben begreifen, der dieses Leben nicht ergriff? Der lachende Lag stand inmitten der Stadt und hielt die Sonne hoch an die Wölbung des Himmels. Da stieg Facundus langsam bergab.

Sah um, der helle Gipfel war schon vor dem Tal mit Eichwald und Kloster. Der tote Rosenfranz fiel in bunte Blumen.

Bruder Facundus war im Kloster St. Anton der frömmste Mönch. Er hatte keine Stimme der Welt in seiner Zelle gehört, feinen Fluch dröhnend aus schwarzem Bifier und kein klirren der Schwerter, fein Lied und Lachen der Mädchen auf den Wiesen im Sonnenschein, fein Knarren der Kramkarren auf ben staubigen Straßen. Dann eines Morgens hatte ein junger Hirt unter dem trüben Gitterfenster des Mönchs ein neues Lied gesungen. Das brach durch die grauen Mauern herein wie Licht des jüngsten Tags in die Grüfte. Es wölbte fich der blaue Berg hinter dem Berg über Rosenhallen tanzender Wollust weißer Leiber. Es fniete ein helm loser Mann im lüsternen Kreis am Seidenbett lächelnder Nacktheit und vergaß Kampf und Ritt und das Heil seiner Seele. So sang der Hirt. Bruder Facundus ftand zitternd und lauschte noch, da zerriß ein Pfiff das Lied und der Schafhüter trieb seine Herde fort. Am Ende des Abstiegs lehnte der Mönch an einen Baum. Sein Der Schein roter Flammen erlosch in gläsernen Schalen, der Reigen Herz hämmerte laut. Sein Atem stieß feuchend aus der Brust. Nah verstummte, die Wände der Klosterzelle sanken schwarz vor das unter ihm sprang eine Quelle, fing ein Becken in grünem Gestein fündige Bild. Der entfekte Mönch fiel lang hin, schlug die Stirn auf bas blaue Wasser, saß ein Mädchen neben seinen Kleidern, hielt das den Steinboden, trallte die Finger ein, daß ihm Blut auf den Hand- Hemd über die Brust, lauschte, stand auf. Weiß hoben sich schmale flächen floß, wätzte sich um, breitete die Arme und lag ohne Be- Schultern, fleine, feste Brüste, schlanke Hüften, breite Schenkel aus sinnung. Die frommen Brüder von St. Anton fanden ihn bleich, dem Leinen, stiegen schnelle Füße aus dem fallenden Hemd in bas mit Bundenmalen in den Händen, wie auf das Kreuz geschlagen; umstanden ihn scheu, flüsterten: Wunder! Heilig! Heilig!" Aber am Abend verließ Facundus das Kloster und der Abt verbot den Mönchen, von dem Bruder zu sprechen. Er hatte ihn hinausgewiesen, fich im Begegnen mit der Sünde zu reinigen, ftandhaft, wieder ein Diener des heiligen Antonius.

Von der Höhe funkelte groß, gelb der Stern. In der Straße von Strahlen stieg der Mönch bergan. Der wilde Nachtwind blähte feine Rütte, riß ihm die Haube vom Kopf. Während Facundus so schritt, laut betend, starrten seine Augen umher, wo der Eingang zu den Wohnungen der tanzenden Frauen wäre. Im Dunkel um ben Lichtstreif, in dem er ging, hockten Baumstümpfe und Büsche wie böse Krüppel und fückisches Gezwerg. Der obere Berg war steil. Unter den Füßen des Mönchs rollten Steine fort, flapperten hinab. Bruder Facundus ftand im Sturmftoß: Teufelin, Teufelin! Weib, du verfluchtest" Rein Lachen antwortete, fein Tor brach im Fels vor offenem Gang breit hin an das seidene Bett der Nackten. ,, Teufelin! Teufelint Weib, du verfluchtes!" Teufelin, Teufelin! Weib, bu verfluchtes!"-

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Bad. Auf dem bewegten Wasser breiteten sich die offenen blonden Haare wie Strahlen aus. Im Rosenbusch sang ein Vogel, der Mönch riß seine Kutte vom Leib, breitete die Arme weit, lief nackt: Leben! D Leben! O du schönes Leben!" Der Bogel   flog fingend aus dem Busch zu Berg.  -

Wenn der Glöckner im Kloster St. Anton läutete, liefen die gleichen Brüder Glockenschläge in den Eichwald, fragten das Stein­bild der Maria am Kreuzweg, famen zur Höhe des blauen Berges. Keiner fand Facundus.

Technik und Landschaft.

Bon Willy Möbus.

Im Kampfe mit den Kräften der Natur hat der Menich die Erde umgestaltet. Aus der Naturlandschaft wurde die Kultur­landschaft. Das Aussehen der Erde änderte sich durch den Menschen und in gleichem Maße änderte sich auch der Mensch. Er hat eine meite Strecke auf dem Wege vom Urmenschen zum Kulturmenschen zurückgelegt, ohne das Biel   bisher erreicht zu haben, das wie eine