steinen vom feinsten Gold." Wen die magneten bringen für den berc" und wer dort auf günstige Winde warten kann, der bringt Schäße heim, die ihn und seine Nachkommen für alle Zeiten reich machen.

Luther , dem wir nach dieser Richtung gewiß ein Urtheil zu­trauen dürfen*), sagt:" Ich möchte mich der wundersamen Historien, so ich aus zarter Kindheit überkommen, oder auch, wie sie mir vorgekommen sind in meinem Leben, nicht entschlagen, um fein Gold." Auch hat Luther nach des Gelehrten Schuppius Zeugniß seinen Deutschen ein erneutes und geschwertes Märlein buch zurichten wollen, weil sich aber der theure Mann an der Biblia, an Predigten u. s. w. abgearbeitet, verblieb dies an­gefangene Werk. Wie wohl hier eine Bearbeitung äsopischer Fabeln gemeint ist, lassen sich doch Bekanntschaft und innige Ver­trautheit Luthers mit dem Märchen mannigfach nachweisen, so z. B. in den Tischreden" und in den Predigten des Mathesius über Luthers Leben, wo sich unter anderem das schöne Märchen von dem Sperling und seinen vier Söhnen findet.

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Bis zum vorigen Jahrhundert ist nichts oder wenig für unseren Zweck interessantes zu verzeichnen. Auf Goethe's Be­ziehungen zu dem Märchen und auf die Romantiker war schon oben hingewiesen. Auch auf die Uebersehungen aus dem Fran­ zösischen und anderen Sprachen, welche in Deutschland Eingang fanden. Hierher gehören bis zu einem gewissen Grade auch die Märchennachbildungen Wielands, die freilich viel zu gefünftelt und viel zu raffinirt sind, um uns hier näher beschäftigen zu können. Bemerkenswerth ist übrigens, daß Wieland zur Wahl dieser Stoffe besonders von Goethe bestimmt wurde; sie sollten ihm als Vorübungen zu seinem größten epischen Meisterwerk, dem Oberon " wichtig werden.

Diese Richtung trug auch nicht wenig dazu bei, den ganzen griechisch- römischen Götterhimmel, der im deutschen Volke nie so recht Boden fassen konnte, endlich in einen ihm wohlzugönnenden Ruhestand zu versetzen, hatten die Götter und Göttinnen doch lange genug herhalten müssen, um den Mangel poetischer Ge­staltungskraft mit ihrer himmlischen Majestät zu bemänteln! 1780 trat Musäus mit seinen fälschlich so genannten Volks­märchen" an die Oeffentlichkeit, die eigentliche Sagen sind und durch eine starke Würze von satirischen und wißelnden Zuthaten die Naivetät des ächten Märchens, deren nur drei darunter sind, gänzlich verloren. Von wirklicher Bedeutung wäre sonst keine Publikation aus dieser Zeit; wie mancherlei ähnliche Erzeugnisse auch veröffentlicht wurden: mit dem ächten Volksmärchen haben sie nichts gemein als etwa den Namen.

Da traten im Jahre 1812 die Brüder Wilhelm und Jakob Grimm mit dem ersten Band ihrer Kinder- und Hausmärchen " an die Oeffentlichkeit. Hier wurde zum erstenmale das Wesen und der Werth des ächten Volksmärchens erkannt und liebevoll gewürdigt, hier wurden mit einer hingebenden Treue und mit sinnigem Verständniß die Erzählungen des Volkes wiedergegeben. Wir kennen außer Herders Stimmen der Völker" und dieser Samm­lung, kein Werk, welches so ächt unverfälscht und ungeschminkt das Dichten des Volkes darstellt. 13 Jahre sammelten die Brüder und mit ihrer Heimath Hessen begannen sie. Da war eine Bäuerin in dem Dorfe Niederzwehrn, die ihnen die meisten und schönsten Märchen des zweiten Bandes erzählte.

Die Frau Viehmännin war noch rüstig und nicht viel über fünfzig Jahre alt. Ihre Gesichtszüge hatten etwas Festes, Ver­ständiges und Angenehmes, und aus großen Augen blickte sie hell und scharf. Sie bewahrte die alten Sagen fest im Gedächt­niß und sagte wohl manchmal selbst, daß diese Gabe nicht jedem verliehen sei und mancher garnichts im Zusammenhange behalten könne. Dabei erzählte sie bedächtig, sicher und ungemein lebendig, mit eigenem Wohlgefallen daran, erst ganz frei, dann, wenn man es wollte, noch einmal langsam, so daß man ihr mit einiger Uebung nachschreiben konnte. Manches ist auf diese Weise wört lich beibehalten und wird in seiner Wahrheit nicht zu erkennen sein. Wer an leichte Fälschung der Ueberlieferung, Nachlässigkeit bei Aufbewahrung und daher an Unmöglichkeit langer Dauer als Regel glaubt, der hätte hören müssen, wie genau sie immer bei der Erzählung blieb und auf ihre Richtigkeit eifrig war; sie

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änderte niemals bei einer Wiederholung etwas in der Sache ab und besserte ein Versehen, sobald sie es bemerkte, mitten in der Rede gleich selber." Rede gleich selber." So die Brüder Grimm über diese ihre Hauptgewährsmännin. Der dritte Bruder, Ludwig Grimm , radirte eine recht ähnliche und natürliche Zeichnung von ihr. Später durch Krieg und Krankheit heimgesucht, das gute Menschen ( dabei die Grimme sicher selbst mit!) lindern, aber nicht heben fonnten," starb sie 1816.

Da steht sie denn nun vor uns, die ganze deutsche Märchen­welt in aller ihrer Kraft und Herrlichkeit, mit ihren Wundern und Zeichen, ihren Zauberern und Feen, und an unsern Augen ziehen vorüber alle die prächtigen, lieben Gestalten, das tapfere Schneiderlein , Dornröschen, Schneewittchen , Hänsel und Grethel, Rothkäppchen, Hans im Glück , die sieben Schwaben und wie sie alle heißen!

Hier wollen wir uns etwas eingehender mit dem Wesen des Märchens beschäftigen. Sehen wir einmal Dornröschen genaner an. Dornröschen ist niemand anders als die von Siegfried in der Waberlohe, d. i. Flammenhecke( die im Märchen zur Rosen­decke wird), geküßte Braut Brunhild , beide sind Heldengestalten, hinter denen altheidnische Germanengottheiten verborgen sind. Auch die Riesen und Zwerge stehen in innigem Bezuge zu den religiösen Vorstellungen unserer heidnischen Altyordern. Die Frau Holle , welche ihr Bett macht, daß die Federn' davon stieben und als Schnee zur Erde fallen, wurde als Himmelsgöttin frühe schon erkannt; und dergleichen Gestalten mehr könnten wir eine ganze Reihe aufführen.

Daneben finden sich im deutschen Märchen eine Menge Züge aus dem Leben zur Zeit des Ritterthums mit seinen glänzenden und poetischen Erscheinungen. Ferner spielen in vielen märchen­haft behandelten Legenden, wie in dem Martenkind" und in der Geschichte vom heiligen Petrus, der das Leberlein gefressen" hat, und in vielen Märchen vom Teufel christliche Anschauungen, christliche Kulturelemente mit herein.

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Wie die Lehre Darwins und Häckels von dem menschlichen Embryo beweist, daß es eine Menge von Erscheinungsformen durchlaufen muß, deren jede an eine bestimmte niedere Thier­gattung erinnert, bis es zu vollständiger Reife gediehen ist und die höchste animalische Entwicklungsstufe, die menschliche Gestalt erreicht hat, so macht auch im inneren, geistigen Leben jeder sozusagen die verschiedenen Phasen des Geisteslebens und der Kulturentwicklung seines ganzen Volkes, auch die weit zurück­liegenden, noch einmal kursorisch an sich selbst durch. Mit der Lust am Märchen zahlt das Kind gewissermaßen dem alt­germanischen Heidenthum seinen Tribut. Jeder, an den das Märchen herantritt und wem träte es nicht in irgend einer Form entgegen?- auch der Kulturmensch des 19. Jahrhunderts, feiert trotz aller Altklugheit und Nüchternheit seinen Volksfrühling, er empfindet die Schauer unserer Vorfahren, er glaubt die Wunder der Götter, die im Märchen nur zu Zauberern und Feen herabgedrückt und mit den christlichen Göttern, Engeln und Heiligen gleichwerthig sind, infolge seiner eignen poetischen Stim­mung; und dieses Glauben ist dasselbe, welches die dichterische Wahrheit in Kunstwerken auch dem schärfsten Verstande, dem nüchternsten Kritiker abzwingt.

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Das Kind nimmt weich wie Wachs jeden Eindruck leicht auf und lebt sich beim Hören ganz in die wunderbare Vergangenheit hinein. Bei den mit ritterlichen Anschauungen durchtränkten Er­zählungen fühlt es sich ganz in der Gemüthsverfassung jener Beiten, besonders der Knabe möchte, die Empfindungen der Liebe träumerisch vorahnend, schon jetzt ein holdes Wesen aus einer möglichst großen Gefahr erlösen und den Schwachen schüßen und ihm helfen. Dazu treten dann die Einwirkungen einer lichteren Epoche, die bewußte Arbeit der Schule, wo wieder andere neue Stoffe geboten werden. Da begeistert sich das jugendliche Gemüth für bedeutende Männer, in der protestantischen Schule etwa für Luther , in der katholischen für den heiligen Vater" in Rom , bis es endlich heraufsteigt in die geistige Atmosphäre der neueren Zeit mit ihren fosmopolitischeren Ideen, mit ihrem Streben nach wahrer Humanität, nach wahrem, reinen, schönen Menschenthum; so klingt jeder angeschlagene Ton getreulich nach und führt Geist und Gemüth und Phantasie zugleich von Stufe zu Stufe immer höher!

*) Ich halte hier ebenso, wie in einem früheren Aufsaße: Die Es bestätigt sich hier die Nothwendigkeit stufenweiser Ent­deutsche Spracheinigung in der neuern Zeit" im Anfang dieses Jahr­gangs der ,, Neuen Welt", den Schriftsteller Luther und den öffentwicklung auch für das Geistesleben der Menschen: eine fertige, lichen Charakter Luther streng auseinander, wie es ja zu einem schön geprägte Wahrheit wird erst dann unser wirkliches, ächtes objektiven Urtheil über diesen merkwürdigen Mann nothwendig ist. Eigen, wenn wir sie für uns selbst gewissermaßen an und in