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Betrachtung IjeräuSforb'crfe; er wurde naturalistisch, als er die WiMichkeit in sich aufnahm, experimentell, als er sich mit objektiven Feststellungen begnügte, und als er, ein Kulturbild anstrebend, die soziale Welt in typischen Charakteren prägte, folgte notwendig der Desillusionsroman, der die unvollkommenen Einrichtungen dieser Gesellschaftsordnung ihres Scheins entkleidete und ihr unwahres Wesen enthüllte. In Heinrich Mann  , der der deutschen Literatur unserer Zeit den Roman großen Stils gab, sind die für unsere ganze neuere literarische Entwicklung entscheidenden Einflüsse ro- manischer Kunst nicht restlos aufgelöst. Die Zucht seines Verstandes und die Gründlichkeit seiner Logik aber deutschen diese fremden Elemente ein und machen den Künstler repräsentativ für den deut- schen Geist. Schlegel, der Dichter der Luzinde, meint, alle Ro- mane eines Autors gehören zusammen und bilden gewissermaßen nur«inen Romain Die Erfahrung gibt ihm recht und die Viel- fältigkeit eines Gesamtwerks ist letzten Endes eine nur äußerliche Gliederung, wie in derMenschlichen Komödie" und inRougon- Maequard", wo sie zusammengefaßt wird durch die Einheit des Titels, bei Mann, wo sie noch in der Vollendung begriffen ist, eine neue Komödie des Menschengeschlechts. Gesteigerte Intelligenz ist die ursprüngliche und überwiegende Eigenschaft in der Schöpfung Heinrich Manns  . Der Geist, der aktiv werden will, schuf sich das Wort als Mittel der Verwirklichung. In vielen Zügen seines Werkes fühlt man stark, es ist die physische Unmöglichkeit gewaltsamerer Entscheidungen, die seinen Willen zum geistigen Handeln drängt. Heinrich Mann   mag bewußte Tendenzen ebenso wenig wie Gustave Flaubert   verfolgen, unbewußt wirkt eine ethisch« Absicht unfehlbar aus ihm und strebt zu Zielen, die deut- erkennbar sind als eine Befreiung des Menschlichen aus der dumpfen Versklavung durch soziale und kulturelle Vorurteile zur unbedingten Schönheit, eine Erhöhung des Lebens über die Form heutiger Wirklichkeit hinaus. Heinrich Mann   zerstört in seinen Romanen den gefälligen Schein jener Wirklichkeit, um aus der Asche behaglicher Beschaulichkeit den Funken der Sehnsucht anzu- blasen, der verzehrend aufflammen soll, eine Brandfackel des Ideals. Seine Weltbetrachtung kommt au» dem Pessimismus, der sich bei ihm aus dem Gegensatz des in seine Vorstellungen versponnenen Künstlers zu seiner Zeit und Umgebung, dann aber tiefer be­gründet au» dem Mißverhältnis zwischen der vorgefundenen Wirklichkeit und den geistigen Ansprüchen, dem Bewutztwerden des Unterschieds zwischen dem was ist, und dem was sein sollte und könnte. Wie einst Zola imFall DreyfuS" die Verpflichtung be- griff, aus seiner Mission für die Ziele Wahrheit, Freiheit, Ge- rechtigkeit die Folgerung zu ziehen und seine Aufrufe durch die Tat zu verwirklichen, so ergriff, vielleicht an einer inneren Ent- scheidung stehend, Mann jenes historische Motiv derMadame Legros", um in der Gestalt der holden Besessenen, der fanati- schen Agitatorin für Menschenrecht, seinen Willen zum Kampf für die Befreiung des Menschlichen zu verlkünden. In diesem Dichter, an dem voreilige Beurteiler nur die hoch- mütige Gebärde deS Aestheten festzustellen vermochten, ist ein für die Ideen der neuen Jugend wirkender Vorläufer erstanden. Manche seiner Leser beklagen eS, daß Mann in der Kälte seiner Analyse so mitleidlos sei und ohne Liebe für den Gegenstand. Dieser Irrtum entspringt der BeobachtungSiveis«. Mann liebt das Menschliche und verachtet den Menschen; er verteidigt das Menschliche gegen die Menschen. Verehrung als Sehnsucht ist in ihm nur für die großen Ausnahmenaturen, die Kraft ihres geistigen Ranges tat- befugt und uneingcengt in den KoSmoZ ragen. Hier übertreibt er die Form, gibt seinen Menschen die Größe Michelangeloscher Ge- stalten. Er liebt die Großen, die Einsamen, in denen sein Ideal vom Menschlichen wirklich geworden ist. Alles andere verfolgt er mit seinem Spott, der ebenfalls ein Ergehnis seines Pessimismus ist. Mann ist Spötter kraft feiner geistigen Ucberlegenheit, Sa- tiriker aus der Feindschaft gegen das dem Geiste feindliche Bürger- tum, aus dem Haß gegen Reaktion und Konservatismus. ES ist «in Haß auS Liebe, der ihn produktiv macht. Sein Pessimismus aber endet nicht in einer unbedingten Verneinung des Lebens, er verkündet endlich, im hellen Glänze der letzten Werke, den durch die Güte des Geistes vorbereiteten Triumph des Menschlichen. So ist gesteigerte Geistigkeit hier die Ursache künstlerischen Schaffens. Zugleich aber ist sie die Begrenzung dieser Kunst, die in Abstraktionen zuweilen erstarrt, mehr Hirn als Seele hat und ihre monumentalen Matze doch nicht ins Ewige auszudehnen ver- mag. Hier ist da» durch gesteigertes Denken abgenutzte Gefühl für die großen Empfindungen fast unfähig gemacht, das Seelische narkotisiert durch die starken Dosen des Intellekts, so daß all dies Mangelnde wieder ersetzt ivcrdcn mutz auf denkmcchanischem Wege. E» gibt keine Grenze für dieses Können, da es eine vollkommene Technik beherrscht. Deshalb ist Heinrich Mann  , wie Gustave Flau- bert, nur in beschränktem Sinne Dichter zu nennen, da ihm nicht auS unbewußten Gründen die Ströme des Dichterischen elementar Maman... Der Ofstzicr sang ihm irgend ein Liebchen. Vielleicht»var eL:Morgenrot... Morgenrot.. Da wurde es stiller. Spitzte das Mündchen, wie wenn es mitsingen wollte. Der Offizier drehte das Kind herum, so daß cS ihm Auge in Auge saß. Fragte ganz leise:Warum weinst Du immer?" Weil Du mich töten willst", platzte cS ganz ernst heraus. Wer sagte Dir daS?* Maman 1" Pause. Der Offizier zerbiß sich die Lippen. Nach einer Weile:Hast Tu denn keinen Vater?' Das Kind schluchzte. Der Offizier fragte noch einmal. DaS Kind:Getötet I" Wer?" Vater!" Wer hat ihn getötet?' Du!" Ter Offizier setzte dem Pferd die Sporen ein, daß es hoch aufbäumte. Es war ein paar Minuten lang still, dann sagte das Kind wieder mit verweinter Stimme:Warum willst Du mich töten?" Im selben Augenblick dröhnte ein wahnsinniger Knall. AuS der Chaussee schoß cS heraus wie eine gewaltige Lcucht- fontäne. Dann dichter weißer Rauch... eine Jagd von Funken und daS Echo des Knalls von den Feldern her. Als wir an der Stelle waren, Ivo die Bombe eines eng- tischen Fliegers explodiert war, lagen nur glimmende Fetzen Tuch, Holz und Eiscnteile: die armscltgcu Flüchtlings- stücke einer Witwe, die ihr Dorf brennen gesehen hatte, die Balken der Stube, wo das Soldatcnbild eines Mannes um- flort an sder Wand hing, die traurigen Reste einer Frau, di« heimatlos durch die Ruinen ihrer Heimat geirrt war, irgend einem unsicheren Asyl entgegen. Das völlig verfinsterte, irre Kind schafften wir in ein Spital. Das tiefe schluchzendeMaman... Maman.. ver- folgte uns wochenlang wie ein tausendfaches Gespenst. hervorbrechen. Deshalb kann er keine aufreißenden seelischen Er- fchütterungen geben, fondern nur die Nerven zwingen, den Verstand erregen. Manns hochbegabter Geist ist an freier Phantasie arm, und dies ist ein Merkmal romanischen Einschlags in seiner Per- sönlichkeit, deren zwiespältiges Wesen auf Rassenmischung zurück- zuführen ist. Es ist interessanter, diesen Zügen nachzuspüren, als in der Vergangenheit des Kunstschaffens die Meister aufzuweisen, deren Einflüsse in MannS Kunst zusammenströmen und an deren Vorbild er seinen Stil orientiert hat. Bei den französischen   Mei- stern des Romans hat Heinrich Mann   die erprobte Methode ge- funden, die Flaubert zur Vollkommenheit führte. Wie dieser hat er seine Sprache zu einer seltenen Klarheit und starken Bildkraft entwickelt, so daß man auch von seiner Dialektik sagen kann, daß jedes Wort wie eine blitzend« Damaszenerkling« mitten in das Herz der Dinge trifft. In seinen Sätzen klingt Musik, sprühen alle Farben in höchster Leuchtkraft; Ausdrucksfülle, Wucht, suggestive Macht sind ihre Eigenschaften. Der ersten und oberflächlichen Betrachtung offenbaren sich Heinrich Manns Roman« vielleicht nur als Darstellungen eines höheren, gesteigerten Lebens zwischen Menschen, die auf die Ueber- maße starker, gewissenloser, abenteuerlich gearteter Renaissance- Vorbilder stilisiert sind und deren Handlungen bewußt, ja heraus- fordernd die bürgerlichen Moralbegriffe sprengen. Vereinzelte dieser Gestalten scheinen bloße Verdichtungen der Leidenschaft, vul- konisch erfüllt von einer Kraft ohne gleichen, eine krasse Verschmel- zung von Körper und Hirn. Ein Jahrzehnt hat der Dichter es sich gefallen lassen müssen, daß der Stoffhunger eine? Publikums sich an den glühenden Erregungen seiner Schöpfungen sättigte, bis endlich auch eine breitere Schicht von Lesenden in der grellen Viel- fältigkeit geschilderten Leben« das Symbol der Gegenwart erblickte. Sein bisheriges Gesamtwerk ist nicht wie die Fülle von Bal- zaesMenschlicher Komödie" und Zola« epocheumspanncnder Ge- schichte einer Familie ein kolossales Massiv, feine einzelnen Romane find Gipfel, in denen fein Denken und Erkennen und feine darüber hinauszielenden Ideen sich auftürmen über die Ebene bürgerlicher Mäßigkeit. Der früheste, kaum noch bekannt« Roman  (In einer Familie") des damals Zweiundzwanzigjährigen war ein« erste Stellungnahme zu der Moral der Gesellschaft, ein Zurechttasten in den Problemen des Lebens, noch in melancholischem Verzicht aus- klingend. Hier schon die Feststellung:Im geistigen und morali- schen Leben gibt es nur darum ein Hinab, damit sofort ein Hinauf folgen kann." Dann kam, als erster Niederschlag sozialer Betrach- tung und ablehnenden Spottes die große Brandmarkung des zeit- genöffifchen Bürgertums, derRoman unter feinen Leuten":Im Schlaraffenland  ", in verblüffender Parallele BalzacsVer- larenen Illusionen"(Ein großer Mann aus der Provinz in Pari?) unbewußt nachgebildet. Der Ekel vor der Unzulänglichkeit dieser Welt, Abscheu vor ihrer Ordnung, verzerrte ihre Umrisse hier ins Unwahrscheinliche, übertrieb sie bis zur Karikatur und stilisierte sie, in schamloser Entblößung ihrer Verderbtheiten, zur Groteske. Mann kritisiert diese Welt emporgekommener, fratzenhafter, ge- mästeter Bürger durch die vernichtende Kraft seiner Darstellung, durch die enthüllte Tatsächlichkeit ihres Wesens. Inmitten der Gruppe der Parvenüs und der Parasiten des modernen Kapitals stehen, isoliert noch und als unaufgesogene Fremdkörper, Vertreter des Proletariats als Versuchsobjekte für die zersetzenden, degene- rierenden Einflüsse des Luxus: Bienaimee, die Kupplerin Kalinke, Vater Matzke. Auch in ihnen wird ein Stück unserer Schcinwelt demaskiert, ein« Gesinnung entpuppt sich in ihrer Dürftigkeit und Charakterlosigkeit. Auf dieses überexponiertc GescllschastSbild, das ein Kulturbild hätte werden können, wenn«s über die Enge des Milieus wäre hinausgeführt worden, folgte das monumental angelegte Werk: Die Göttinnen", die drei Romane der Herzogin von Assh, das nach feinen äußeren Dimensionen, in strotzender Fülle und Pracht für den Künstler Mann typische und charakteristischste Werk. Hier ist mit einer großen Gebärde der volle Eindruck des reichen Lebens, das auf den zum Sehen erwachten Künstler einströmte, zur Kunst gestaltet. Die Schönheit südlicher Meere und Länder, die UnsterbAchkeit der Renaissance und die aus ihr geborene Sehn­sucht nach dem Menschen der Tat, nach Leidenschaft, Sinnlichkeit. Kraft, Lebensfreude, verdichten sich hier zu einem Gebilde von kaum vorstellbarer Gegenwärtigkeit gesammelten Lebens. In die bürgerlich geordnete, nüchterne, schönheitsarme Welt dichtet er die Mythen der Leidenschaft, und seine Träume werden wirklich in Violante von Assy, die daS Leben in der Vertvandlung dreier Göttinnen erlebt: in der Verkörperung DianenS zum Ziel der Freiheit strebend, in der Minervens die Erfüllung der Schönheit genießend, endlich in dritter Gestalt Venus daS Mysterium des Blute? in einer Zusammenfassung aller Leidenschaften erlebend. Im Zentrum einer entfesselten Welt steht diese Frau, einsam wie ein unfaßbares und selbstverständliches Wunder; der ruhende Pol, um den die Tumulte der Ereignisse drehen. An ihrer in Hingabe und Abenteuern bewahrten Unantastbarkeit prallen die Elemente des gemeinen Lebens eindruckslos ab, und in der WefenSdreieinig- keit dieser Göttlichen versinnbildlicht sich daS ewige Geheimnis ihres Geschlechts. Hier ist, in herangeführten Individuen und Massen, eine Erneuerung des Menschengeschlechts vorhergesehen und schon historisch fixiert, eine Renaissance durch den Geist in ihren Möglich- ketten aufgewiesen. Den grandiosen Stil dieses Werkes abwandelnd zur ironisch- objektiven Schilderung bürgerlicher DaseinSbezirk« schickte Mann als Satyrspiel jene im Tempo orgiastischen Rausches gehaltene Jagd nach Liebe" nach. Dieser, durch die Ereignisse atemlos hinstürzende, vor dem Ziel zerschmettert und verendende Jüngling Claude Marehn, der in dem schönen Weibe von lockender Glieder- Pracht, Ute, das Leben selbst mit seinen Erfüllungen und unermeß- lichem Inhalt greifen will, ist mit seinem Fieber und Lebenshungcr der alle Menschen dieser Gegenwart in sich zusammenfassende Typ. Der kritische Geist ist dem Treiben der Menschen gegenüber gütiger, nachdem er erkannt, daß sie in ihrer Existenz das Produkt einer durchaus desorganisierten Zivilisation sind. Er ist hier schon mehr der wissenschaftlich objektive Analytiker, der die Krankheit seiner Zeit untersucht und ihre Ursprünge feststellt. Seine Ironie verliert die Bitterkeit des Hasses, die sie, im nächsten Werk, demPro- fessor Unra t", wo persönlichste Erduldungen gestaltet sind, noch einmal in vollster Stärke wiederfindet, um das Blendwerk einer tyrannischen Macht bis auf die Knochen zu enthüllen. Wenn Ironie die Antwort der Feinfühligkeit auf die Herausforderung des Leben» ist, so ist Satire die Rache für ihre enttäuschenden Erfahrungen. Hier bekämpft Mann mit den stärksten Waffen des Spottes die Macht, die sich in der Gestalt eines brutalisierenden Schulmeisters verkörpert, als den Feind des Geistes. Die große überreale Kampf- Handlung ist im Roman auf das kleine Format grotesker Alltäglich- keit vermindert und kommt doch zu einer starken Monumentalität. Aber nur die seelisch und körperlich feiner Gearteten leiden an dieser ihr übergeordneten Macht, die sich in Professor Unrat zusammen- ballt, die ursprünglicheren, kräftigeren Naturen widerstehen ihr und zwingen sie zu Zugeständnissen, führen sie dann zur Entartung und helfen unbewußt der Zersetzung durch Mißbrauch nach. In einer Komödie von zeitlos gültiger Bedeutung wird hier die Vor- stellung der Macht entlarvt und damit(durch eine Tat des Geiste») vernichtet............., 1 Das von PaScal fanatisch verdammte, von Flaubert ängstlich verhüllte Ich de» Künstlers kann von keinem Schaffenden aus seinen Dichtungen ferngehalten werden. Auf dem Grunde jeder Schöpfung, die nicht in naturalistischer Kopie die nackte Wirklichkeit wiedergibt, findet man die Selbstbiographie des Urhebers. Am deutlichsten offenbart Mann die Artung seines Ich in jenem Roman, der das eigene Problem der Blutmischung in derDeutsch-Brasilianerin Lola Gabriel ausZ w i s ch e n d e n Rassen" zur Entwicklung stellt. Fortschreitend auf ansteigender Linie der Entwicklung setzt er als bisher letzten Gipfel, alle anderen übersteigernd, de« schon ganz dramatisch gegliederten RomanDie kleine Stadt  ". Nichl mehr in einem Individuum, einer markanteren Gruppe, beruht Handlung und Erlebnis, eine vielgesichtige, gegensätzlich entwickelte Masse ist Held dieses Buches, in dem Manns demokratische Tendenz durchdringt bis zu den Einzelheiten des Stils. Aufgerissen auS ihrer Alltäglichkeit, enthüllt eine ganze Stadt plötzlich ihr Wesen, getroffen von der Bewegung, die eine Operntruppe(als Verkörpe- rung der Kunst) in ihre Dumpfheit bringt. Jäh entwickeln sich m dxeser die Leidenschaften begünstigenden Atmosphäre die schlum- mernden Triebe und Kräfte der Menschen, stoßen als politischer Kampf, als Begierde, Eifersucht, Verrat, Neid aufeinander, ballen sich zur Schuld und führen durch Schmerz und Leid, Enttäuschung und Tod zum Frieden versöhnender Gemeinschaft. Die Züge dicstc Menschen zeichnete nicht mehr die Verachtung des Enttäuschten, sondern die lächelnde Güte des Verstehenden. Zwischen die hier bezeichneten Romane fügen sich die in den BändenStürmische Morgen" undFlöten und Dolche" gesammelten Novellen ein, die zum Teil Themen der großen Werke aufnehmen und va- riieren oder angeschlagene Probleme in knapper Fassung zu neuer Lösung bringen, darunter als WesentlichstePippo Spano  ", in dessen Gestalt sein Ich das verhüllende Symbol findet. Die No- velle als Kunstwerk höher entwickelnd, folgen die Sammlungen Das Her z" und dieRückkehr vom HadeS", deren In- halt Einzeldarstellungen menschlicher Schicksale sind. In allem diesem ist Mann der Historiker seiner Zeit, der ihr Wesen als Wirk- lichkeit zwischen den Perspektiven der Vergangenheit und der Zu- kunft feststellt. Er spricht den Dialekt einer morgen vielleicht schon selbstverständlichen Sprache, wo er heute, wie in den Werken der letzten Jahre, den für den Rhythmus der neuen Zeit noch nicht Empfänglichen befremden mag. Mit dem Pathos der Prophette weiß er zu verkünden, daß der Weg der Menschheit aufwärts geht, und mit der Geste des Sehers weist«r den Massen der Elenden, wie er sie in einem letzten Werk gestaltet hat, die Richtung zum hellen Anbruch ihres Morgen» indas verjüngte Leben hinein, das Demokratie heißt". » Heinrich Manns   Romane und Novellen erschienen in einer ein- heitlichen schönen Gesamtausgabe von 1l) Bänden im Verlag Kurt Wolfs zu Leipzig.  _ Die Gper im Schiller-Theater<d. Wie bis kurz vor Kriegsausbruch, soll Berlin   auch während des laufenden Sommers ständige Opernaufführungcn haben. So- eben hat sich im Schiller-Theater-O. unter Direktion der Sängerin Frieda Fürst dieS neue Unternehmen aufgctan. Es kommt einem im Gegensatz zur Vorliebe gewisser Bürgerschichten für lticht- geschürzte Unterhaltungsware starken Drange nach ernster Wirt- licher Theaterkunst durch billige Eintrittspreise entgegen, die sich bei Abendvorstellungen zwischen ö M. und till Pf., bei Nachmittags- Vorstellungen zwischen 2,bl> M. und 50 Pf. für den Platz bewegen. So wird es auch der Arbeiterschaft möglich sein, diese Opernvvr- stellungen zu besuchen. Allem Anschein nach haben wir es da mit einem aus tüchtigen, ja zum Teil erstklassige» Gesangskräften ge- bildeten Ensemble zu tun, wie die Aufführung des zur Eröffüung gewähltenLoh engr in" am- Tonnerstag gezeigt hat. Schon die Wiedergabe der EinleitungSmnsik ließ ein, wenn auch kleines, doch vorzügliches Orchester mit prächtigen Bläsern er. kennen. Fast sämtliche Solopartien weisen eine äußerst glückliche Besetzung auf. Die Titelpartie hat in Karl Jahn einen hervor? ragenden Vertreter. Wohlklingender Heldentenor, dramatisches Spiel runden sich zu einer schönen Leistung, die im Schlußalt, in der Brautgcmachszene sowie hernach in der GralSerzählung zu Glanz und weihevoller Kraft emporstieg. Dort war auch Lilly H a e d l e r als Elsa dem Gralsritter stimmlich wie darstellerisch ebenbürtig, wie sie denn überhaupt vorteilhaft auffällt. Ihre selige Hingabe und Verzückung, ihre Zweifelsucht und Begier, hinter da« Geheimnis zu kommen, hatten echt weibliche Züge. Die rcalpolitischen Kritiker de»Lohengrin  "-MythoS: da» Ehepaar Telramund   und Ortrud wurden von Harold C h a l I i S und Frieda Fürst gut chorakierijiert. An leidenschaftlicher, dramatischer Ge- staltung ließen es beide nicht fehlen. Theodor Simons(König Heinrich) war uns schon von früher her bestens bekannt, und Arnold Fried(Heerrufer) befriedigte im ganzen. Bei allen aber gab es klar verständlichen Sprechgesang. Kurt Soldan   bewährte sich als feinnerviger Dirigent, der Orchester, Solisten und Chöre in gegeneinander wohlabwägender Gewalt hat. ek. Notizen. Käthe K o l l w i tz feiert heute ihren fünfzigsten Geburtstag. Als Enkelin von Julius Rupp  , dem Mitbegründer der Freien Gemeinde, wurde Käthe Schmidt   dos ist ihr Mädchen- name in Königsberg   geboren. Ihr Vater war in seiner Jugend Jurist gewesen, hatte dann aber seiner demokratischen Ansichten wegen die Beomtenkarriere aufgeben müssen und war Maurer­meister und zugleich Prediger der freireligiösen Gemeinde geworden. So wuchs Käthe Kollwitz   in einem Familienkreise auf, dessen frei- heitlicher Geist es ihr leicht machte, sich zu der überzeugten S o z i a l i st i n zu entwickeln, die sie heute ist. Schon im drei- zehnten Jahre erhielt sie bei dem Königsberger Kupferstecher Maurer   ihren ersten Unterricht. Sie setzte dann ihre Studien zu Berlin   in Stauffer-BernS Künstlerinnenschule und später in der Künstlerinnen-Werkstatt Ludwig HerterichS zu München   fort; sehe starken Eindruck machte auf sie die Kunst Max KlingerS. Nach kurzer Tätigkeit in ihrer Vaterstadt folgte sie 1891 als Gattin dem Arzte Dr. Kollwitz nach Berlin  , wo sie ihre Kunst dann zu der Höhe und Eigenart entwickelte, die wir neulich bei der Be- sprechung ihrer Ausstellung eingehend charakterisiert und gewürdigt haben. Ein Jubiläum de» Esperanto. In diesem Monat sind rund 30 Jahre vergangen, seitdem der Schöpfer der ver- breitetsten internationalen Hilfssprache, der kürzlich verstorbene Dr. Zamenhof   in Warschau  , sein erste» Esperanto-Lehrbuch heraus- gab, und zwar im Selbstverlage, da es keinen Verleger fand. Es verstrichen 18 Jahre, bis ver erste Efperantokongreß die Anhänger der Kunstsprache versammelte. Er nahm jedoch einen so erfolgreichen Verlauf, daß von jenem Jahre 1905 ab alljährlich Esperanto» kongresse in den verschiedenen Ländern zusammentreten konnten. Der letzte fand 1914 in Paris   statt und zählte nicht weniger als 6000 Teilnebmer. Treptow-Sternwarte.Graf Dohna und s e i n e M ö w e" mit erläuterndem Vortrag von Direktor Dr. Archen- hold wird in der nächsten Zeit bis auf weiteres Montags, Mittwoch» und Sonnabends um 5 und 8 Uhr und Sonntags um 3, 5 und 7 Uhr im großen Vortragssaal der Treptow- Sternwarte vorgeführt. Dienstag, den 10. Juli, abends 7 Uhr, spricht Direktor Dr. Archen- hold an der Hand zahlreicher Licht- und Drehbilder über:Geheim­nisse des Welten baues und Mitteilungen über die letzte totale Mondfinsternis". Mit dem großen Fernrohr werden bei klarem Wetter täglich von L Uhr nachmittags bis 8 Uhr abends die neuen interessanten Sonnenflcckcngruppen, die größer als 30 Erdkugeln find, beobachtet. Von abends 8 Uhr ab ist ein Doppelstern oder der berühmte Ringnebel in der Leier zu sehen. Di c Urania-Sternwarte ist nn Juli an klapen Abenden am Sonntag, Dienstag und Freitag von 8 bis Mll Uhr für das Publikum geöffnet,_