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in das öde und düstere Land des Sades und der wider einander, um sich nachher wieder zu versöhnen. Das geschieht Bersephone, aus dessen traumhaften Gefilden es keine Rück- aber bloß während des Tages; nachts erfreuen sie sich im Wingolf tehr in die Oberwelt gab; dafür sorgte schon der dreiköpfige Höllen-( Halle der Lust") lieblicher Gemeinschaft mit den göttlichen Schlachtenhund Cerberus. Neben dem dumpfen und freudelosen Dasein, jungfrauen, den Walküren.
das die große Masse der Verstorbenen auf der Asphodeloswiese Das mag ja nun ganz nett gewesen sein; aber die Frenden von dahindämmerte, gab es aber noch die Seligkeit des Elysiums, wo Walhall waren nur für„ uzerwelte degen", um einen Ausdruck des die Gerechten für außergewöhnliche Verdienste belohnt wurden, und Nibelungenliedes zu gebrauchen. Die bessere Hälfte der Menschheit, die Marterqual des Tartarus, wo solche hervorragenden Sünder wie Tantalus , Sisyphus und die Danaiden ausgesuchter Bein unterworfen waren; diese Hölle und jener Himmel befanden sich unter einem Dache mit dem großen Massenquartier des Hades. So dachten sich aber auch die Juden zur Zeit Chrifti die Sache, wie aus dem bekannten Gleichnis vom reichen Manne und dem armen Lazarus hervorgeht; da ist der eine im Hades, was Luther mit Hölle übersetzt, und leidet Bein, der andre in Abrahams Schoß und wird belohnt; sie sind aber so nahe beisammen, daß sie sich sehen und zusammen sprechen können.
Als das Christentum zu den Germanen tam, war seine Lehre bom zukünftigen Leben schon recht ausgebildet. Judes ivar es un vermeidlich, daß die christlichen Missionare an die germanischen Borstellungen vom Jenseits anknüpften, und daß lettere dann in den kindlichen Köpfen der bloß oberflächlich bekehrten Barbaren mit der christlichen Lehre verschmolzen. Wie nun die Hölle der Deutschen zur heidnischen Zeit aussah, darüber haben wir zwar keine unmittelbar deutschen Nachrichten. Wir können uns aber doch eine deutliche Vorstellung davon bilden mit Hilfe der nordischen Götterlehre, wie sie in den Liedern der Edda erhalten ist; denn das Bild von Hel, das hier gezeichnet wird, trifft zweifelsohne in allen wesentlichen Bunkten auch für das heidnische Deutschland zu.thin 6
bestehend in der edlen Weiblichkeit, war davon ohne weiteres ftillschweigend ausgeschlossen; ebenso alle, die im ummündigen Alter, eines friedlichen Todes an Altersschwäche oder sonst nicht im Kampfe starben, und dann überhaupt der ganze unfriegerische Böbel: auf dies Gehudel, für das Hel gut genug war, sah die auserlesene Gesellschaft aus Walhall stolz herab von ihrem erhabenen Standorte. Wir sind sogar in der Lage, mit einer ganz zuverlässigen Statistik aufzuwarten, wieviel Mann Walhall im Lauf der Jahrtausende auf zunehmen vermochte:
" Fünfhundert Thore und viermal zehn, So viele wähn' ich in Walhall ;
Aus jedem achthundert Einherier ziehn, Wann sie kommen, den Wolf zu bekämpfen."
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Dieser Entscheidungskampf der Götter und ihrer Recken gegen den Feuriswolf und die übrigen Mächte der Zerstörung wird am jüngsten Tage oder nordisch gesprochen- am Tage der Götter dämmerung ausgefochten werden. Bis dahin also werden im ganzen ausgerechnet 432 000 Mann in Walhall Aufnahme, finden. Danach kann sich männiglich seine Chancen auf die ewige Seligkeit von Walhall und Wingolf mit Leichtigkeit ausrechnen; die schlechteste Lotterie ist Gold dagegen.
Unter solchen Umständen ist von vornherein nicht wohl anzunehmen, daß die alten Germanen das Jenseits als die bessere Welt betrachtet hätten. Denn ihr irdisches Leben war nicht un befriedigend, und ihre Erwartungen an die Ewigkeit sahen denen der alten Griechen verzweifelt ähnlich, für die selbst Elysium nichts Ber führerisches hatte. Schiller erklärt zwar in seinem„ Lied auf die Freude" den schönen Götterfunken für eine Tochter aus Elysium ; die Griechen waren anderer Meinung.
Bei Homer trifft der auf seinen Fahrten zur Totenwelt gelangte Odysseus mit dem Schatten des Achilles zusammen und preist den toten Helden glücklich, weil er jetzt im Hades mächtig den Geistern gebiete, drum solle er sich den Tod nicht reuen lassen. Schiller aber antwortet:
Hel lag nicht, wie der griechische Hades, im fernen Westen von der bewohnten Welt, sondern im hohen Norden: unter einer Wurzel der immergrünen Weltesche Yggdrasill , deren Aeste sich hoch über dem ganzen Erdenrund ausbreiten. So ist die germanische Unterwelt ein von der Sonne abgekehrtes faltes Höhlenland beständigen Rebels und führt darum auch den zweiten Namen Niflheim( Nebelwelt). Ein Meer- zuweilen ist auch von einem Grenzfluß Gjöll die Rede. trennt das Totenreich von den Wohnfißen der Lebendigen, und darum mußten die Verstorbenen im allgemeinen Hel zu Schiffe erreichen. Für diesen Zweck existierte dort ein öffentliches Verkehrsmittel in Gestalt des Totenschiffes Naglfar, das aus den Nägeln der Verstorbenen verfertigt war. Wer sich darauf nicht verlassen wollte oder dafür zu nobel war, legte die Leiche auf ein geschmücktes Fahrzeug und ließ es ins Meer hinaustreiben. Verwunderlicherweise werden aber auch Fälle erwähnt, wo Abgeschiedene zu Roß oder zu Wagen ins Jenseits gelangten. Daß der Göttervater Wodan, als er eine verstorbene Prophetin in Hel interviewen will, seinen Besuch zu Roj bewerkstelligt, ist allerdings begreiflich; denn er verfügt über den übernatürlichen, achtfüßigen Nenner Sleipnir, worauf er noch heute als wilder Jäger durch die Lüfte jagt. Thu vermag also auch das zornige Gekmurr des Höllenhundes Garm nicht aufzuhalten, der ihm aus dem Höllenthor mit seiner blutbefleckten Brust entgegenspringt. Dieser grimme Wächter war nicht der einzige Vertreter der Fauna in Hel. Da gab es außerdem den Drachen Nidhöggr, der den Leichen das Blut aussaugt, den schaudererregenden Feuriswolf, und endlich einen rußroten Hahn, der in Hels Saal frähte. Hier, in der von hohen Gittern umschlossenen Halle Eljudnir, augenscheinlich dem allgemeinen Versammlungslokal der Toten, thronte sie selbst, die furchtbare Hel, ein Ungetüm, das der böse Gott Loki geboren hatte. Womit sich im übrigen die Toten die Zeit vertrieben, erfahren wir nicht; aber wahrscheinlich war ihr schattenhaftes Dasein ganz frendlos, wenn es auch so aussieht, als ob in Hel doch wenigstens der geliebte p Met gebraut worden wäre. Nur von den ausgemachten Sündern wissen wir genauer, wie es ihnen ging; in einer besonders abgegrenzten Straffolonie, Niflhel genannt, empfingen sie den Lohn ihrer Thaten:
„ Einen Saal sch' ich ferne der Sonne stehen, Das Thor gegen Norden, am Totenstrand; Dem trieft durch die Fenster in Tropfen der Eiter; Denn Schlangenrücken umschlingen den Raum. Dort treibt er im Osten durch Eiterthale, Mit Schlamm und Schwertern, der Schlingerstrom: Da seh' ich sie waten durch fumpfdicke Wogen,
d. Die Männer, die Meineid und Mord verübt
Und zur Untreu' verleitet des andern Geliebte..."
Singt der Dichter der Völuspa, nach H. v. Wolzogens Uebersetzung.
Das ist ja mun gerade kein verlockender Aufenthaltsort. Ebenso wenig aber ist anzunehmen, daß unsre Vorfahren sich auf das Los des Durchschnittsmenschen im allgemeinen Quartier von Hel besonders sollten gefreut haben. Es muß freilich gesagt werden, daß für Wodans Lieblinge unter den Menschen eine Extrawurst gebraten war in Gestalt der Herrlichkeit von Walhall in himmlischer Höhe. Da schmausen die Einherier( Einzelfämpfer) bei töftlichem Meth vom allerbesten Eberfleische in einem Saale, der also beschrieben wird: Leicht wird diesen Saalraum, wenn er ihn sieht, Wer zu Wodan kommt, erkennen: Die Sparren find Speere, Schilde das Dach, Die Bänke bedecken Brünnen( Panzer)." Wenn die seligen Helden nicht schmausen und zechen, so fie draußen auf Wodans Beſigungen der Uebung
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,, Nicht mir rede vom Tod ein Trostwort, edler Odysseus ! Lieber ja wollt' ich das Feld als Tagelöhner bestellen Einem dürftigen Mann, ohn' Erb' und eigenen Wohlstand, Als die sämtliche Schar der geschwundenen Toten beherrschen." In Virgils Aeneis" steigt Vater Aeneas zu den Schatten hinab und gelangt auch zum Aufenthaltsort derjenigen, die Selbstmord verübt haben, weil ihnen der Tag und das Licht verhaßt war. Num würden sie gerne die drückendste Armut und die schwerste Arbeit erdulden, um zur Oberwelt wieder zurüdzukehren, wenn es nur das unerbittliche Schicksal gestattete.
Derselben Diesseitsfreudigkeit müssen auch die alten Germanen gehuldigt haben. In der Edda findet sich ein Gedicht über den Wert des irdischen Lebens, dessen Anschauungen mit denen jener Stellen bei Homer und Virgil merkwürdig übereinstimmen:
,, Glücklich, wer lebt, sei's auch gar nicht reich: Der Lebende kommt noch zur Kuh"; Auf dem Herde des Reichen war helle Glut, Der Tod aber stand vor der Thüre.... Hinkbein mag reiten, Handlos ist Hirt,
Und Tanbohr taugt doch zum Stampfe, Blindauge lebt noch, Leichnam ist tot.
Und Tote mir nüßen zu nichts mehr."
Daraus spricht nichts von jener trübseligen Vorstellung, die des Menschen Leben hienieden bloß als Mittel zu einem höheren Zweck, als Vorübung für ein erträumtes Jenseits auffäßt. Vermochten auch die alten Germanen in den Bildern von Hel und Walhall noch nicht leere Phantasien zu erkennen, im übrigen dachten sie wie der Faust unfres großen modernen Heiden, den ein schaffendes Leben im Geiste thätiger Menschenliebe schließlich dahin bringt, die zukünftige Well für unbedeutend, gleichgültig, wertlos zu halten:
Nach drüben ist die Aussicht uns verrant, Thor , wer dorthin die Augen blinzelnd richtet, Sich über Wolken seines Gleichen dichtet! Er stehe fest und sehe hier sich um! Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm. Was braucht er in die Ewigkeit zu schweifen? Was er erkennt, läßt sich ergreifen.
Kleines Feuilleton.
A
-rd.
k. Die Praktiken einer englischen Sensations Zeitschrift erfahren durch einen Prozeß, der seit einigen Tagen in London zur Verhandlung kommt, eine interessante Beleuchtung. Der Prozeß ist bon W. George Fitzgerald gegen George Newnes , den Herausgeber kämpfen der Zeitschrift The Wide World Magazine" und" The Traveller" halber langestrengt. 2. G. Fitzgerald war als Redacteur dieser Zeitschrift