-

415

-

ein eigenes Schimmern über das runglige und stopplige rostbraune| Gutes nach aber der Dr. Oertel hätte es auch nicht besser machen Gesicht, und indem seine wasserhellen Augen sich tiefer in die Weite können. Die Finken schlugen, die kleinen Grasmücken rieben sich fast der See versenkten, sagte er einfach, mit einem leisen, träumenden auf, jeder Sprachmeister haspelte eine Bülowsche Rede herunter, und Erschauern: Das ist mein Gottesdienst ein Star saß vor seinem Häuschen und schmeichelte wie ein junger Ehemann, der um den Hausschlüssel bettelt.

Immer, wenn die Herren vom Berliner Pastorengewerbe über die Kirchennot, den schlechten Besuch der Sonntagserbauungen und die verruchte Sündhaftigkeit lustiger Sonntags- Landpartien flagen, denke ich meines Ostseedorfes, in dem ein kleiner Brückenzoll alle Kirchlichkeit zerstörte, und mein alter Bademeister in aller Einfachheit die reine und redliche Frömmigkeit des Naturdienstes verkündete. Was würde aus dem Berliner Kirchenbesuch werden, wenn ihn ein Brüdenzoll hemmte! Und bedarf es wirklich der zu Helmipißen sich erhebenden Steingemäuer, um die kleine Menschenmatur zur Größe und Würde zu steigern? Blickt in das Geäst eines blühenden Apfelbaumes, wenn die Blätter lind herabwehen und die Bienen in Der blau strahlenden Luft surrend um die Kelche schwärmen. Dann dürft Ihr sagen: Das ist mein Gottesdienst!

Mit gutem Grund hassen die Geistlichen in den Sonntags ausflügen der gottlosen Menschheit die überlegene Konkurrenz. Es ist am allerwenigsten eine Neigung des Proletariats, sich an schönen Sonntagen in die Kirchen zu sperren, und sich von den angestellten Dienern des ihm feindseligen Staates erbauliche Worte vortragen zu laffen. Die Glocken flingen weit frommer, wenn sie zu den an märkischen Waldseen fröhlich Gelagerten aus unsichtbaren Fernen ges heimnisvoll herüber hallen.

Wie lange war ich nicht in der Gegend gewesen! Jetzt war es wirklich eine Gegend". Saubere Sandwege, viele der Lauben ge­strichen, blinkende Fensterchen mit Gardinchen, und die Gärtchen selbst im besten Stande. Auf manche Fruchtbäume fonnte man schon nicht mehr hinauflangen. Ganze Beete voll sammtenem Goldlack, filbriger Salvei , Erdbeerblüten, so groß wie ein altes 20- Pfennig­stick, Wermut, den die Budiler so gern haben, riefenblättriger Rha barber, Nelken, unter der Blütenfülle sich neigende Fliederbäumchen, das frische Grün der jungen Erbsen, da und dort hervorkommende Kartoffelstanden, deren Blätter wie Rosetten auf dem Sande lagen. und nichts Menschliches in der Runde.

Vor einer Tischversammlung machte ich halt. Schon wollte ich über fünf Stühle und drei Bänke springen, da schrie mir ein Zaun platat entgegen: Auf Tischen und Stühlen zu turnen ist untersagt." Da hatt' ich den Käs'! Nicht einmal in Kamerun kann man sich mehr frei bewegen! So gudte ich nach der großen Uhr des Dorf­uhrmachers". Sie ging nicht schlecht. Beinahe so gut, wie meine 8wiebel". Und die hat's doch seit siebzig Jahren in der Uebung. Da kam der Wirt. Setzte sich. That einen Blick von unten herauf: Was soll die Leich' fosten?" Jch bestellte eine große Weiße. Der erste Bug schien ihm zu gefallen. Sofort pfiff er auf zwei Fingern wie ein Sautreiber. Kam ein rotes Tierchen mit einer buschigen Rute hinter der Restau ration" hervor. " Jesses, ein Eichkabel!" schrie ich. Wo haben Sie denn das

Je schlechter aber der Berliner Erbauungsbetrieb geht, um so eifriger ahmt man das Verfahren gevisser Geschäftsleute nach, die ihrem immerlich haltlosen Unternehmen dadurch eine Schein- Bedeutung zu geben suchen, daß sie immer nene Filialen eröffnen. Je leerer die Kirchen werden, um so mehr baut man, die ihren Stachel in den her?" Himmel bohren. Schon ästhetisch verraten all diese frommen," Ist schon ein richtiger der", die Kay!... Ja, zugelaufen ist fünstlerischen Neugründungen, daß sie nicht aus innerlicher Religiosität er mir!" erwachsen find. Sie sind fabrikmäßig hergestellt, wie die Denkmäler des ersten Wilhelm und die Gruppen der Siegesallee . Das Volk aber freut sich draußen seiner kurzen Sonntagsfreiheit!

-

Nachdem die tropische Kirchenbauerei Bülow würde von Kaninchen reden nichts genügt, um die Besuchsnot zu heben, be­ginnt jetzt die Geistlichkeit zum Angriff überzugehen, um dem un Lauteren Wettbewerb der freien Natur zu trogen. Wie wäre es, wenn man den fündhaften Kindern der Welt den Aufenthalt außer halb der Kirche verleidete und unmöglich machte! Zunächst fordert man die Schließung der Wirtschschaften, in denen Satan selbst zu Selterswasser oder gar zu Weißbier und Nordlicht verführt. Das ist natürlich nur ein erster, Anfang. Man wird weiter hin den Eisenbahnverkehr während der Kirchenzeit verbieten müssen, und auch das Radelu, das leider immer von der Kirche fort führt, untersagen. Kurz, eine Generalaussperrung aller Verkehrsmittel wird zur unerläßlichen Notwendigkeit. Wer während der Kirchzeit unter einem Baume liegend betroffen wird, berfällt sofortiger Verhaftung und wird zu mindestens sechs Monaten Sonntagspredigt verurteilt. Wer öffentlich lacht, hat sich mit dem Groben- Infugs- Baragraphen abzufinden. Wer fingt, dem gebührt das Gefängnis. Wer aber gar mit seinem Schatz ertappt wird, so einem blonden, lichtgekleideten, nicht- auf- den- Mund- gefallenen, un mäßig luftigender wird mit Buchthaus bis zu zehn Jahren, Polizei- Aufsicht und Ehrverlust bestraft. Denn heilig soll der Sonn­tag bleiben.

Indessen all das genügt flärlich nicht, um einen regeren Kirchen­befuch zu erzwingen; denn schließlich können ja die Leute tücfisch zu Hause bleiben. Man wird folglich daran denken müssen, den Kirchen besuch selbst anziehender zu gestalten. Ein ungeheures Verdienst hat sich in dieser Hinsicht um die Herren Pastoren unser Freund Stadthagen erworben, als er in der Berliner Stadtverordneten Berfammlung auf den schweren Mangel hinwies, daß in den Kirchen teine Diskussion stattfinde. In der That, man entschließe sich zu dieser Wandlung. Warum soll nicht wirklich nach einer orthodox- protestantischen Predigt ein linksliberaler Theologe ein Korreferat halten, und ein Katholik, Jude, Mohammedaner, Atheist weiteres zur Klärung der gerade behandelten Frage beitragen! Ich bin überzeugt, für einige Zeit wenigstens wird man nicht über schlechten Besuch zu lagen haben.

Nanu?"

V

" Ja, sein früherer Herr ist ein General Synoderich. Weil der unlängst gegen die Schaufwirtschaften so losgewettert hat, ist mein Emmerich von ihm fort..."

Mit dem Mann ließ sich reden. Ich bestellte noch eine Weiße. Sie fant. Da sah ich das Eichlagel an etwas Schwarzem herums lutschen. Das frißt wohl Cigarrenstümpfe?"

"

Nein, lieber Herr. Das Frigle ist ein Anti- Anti- Alkoholiker; es saugt ums Leben gern an Stummeln, die mit Kirschblattbrühe gebeizt wurden." Herr!..."

Nein. Aufregen durfte ich mich nicht. Das ivar entschieden zu früh am Tage.

Hat das Tierchen noch mehr solcher Tugenden?"

Nur eine noch... Nach Johanni tuabbert es von den Tagen ab, damit die Zeitungsschreiber nicht mehr so viel zusammenligen können."

Da stand ich auf und machte ein Gesicht, als hätte ich den Mont Belée im Leibe. Und dann ganz von Oben herab:

"

Sie scheinen ja einen schönen Begriff von einer Zeitungs­redaktion zu haben! Die Politik wird doch in der Nacht gemacht!" Jetzt richtete auch er sich auf. Zwei Stühle fielen um, sein Bauch fam mir immer näher. Und er lächelte. Kinder, wie boshaft kann so ein Lächeln sein! Und er sagte, während er seine fiebenpfündige Hand wie zum Schwur erhob:

Die Sorte fennen mer! Ob Politiker oder Nichtpolitiker is engal. Gelogen wird doch!")

Da darauf ging ich. Da ich meinen Stock auf den Tisch hatte liegen laffen, nahin ich an der Ecke die Fahnenstange der Kolonie mit. Wenn es sein muß. kann sie in meiner Wohnung gegen eine Photographie des Eichkay in Empfang genommen werden.

Mufit.

Girghal.

man

Wie sich aus dem Ueberbrettl eine Pflege Kleiner Stimmungss dramen zu entwickeln scheint, so aus den Lebenden Liedern" eine Pflege fleiner Musikdramen. Das heißt: bisher hat die Nachfolge jener im Vorhinein und Nachhinein verunglückten Lebenden" im Ein andres Aushilfsmittel hat man in Christiania mit Erfolg Trianon- Theater" ein Liederspielhaus" an derselben angewandt. Dort kämpfen die Geistlichen einen schweren Kampf Stätte ( bei Kroll) Vorläufig begnügt angetreten. gegen die Tingeltangel- Lafter. Um mun die Abschreckungstheorie fich mit dem Ausgraben bont Einaftern Offenbachs. möglichst anschaulich zu gestalten, werden in den geistlichen Protest Dieser vielberufene Komponist und Theater- Erfolgmacher bat versammlungen die frechsten Variété- Lieder entrüstet vorgetragen, feinen Travestie- Operetten( Schöne Helena"," Orpheus" usw.) nicht und die unverschämtesten Stellungen der Tänzerinnen und Chanso- nur eine wertvolle Oper( Hoffmanns Erzählungen ") nachfolgen, netten in photographischen Lichtbildern zur Darstellung gebracht. sondern auch eine Anzahl beachtenswerter kleiner Singspiele voran Seitdem werden die ſittlichen Versammlungen gestürmt. Das iſt's: gehen lassen. Von diesen sind mehrere, z. B. Fortunios Lied", Die fromme Tugend schreckt nur dann nicht ab, wenn sie so deutlich gerade in der letzten Zeit zu Berlin mit Erfolg hervorgezogen wie möglich zeigt, wie abschreckend die Sünde sei.-

Kleines Feuilleton.

Joc.

Ein Morgen in der Laubenkolonie. Gestern, so um bier Uhr früh, die Sonne guckte gerade mit dem linken hige über den Horizont, war ich draußen in der Laubenkolonie hinter der X- Straße. Die Hähne schrieen: wie wenn 25 Bauern- Bündler zugleich loslegen. Und ein Cochinchina- Kerl war darunter!... Ich jage feinem gern etwas

worden. Die Fortführung dieser Aktion ist, wenn wirklich nichts neues Derartiges vorliegt, anerkennend zu begrüßen. Nicht wegen der unsagbar altväterischen, mit Verwechselungen, rührenden Erkennungen ufw. arbeitenden Terte, sondern wegen der Musik, die trotz aller simplen Mache, trotz eines beschränkten Hinundhergehens zwischen wenigen Haupttönen doch so viel Gefälligkeit und melodische Ursprünglichkeit und selbst dramatische Kunst im Bau der Ensembles enthält, daß man auch eine fünſtles rische Freude daran haben kann.

Der Eröffnungsabend( Freitag) brachte die drei einaktigen Lieders spiele: Die Baubergeige"," Paimpol und Perinette"," Apotheker und