363

Rudolf Mosse selbst vertrat mit seinen Zeitungsfabrikaten die| Auf den Spuren Scherls läuft abermals Rudolf Mosse nach. Jekt altere Periode des Meinungsgeschäfts, bevor Scherl auf noch nie hat er auch die Demokratie angekauft, die legte bürgerliche Tradition drigerem Grunde sein unendliches Glück fand. Mosses Unternehmungen von 1848 seinem Betrieb eingegliedert. Bald wird niemand mehr arbeiteten noch politisch, sie verkauften Liberalismus, der immer anders denken, schreiben, dichten, tomponieren, malen dürfen, als noch willige und zahlungskräftige Stunden fand. Freilich dieser Scherl und Mosse gestatten. Für diese beiden Generalunternehmer Liberalismus war von Anfang an durch höhere Rücksichten, durch aber giebt es nur ein Regulativ: die Rentabilität. die strengen und soliden Geschäftsprincipien reguliert. Eingeweihte Daneben giebt es dann nur noch jene ernste politische" Presse, erflären die lächerlich schwankende Haltung des Berliner Tageblatts" die thatsächlich aus verkleideten Fach blättern besteht. Von einem durch das Mossesche Naturgesetz:" Entscheidend für die Tendenz der Organ für Papierindustrie weiß jeder, daß es nur die Interessen nächsten Nummer ist die zulegt eingegangene Pofttarte". Das heißt: der Papierfabrikanten vertritt. Fügt man aber einem solchen Organ Moffes einziger Grundsatz ist, der jeweilig legten Stimmung noch politische Leitartikel, Theater und Musik, Lokales, Parlaments seines Publikums gerecht zu werden. Kommt eine Postkarte, die mit berichte, Kunst und Wissenschaft hinzu, so sind die Zuflußquellen der Kündigung des Abonnements droht, wenn das Blatt noch ferner unsichtbar gemacht. Man glaubt ein Instrument für bestimmte socialdemokratisch" für einen Streit eintreten sollte, so Ueberzeugungen vor sich zu haben, und liest doch nur ein Fachblatt wird unweigerlich im nächsten Abendblatt nachgewiesen, daß der zu für Marinelieferanten oder sonstige großindustrielle, feudale, börsens bor sympathisch behandelte Ausstand das Werk gewissenloser Setzer tapitalistische Cliquen, zu deren ständigen Geschäftsunkosten es gehört, und bethörter Arbeiter sei. Immer den letzten Wind auffangen und Beitungen und Zeitungsschreiber auszuhalten, denen die Aufgabe ihn dann wieder in journalistischem Stoffwechsel streichen zu lassen, obliegt, diese Geschäftsunkosten dadurch wieder hereinzubringen, daß das ist das Wesen der an die Abnehmer verkauften Geschäfts- sie durch Umwandlung von Reklame in nationale öffentliche presse. Meinung, von materiellen Interessen in ideale Argumente die Jimmerhin führt dieses Princip der letzten Postkarte nicht nur Unternehmungen ihrer Geldgeber fördern.- Joc. zu tollen Widersprüchen bas merkt niemand sondern auch zu bedenklichen Frrtümern. Auch der Gesinnungswechsel aus Geschäfts­rücksichten ist eine nicht leichte Aufgabe. Man kann da oft die unangenehmsten Ueberraschungen erleben. So ging denn August Scherl noch einen Schritt weiter, er schaltete die Meinungen ganz aus und schwor zu dem Kultus der neuesten Nachricht. Der Ehrgeiz wurde, mit der Schnelligkeit des Nachrichtendienstes die gesamte Konkurrenz zu schlagen. Seit dem hat Rudolf Mosse teine ruhige Minute mehr. In jeder neuen Nummer seines Tageblattes" prüft er zitternd, ob wir auch alles haben, was der Lokal- Anzeiger" bringt. Und genau so verfährt August Scherl . Ihre verschiedenartigen Temperamente äußern fich nur darin, daß Mosse wütend ein Dugend Redakteure hinauswirft, wenn in seinem Blatte eine Neuigkeit fehlt, die der Lokal- Anzeiger" bereits hat, während Scherl in solchen Fällen ein Dugend Redak teure hinzumietet.

"

-

-

" 1

Der genialste Gedanke, der blendendste Witz ist in diesem Preß­betrieb gleichgültig. Wenn nur das Droschkenpferd in dem einen Blatt fünf Minuten früher fällt als anderswo. Dabei ist selbst dieser armselige Ehrgeiz in Berlin noch fleinbürgerlich verschrumpft geblieben. An den englischen und amerikanischen Sensationsblättern gemessen, ist der Lokal- Anzeiger Scherls, rein technisch betrachtet, nicht mehr als das Wurstorgan der letzten Kreisstadt. Er hat gar nichts Räubermäßiges großen Stils an sich, sondern pflegt nur ein philisterhaftes, ängstliches Gelüst, forrumpierend auszuschweifen. Es fehlt ihm die Kraft zur großen Sünde.

Daneben hatte die Sucht der neuesten Nachricht eine weitere Sllaverei zur Folge. Die servile und feige Bourgeoisie Deutschlands hat sich bisher keine wahrhafte Deffentlichkeit erkämpft. Das ge­famte Regierungs- und Verwaltungsgeschäft geschieht hinter ver­schlossenen Thüren. Die Menschheit außerhalb der Bureaukratie erfährt nicht, was man jeweils über sie zu befchließen für gut be­findet. Es giebt keine so schlecht informierte Bresse wie die deutschen bürgerlichen Zeitungen. Entenzucht und Kannegießereien ersetzen den Mangel an wirklichen Nachrichten. Diesen Umstand machen sich nun Regierungen und Behörden zu muze. Sie stellen sich bisweilen so, als gewährten fie Informationen, die in Wahrheit wertlos find. Für derartige Gnadengeschenke aber verkaufen sich die maßgebenden" Organe nun auch der Regierung und den Behörden mit Haut und Haaren. Auf dem Gebiete der auswärtigen Bolitik salbadert fast die gesamte bürgerliche Presse nur, was ihr in den Gesindestuben des Auswärtigen Amts vorgefchwazt wird. So müssen die Unseligen, die ihre Köpfe an die Meinungsfabriken verhandeln, auf jede selbständige Meinung verzichten. Und da die Drgane, die nicht benußt werden, verkümmern, hat der bürgerliche Journalist es nach turzer Zeit nicht mehr nötig, sich eine Meinung abzugewöhnen. Es rebelliert bald nichts mehr in ihm, und viel junger und ernster Jdealismus, der ursprünglich vorhanden gewesen, wird erbarmungs­Los zu Grunde gerichtet.

Nachdem die Zeitungskapitalisten ihre Geschäfte dermaßen Höchst solid auf Inserate, Abonnements und Gesinnungslosigkeit ge­gründet hatten, wurden sie ehrgeizig und beslissen, nun auch etwas für die Fassade ihres Betriebs zu thun. Sie strebten dekorativ. Vielleicht störte es aber auch ihre Ruhe, daß es immer noch Zeitungen und Menschen gab, die einen eigenen Weg zu gehen trachteten. Nun begann jene Aera des geistigen Zechenlegens. Scherl ging voran. Er faufte ringsum die Presse und ihre Schriftsteller an, um sie in seiner Weise still zu legen. Aeußerlich freilich durften sie noch erscheinen und schreiben. Um jedem Geschmack entgegenzukommen, mochten sie auch dem abstrusesten Individualismus frönen, sie durften sich selbst so radikal wie möglich geberden. Dennoch waren sie tot. Niemals hatten sie die Freiheit, jene Grenzlinie zu überschreiten, wo das kapitalistische Intereffe gefährdet ward. Mochten sie selbst anarchistisch rasen, das war am Ende pikant und gänzlich ungefährlich. Wehe aber, wer sich etwa erdreisten würde, socialdemokratisch zu wirken. Die Social­demokratie ist eine Macht, und mit dieser Macht zu pattieren ist schlechterdings unzulässig. Die verhandelten Gehirne, die doch der moralischen Tröftung und Selbsterhaltung bedürfen, pflegen seitdem mit wachsendem Ungestüm auf den unerträglichen Zwang des Partei lebens zu schelten. Man steht stolz über den Parteien, weil man eben unter dem Verleger dienen muß.

Kleines Feuilleton.

an. Das Verhör. Das ist doch Else!" Die alte Dame blieb stehen und lenkte die Blicke ihres Begleiters in das Gewühl der Straße. " Else? Die mit dem großen Batet?"

" Ja doch! Natürlich ist sie das! Else! Else!" Sie winkle. " Laß doch." Der alte Herr hielt ihr den Arm fest. Nachher mußt Du sie anstandshalber zum Besuch einladen. Sie und ihren Herrn Gemahl!" Das letzte betonte er spöttisch. Schließlich liegt uns die ganze noble Familie auf dem Halse.

"

" Es ist unsre Enkelin, Paul. Und ich bin wirklich furchtbar neugierig, wie denn das nun alles gekommen ist, und ob sie nicht schon bereut, von uns gegangen zu sein." Sie winkte von neuem. " Aha, da kommt sie schon!"

Der Mann brummte ärgerlich; seine Gattin sette eine recht freundliche Miene auf: Ach, wie nett, Else! Wir haben uns lange nicht gesehen, liebes Kind." Guten Tag, Großvater. Guten Tag, Großmutter." Die junge Frau sagte es verwundert. Ich sah schon öfter herüber, aber fie stockte.

,, Aber Du dachtest, wir wollen Dich nicht kennen; sag's nur." unterbrach der Alte sie mürrisch." Von dieser probigen Seite kennst Du uns wohl?"

Wir nehmen den lebhaftesten Anteil an Dir, Kind! Das is doch selbstverständlich. Die alte Frau war sehr beleidigt. " Na," Else machte ein ehrlich erstauntes Gesicht, das ist miv wirklich neu. Aber es freut mich wahrhaftig!"

Die Großmutter zog ein wohltvollendes Geficht: Wo willst Du denn mit Deinem Paket da hin? Mein Gott, da nimmt man sich doch eine Droschke oder läßt sich's ins Haus schicken."

Eine flüchtige Röthe überzog das Gesicht der jungen Fraus Das ist kein Einkauf. Ich gehe liefern." Liefern? Was ist das?"

" Ich nähe Mäntel und will diese nun im Geschäft abliefern. Dort drüben, am Hausboigteiplat."

"

Ach? Du arbeitest für Geld?" Die Großmutter raffte das schwarzseidene Kleid, als habe es eben den Schmutz gestreift.

" Wir dachten, Du seiest verheiratet," bemerkte der Alte obenhin. " Bin ich auch. Aber das wißt Ihr doch!"

"

H

Richtig." Die Großmutter legte einen Finger auf den Arm ihres Mannes." Wir waren so sehr dagegen. Du cnffinnst Dich wohl noch." Nein." Er hob mit einer Bewegung den Kopf, als ob ihn der weiße Kragen scheuere. Ich entsinne mich absolut nicht! Jch glaubte nur, eine verheiratete Frau arbeite nicht für andre Leute." Rätselhaft ist es mir auch," meinte milde die Gattin.

Sie

In Elfes Gesicht war ein trobiger, feindseliger Bug gekommen. warf den Alten einen zornigen Blick zu und schwieg. Vis fie am Hausvoigteiplab waren: So. Ich bin da. Adieul" Aber, Kind!" Die Großmutter hielt sie fest. Es war doch nicht böse gemeint. Wir ahnten ja nicht, daß Du Dich in solcher Lage befindest. Wo Du bei uns in hochanständigen Verhältnissen groß geworden bist!"

"

4)

" Du willst doch nicht sagen, daß meine jebigen Verhältnisse. Die Großmutter unterbrach sie mit einer verzweifelten Gea berde: Lege nur nicht jedes Wort auf die Goldwage! Nein, nein, ich meine durchaus nichts Böses. Also: wir warten drüben in dem Restaurant auf Dich und plauderr ein wenig."

"

Ich weiß keine interessanten Geschichten."

Gut. Wenn Du denn durchaus an Deinen Großeltern vorbei­laufen willst. Aber Du kommst, nicht wahr, Kind?" Meinetwegen." Else ging.

"

-

Warum läßt Du sie nicht laufen?" Er war ärgerlich. ..Auf Deine Art erfährt man gar nichts!"

-

Als die junge Frau ihre Arbeit abgeliefert hatte amd aus dem Geschäft trat, zögerte sie zunächst. Aber dann meldete sich der Trotz in ihr und sie ging entschlossen in das Restaurant.