jetzt auf dem Remiplcitze wetten und spielen. Das Bewußtsein einer fürchterlichen Gottloüakeit schwoll in ihrem Herzen an: aber sie unterdrückte es sofort. William hatte den Ausdruck von Furcht in ihren Augen bemerkt und sagte: „Das ist meine letzte Chance, weißt Du: auf andre Weise kann ich kein Geld erlangen, und ich will vorerst noch nicht sterben. Ich bin nicht immer so gut zu Dir gewesen, wie ich gerne gewesen wäre, und ich möchte auch gerne noch etwas für den Jungen thun." Es war ihm verboten worden, nach Sonnenuntergang im Freien draußen zu bleiben, aber er in seinem Drang, weitere Nachrichten über die Pferde zu erlangen, war entschlossen, alles und jedes dafür zu thun, und oftmals kam er erst um neun oder zehn Uhr abends nach Hause: und schon während er die kleine Straße heraufgeschritten kam, konnte jEsther von weitem ihn husten Hörem Wenn er dann kam, fiel er fast vor Müdig - Zeit um. aber er ging noch nicht schlafen; aus seinen Taschxn zog er dann erst die Bündel der Sportszeitungen, breitete sie auf dem Tisch unter der Lampe aus und studierte sie, während lEsther daneben saß und zu nähen versuchte. Aber wie oft entfiel das Nähzeug ihren Händen und füllten sich ihre Augen mit Thränen an. Sie nahm sich in acht, daß er diese Thränen nur nicht sähe. Sü wollte ihm nicht auch noch unnützes Leid bereiten. Ter arme Mensch hatte so schon genug zu ertragen! Mitunter las er ihr die Namen der Pferde laut vor und fragte sie, was sie wohl glaube, welcher Nanie ihr so klänge, als ob das Pferd gewinnen würde! Sie aber bat ihn. sie nicht darum zu befragen: und sie hatten noch manchen kleinen Streit über dieses Thema, bis er schließlich einsah, daß es nicht recht von ihm wäre, sie damit zu quälen. Mitunter kamen Stack und Journeyman abends noch herein, und sie diskutierten und unterhielten sich dann über Gewichte und Entfernungen bis lange nach Mitternacht . Auch der alte John kam öfters, und jedesmal, wenn er kam, hatte er von einem neuen Tip gehört. Wie oft drängten sich Esther die Worte auf die Lippen, William solle lieber nach seinem Gutdünken setzen und so rasch ein Ende machen. Sie sah es ihm wohl an, wie sehr diese langen Dis- kussionen ihn ermüdeten, und daß er schließlich doch der Wahr- heit um kein Haar näher war, als vor vierzehn Tagen. (Fortsetzung folgt.). kleines feuilleton. K. Welche europäischen Schriftsteller in Japan gelesen werden. Bei dem tiefgehenden Sinflutz, den die Kultur des Abendlandes auf die Entwicklung des modernen Japan gewonnen hat, ist es interesiant festzustellen, welche europäischen Schriustellcr in Japan am meisten gelesen werden und so ihren Teil zur Ilmbildung der Ideen in dem aufstrebenden Lande beigetragen haben. In„Harpers Weelly" stellt der Japaner Kiichi Kaneko eine Liste dieser meistgelesenen aus- ländischen Bücher auf. Während zunächst nur die chinesische Litteratur verbreitet war, die ja seit den frühesten Anfängen auf das japanische Schrifttum von entscheidendem Einfluß gewesen ist, war die erste europäische Sprache, die in Japan eindrang, das Holländische. Heute wird dagegen Englisch , Französisch und Deutsch auf den höheren Schulen gelehrt. Die englische Litteratur vertritt besonders Profesior Guzo Tsubouchi; er hat Shakespeares.Othello",„Macbeth " und.Kaufmann von Venedig" übersetzt. Am besten bekannt ist von allen englischen Schriftstellern Earlyle: auch Macauly wird diel gelesen. Emerson, Mill, Spencer finden gleichfalls viel Bewunderer. Von Dichtern finden Tennyson , Longsellow. Wordsworth , Byron, Milton viele Leser. Dickens '„David Copperfield" ist schon vor längerer geit teilweise übersetzt worden; jüngst erst Bellamys„Rückblick". „Onkel Toms Hütte " von Beecher-Stone und Henry Georges„Fort- schritt und Armut" werden jetzt übertragen. In Japan gilt heute jemand, der kein Deutsch kann, nicht für gebildet. Der erste, der deutsche Litteratur den Japanern brachte, war Dr. Rintara Mori; er begründete eine Vereinigung japanischer Deutschkenner, die„Shigarami- Gesellschaft". Auf Anregung dieser Gesellschaft entstanden Uebersetzungen von. WertherS Leiden",„Nathan der Weise" und einem Teil des„Faust". Jüngst hat man auch viel von der Philosophie Friedrich Nietzsches gesprochen. Such Ibsen und Björnsen, Jokai und Sienkiewitz werden in manchen Kreisen ge- lesen. Von Tolstojs Werken sind nicht nur die„Anna Karenina ", .Kreutzersonate " und„Herr und Knecht ", sondern auch historische und ethische Schriften wie„Mein Glauben" und„Mein Bekenntnis" übersetzt, Dostojewskis„Raskolnikow" ist vor zehn Jahren durch Roanuchida übertragen worden. Man hört jetzt sogar in Japan von Tschechoff und Gorki. Was die ftauzösifche Litteratur angeht, so ist es Rouffeaus „(lootrat social" gewesen, der zuerst den Japanern Ideen von Bürgerrechten und Freiheiten brachte. DaS Werk bat auf die Regeneration Japans stark gewirkt. Der„Ooutrat social" hat auch hauptsächlich beigetragen zu der Bildung der ersten politischen Partei, zum Entstehen der.Jiyuto". Sonst freilich findet die französische Litteratur nicht allzuviel Anklang in Japan : ein paar Romane von Victor Hugo und Zola, ein paar kurze Geschichten von Maupassant — das ist alles, was übersetzt worden ist. Wie eifrig der Bildungs- drang der heutigen Japaner ist. zeigt auch die Thatsache. daß Japan in der Zahl der Bücherveröffentlichungen Deutschland nahe« kommt.— — Das Telcgraphcnkabcl durch den Großen Occan von San Francisko nach Manila ist nm die letzte Jahreswende glücklich voll- endet worden. Im„Prometheus" finden wir einige nähere Angaben über dasselbe. Das Auslegen des Kabels begann am IS. Dezember 1902 von San Francisko aus, und schon am Weihnachtstage wurde Honolulu auf Oahu (Sandwich-Jnfeln) erreicht. Das 4420 Kilo- meter lange Kabel erreichte eine mittlere Tiefe von 4500 und eine größte Tiefe von 5600 Meter. Es wurde von hier nicht der nähere Weg über die Insel Wake, sondern der über die Midway-Jnseli?,': der geringeren Meerestiefe wegen, gewählt. Das Kabel von Honolulu dorthin ist 2320 Kilometer lang und liegt auf der mittleren Tiefe von 3600 Meter. Von den Midway-Juscln nach Guam , 46S0 Kilometer, liegt das Kabels bis zu der großen Tiefe von nahezu 9000 Meter; die mittlere Tiefe beträgt etwa 4900 Meter. Die Tiefenverhältnisse wechselten auf dieser Strecke oft mit schroffen Nebergängen. Die letzte Strecke von Guam nach Manila ist nur 2760 Kilometer lang, aber auch hier ist die Tiefe �er See noch groß, denn das Kabel ist bis zu 6300 Meter hinabgesunken und auch die mittlere Tiefe beträgt noch 4000 Meter. Das ganze Kabel erreicht die beträchlliche Länge von 14 140 Kilometer. Immerhin sind durch dieses Kabel die Zeit und der Weg für Telegramme gegen früher ganz wesentlich abgekürzt worden. Die Staatsdepeschen gingen früher von Washington über New Dort nach Neuschollland, von dort über die Azoren nach Lissabon , Gibraltar . Malta , Alexandrien , Aden, Bombay und von hier auf dem Land- Wege nach Madras, um dann wieder Nuttels Seekabels über Singapur , Saigon und Hongkong endlich nach Manila zu gelangen. Auf diesem etwa 26 000 Kilometer langen Wege waren 15 Uever- tragungen des Telegramms notwendig. Die neue Verbindung ver- mindert nicht nur die hieraus sich herleitenden Uebelstände, sie be- freit vor allen Dingen die Vereinigten Staaten aus der Abhängigkeit von den englischen Telegraphengescllschasten, an welche die Regierung der Vereinigten Staaten jährlich etwa 400 000 Golddollars (1 760 000 Mark) zu zahlen hatte. Es ist bemerkenswert, daß keine amerikanische Firma dre Herstellung des außergewöhnlich großen Kabels übernehmen konnte, so daß eS an englische Fabriken vergeben werden mußte.~ Litterarisches. e. k. Edward Stilgebauer :„G ö tz Klafft, Die Geschichte einer Jugend." Berlin . Richard Bong.— Das Buch ist seitens der Verlagsfirma mit ellenlangen Annoncen aus den Markt geworfen worden. Wahrscheinlich ahnte der Autor, daß sein Roman von gewisser Seite totgeschwiegen werden würde. Um also diesem System von vornherein wirksam zu begegnen, hatte er sich privattni bei einer Anzahl von Schriftstellern Urteile und Gut- achten eingeholt, die er ohne weiteres publizierte. Komisch ist dabei, daß nun gerade die meisten jener Blätter, die in ihrem geschäftliche» Teil groß und breit die bezahlte Reklame-Annonce aufzeigten, sich im redaktionellen Teil über den Autor entrüsteten. Man kennt diese Moral; für uns handelt es sich lediglich darum, zu untersuchen, ob der Stilgebauersche Roman all des Gezeters wie der Reklame wert gewesen. Der Verfasser hat die löbliche Absicht, mit seinem auf vier Bände berechneten Opus ein.Kulturgemälde" deutscher Zustände aus der Gegenwart zu liefern, etwa in der Art Gustav Freytags, und dies erste Buch stellt gewiffermaßen die Introduktion dazu dar. Wir lernen einen jungen Menschen kennen, der, nachdem er die letzte Klasse eines Frankfurter Gymnasiums durchgemacht hat, als Student der Theologie nach Lausanne geht, dort ein Semester verbringt und dann nach Berlin kommt. Mit der Abreise von Lausanne schließt das Buch. Viel mehr als dies Gerippe läßt sich aus den 416 Druckseiten eigcnt- lich nicht herauslesen. Der Name des Titelhelden deutet indessen an. daß hier eine Art Kraftmeier sein Wesen führen wird. Geräusch- voll ist dies Wesen und noch geräuschvoller der Apparat an Worten, die aufgewendet werden,' dem Leser Götz Krafft als Titanen, als Uebermenschen plausibel zu machen. Er geriert sich denn auch so ganz anders als die andern. Schon auf dem Gynmnsium als Schüler, im Verkehr mit Klassenbrüdern, im häuslichen Umgang. Er ist ein idealer Schwärmer, der Römer- dramen und Gelegenheitspoeme dichtet, und doch zugleich ein Grübler und Denker. Daß ein neunzehnjähriger Pennäler schwärmen könne, glaubt man ihm aufs Wort. Mit dem Selbstdenken haperts aber zumeist, wie die Erfahrung lehrt. Daß Götz Krafft allzuviel Zeit in den Hörsälen der Schweizer Hoch- schule verbringt, läßt sich nicht behaupten. Mehr zieht ihn das Leben an. Aber in seiner persönlichen Weise. Religion, Philosophie, Socialismus, Deutschtümelei, studentischer Couleurunsinn, Klassenkampf und Rassen- haß: all das zieht ihn an, oder stößt ihn ab. Er geht seine eigenen Wege. Nicht mal die Weiber können ihn über- wälttgen. Wohl lag er einige Zeit lang in den Liebesbanden einer waadtländischen Schönen. Aber wie es drauf und dran kommt, da besinnt er sich, daß er ja Götz Krafft sei, steckt alle wirbelnde Leiden- schast in die Tasche— und siegt über sich selbst. Das thut er immer so. Er ist eben ein moralischer Kraktmeier, ein Allesbessernmcher. Wollen sehen, was aus ihm später wird. Mancherlei Entwicklungs-
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21 (19.5.1904) 98
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