MS nach feinem Dorfe ausgeschaut, tote er fetzt an Paska dachte und nach Nuoro blickte, das in grauem Dunste lag. Und so gingen zwei weitere Monate ins Land. Da kam eines Abends zu Melchiors Hütte ein junger Bauer, gut ge- kleidet, hübsch und frisch von Gesicht. Es war einer der Söhne Zia Bisaceias. Sei gegrüßt!" sagte Melchior.Welcher Wind führt denn Dich daher?" Ter andere erwiderte lachend, man beschuldige ihn, Rinder gestohlen zu haben. Und anstatt im Dienst des Königs Wanzen zu fangen, will ich lieber im Freien spazieren." Aber hast Du sie gestohlen, die Rinder?" Ach was!" Tann wäre es besser. Dich zu stellen, bemerkte Zio Pietro. So würde sich die Sache aufklären." Ach, geht doch! Ich will nicht Hungers sterben diesen Winter; da drinn', wißt Ihr. geben sie einem ein Brot und einen Napf Wasser mit Oel und zwei Kartoffelstückchen. Ein einziges Brot den Tag, versteht Ihr? So unterhält der König die, die in seinem Dienste stehen; davon kann ein Christen- mensch doch nicht leben, von einem Brot und ein paar Löffeln Wasser mit Oel ." Und könnte Deine Mutter Dir nicht das Essen schicken?" Eher hängt sie sich auf!Eßt, was Euch der König gibt, weil Ihr in seinen Dienst getreten seid," so spricht die." Damit nahm er einen kleinen ledernen Rucksack ab, griff hinein, holte ein Spiel Karten hervor und schlug eine Partie Landsknecht vor. Keiner kannte das Spiel und überdies konnte Zio Pietro nicht sehen und Melchior hatte keine Lust zu spielen. Basilio nahm dann eine Partie Skopa an. Hast Du Geld?" fragte der junge Bauer. Basilio zuckte lächelnd die Achseln. Auch keine Ziege?" Auch nicht." Dann machen wir es so: ich habe hier ein Huhn," er blickte mit einem Auge in den Rucksack,kein gestohlenes, daß Tu's weißt! Nein, ich habe es von Hause mitgenommen; meine Mutter wird schreien, wenn sie es gewahr wird, aber sie wird niemand anders beschuldigen; denn sie sagt, so lange sie noch Söhne hat, die nicht im Gefängnis sitzen, wird sie nie anderen mißtrauen-, wenn ihr etwas fortkommt... Kurz, wir wollen es so machen; wenn ich verliere, dann steckt Melchior das Huhn auf den Spieß: verlierst Du, so gebe ich Dir sieben Ohrfeigen." Mir ist's recht!" Auf dem Boden sitzend, spielten sie beim Schein des Herd- feuers, und der Sohn Zia Bisaceias lachte wie ein Kind, er- zählte zwischendurch Neuigkeiten aus Nuoro und allerlei schöne Geschichten. Melchior stand unter der Türöffnung und blickte in den aufsteigenden Nebel hinaus. Eine Frage lag ihm auf den Lippen, die er doch nicht aussprechen mochte. Im Grunde ärgerte er sich ja über feine Neugier! Denn nach dem Gelübde, das er getan, und das sein Gemüt so bedrückte, daß er in den letzten Monaten fast mechanisch dahingelebt hatte was konnte und durfte ihm noch an Paska liegen? (Fortsetzung folgt, x IVeue Romane. e. Götz Krafft. Die Geschichte einer Jugend von Edward Stilgebauer . II. Im Strom der Welt. Berlin , Bong. 2. S r m i l d e Hege w alt, Roman von Franz Adam Beyerlein , Berlin . Bita. Ter vorliegende zweite Band des neuesten Verlagsuntcrnehmens von Bong, StilgebauersIm Strom der Welt" ist dem Ort der Handlung nach ein Berliner Roman, der das Leben eines Studenten in der Rcichshauptstadt während eines Jahres schildert. Dieser Student Götz itrafft. der, einer Pfarrcrsamilie entsprossen, ebenfalls den Beruf des Vaters sich widmen will, erfährt Zweifel, er kann sich nicht entschließen wie die anderen Theologen sein künftiges Amt ledig- lich als gute oder wenigstens ausreichende Versorgung aufzufassen; so entschließt er sich denn und widmet sich dem Studium der Literatur, für das er besondere Neigung empfindet. Dieser Götz Krafft steht wohl über dem Durchschnitt dessen, was sich jahraus jahrein auf deutschen Hochschulen einfindet. Ihn plagen Bedenken, Zweifel, wie und ob er sich das Leben so gestalten kann, daß er es einmal mit- gelebt hat als einer, der nicht zwecklos war; er erfährt manches nach- oenkliche am eigenen Leib; er sucht sich jetzt schon, wo er noch fern der Reife ist, zu betätige»; er sammelt Erfahrungen oder vielmehr fie drängen sich ihm apf. , Ein dicker Band schildert uns dies eine Jahr seines Lebens. i Ehemalige Schulgenosicn sieht er flüchtig und zufällig wieder, Trapp, der zum Proletarier herabgesunken, zum Anhänger der Propaganda der Tat, der die Rdostsche Freiheit vertreibt, bis er auch dadurch sein Leben nicht mehr fristen kann, weil ihm die Polizei auf den Fersen ist, dem ein besseres Los einst zu teil werden zu wollen schien. Trapp, dem der Verfasser bedeutende Geistesgaben nachrühmt, wird von der Universität relegiert, als er mit einem russischen Studenten gemein» samc Sache machte, verliert allen Halt und wird endlich Helfershelfer an dem Raubmorde, den ein anderer Anarchist Lovelli an einem Pfandleiher verübt er endet als Selbstmörder. Götz Krafft sieht Rumbler wieder, den man bereits auf der Schule des Falschspiels bezichtigt hat. und der als Gymnasiast mit einem Frauenzimmer Reise nach Paris antrat, wozu er sich das Geld verschaffte, indem er Rechnungen seines Vaters einkassierte, Rumbler auf der Anklagebank wegen gewerbsmäßigen Falschspiels, das ihn ins Gefängnis führt; er trifft einen protestantischen Theologen wieder, Franz Bäcker, der jetzt als Herausgeber eines schmierigen und schamlosen Winkel» blättchcnsDie Peitsche" sich Löb Wolf nennt und ihn mit der bitterste« Feindschaft bedenkt, seit ihn Krafft wegen geistigen Dieb- stahls öffentlich zur Rechenschaft gezogen hat. Alle diese Rdcnschen werden für ein Weilchen vom Strom der Welt getragen, wie auch Krasfts Geliebte, eine Straßendirne, die ihn belügt und trotz aller ihre Lügen festzuhalten weiß, bis sie in ihn zurücksinken und verschwinden. Nur Krafft und die anderen vom Leben besser gestellten bleiben oben, der werktätige Konsistorial Cmnmings, der aber doch für das. worauf es wirklich ankommt. gar kein Verständnis hat, der nach seiner gewiß gut gemeinten und überzeugten Art Not und Elend mildert oder zu mildern sucht und doch ganz und gar nichts davon weiß, daß. wie er es anfängt, seine Spenden nur Tropfen auf einen heißen Stein bedeuten; der ehe» malige Pfarrer Daun , der eine ZeitschriftPflicht herausgibt, die sozial, aber nicht sozialistisch ist. und der bester wie Cummings auf Abhülfe der sozialen Schäden und Mißbräuche hinarbeitet. Er ge» winnt Einblick in die sozialen Verhältniste, indem er als Fabrik- arbeiter in Spindlersfeld eintritt und spricht die Worte:Vllm muß eben die sozialen Schäden von Grund aus kennen, um ihnen durch Wort und Tat beizutommen. Das fehlt eben der seelsorgcri- schen Tätigkeit der Cummings und Genosten." Viclleickit weil Krafft, abgesehen davon, daß er ein soziales Drama schreibt, das am Alexanderplatz -Theatcr durchfällt, tätig nicht hervortritt, vielmehr immer nur von ihm erlebt wird und im Grunde genommen durchaus nicht außergewöhnliche Dinge, weil er hin und her tastet, ohne sich zurccht zu finden, weil er in nichts und nirgends eingreift; vielleicht auch, weil er an und für sich eine nnintcrssante Figur ist. nach der der Roman nur den Namen trägt, läßt das dicke Buch uns ziemlich kalt. Die Erlebniste des Helden berühren unS nicht weiter, er tritt überhaupt zurück: Diese Mini Kubitz ist. ob- wohl sie hundert mal geschildert worden ist, und eine altbekannte literarische Figur ist, intcrestantcr als Krafft, auch die Caranow und die ganze Trapp-Sonja-Jänicke-Episode, die an Dostojeweskis Raskolniko erinnert, worauf Stilgebaucr übrigens selbst ausinerk» sam macht. Außerordentlich breit ist der Roman angelegt, und es besteht ein merkwürdiges Mißverhältnis zwischen dem, was uns er- zählt wird. Man vermißt die richtige Ockonomie; einzelne Teile ließen sich ohne großen Schaden zusammenziehen, diese Weitschweifig» keit stört und trübt uns den Genuß des Gelungenen. Auch Beyerlcins neuem Roman kann man leider nicht nach» rühmen, daß er sich beschränkt und begrenzt, daß er nur schildert, was des Schilderns wert ist und alles andere eben nebenher abtut, er läßt sich gern zu breiten, wenn auch gelungenen Natur- und Land» schaftsschildcrungen verleiten, die den ohnehin nicht kräftigen Gang der Handlung, namentlich im ersten Teil, noch mehr hemmen, aber Similde Hcgewalt gewinnt uns denn doch ein ganz anderes und tieferes Interesse ab als der farblose Götz Krafft. In Beyerleins Roman ist vom Militär diesmal nur ganz neben- sächlich die Rede, was alle die enttäuschen wird, die ein zweites Jena oder Sedan !" erivartet haben; es ist die Geschichte eines Mädchens und einer Frau oder vielmehr die des Mädchen? als Frau und Mutter, eine im Grunde genommen sehr einfache Geschichte, aber psychologisch vertieft und reizvoll wiedergegeben. Similde Hcgewalt ist die Tochter eines Barons, der ein weitgereister Mann, ein geist» reicher Kanseur, ein sogenannter Herzensbrecher und perfekter Fraucnkenner ist und selbst seine heranwachsende Tochter als solche bewundernd betrachtet, ein Mann, von dem seine Frau sagte, er passe nicht in enge Verhältnisse und müßte eigentlich auf einem Throne sitzen, um genügenden Spielraum für seinen Tatendrang zu haben, ein Projcktcnmacher, der für seine Tochter die Welt er» obern möchte, weil er sie nach ferner Art liebt, um dann allerdings auch für sich ein gut Teil der Beute in Anspruch zu nehmen, ein Mann, der seine Tochter gerne als eine zweite Maintenon sehen möchte und zu seinem Verdruß sich überzeugt, daß er nicht mehr in dem achtzehnten Jahrhundert lebt, wo die Dubarrys, Pompadours, Maintenons eben nicht sehr selten waren. Die Mutter Simildens ist eine tüchtige Gelehrtin gewesen. Aerztin, die in Zürich ein Asyl für uneheliche Kinder gegründet hat. eine ebenso gewandte Welt- dame wie hingebende Arbeiterin mn Wohl der gedrückten Menschheit ist, die trotzdem aber die Sehnsucht hat, selbst Mutter zu sein. Zuweilen beneide ich sogar die. die scheu und von einer vermeint» liehen Schuld beladen bei uns um Einlaß bitten," sagt sie zu ihren künftigen Mann.