— 200—erlaubt wurde, die Paläste des Zaren zu besichtigen, entwirft ineiner Zeitung eine begeisterte Schilderung der Pracht, die sich vorseinen Augen ausgetan hat. Selbst wenn man mit der reichstenEinbildungskrast begabt ist— meint er— kann man sich kaumeine Borstellung davon machen, mit welchem Glanz und mit welchemLuxus ein russischer Herrscher umgeben ist. Stühle und Tische aus»nassivem Silber, Thronsessel aus Elfenbein, mit Brillanten undSaphiren überreich verziert, ganze Wände aus Bernstein, Fußbödenaus Perlmutter,— das alles findet man, so märchenhast es auchklingen mag, im Palaste des Zaren. In den geheiligten Mauerndes Kreml in Moskau kann man nicht nur zahlreiche Kronen undZepter bewundern, die von Diamanten strotzen, sondern sogar dieGeschirre der Staatskarossen, die Sättel und Steigbügel sind mitEdelsteinen bedeckt. Dort sieht man hunderte von kostbarenSchwertern, Dolche und andere Waffen, die buchstäblich mit Perlen,Rubinen und Türkisen übersät sind. Seltene Tapeten, wunderbaresPorzellan von Sevres und Japan, herrliche Gemmen aus Asien.unbezahlbare antike Handschristen und mit Juwelen geschmückte Buch-decket— dies sind nur wenige der Gegenstände, die in den zwölfPalästen des Zaren mit arger Verschwendung umhergestreut sind.Wenn der Untergrund, auf dem diese Paläste stehen, nicht all-»nählich begönne, etwas unsicher zu werden, ließe es sich ohne Frageganz behaglich in diesen prächtigen Räumen leben.—Aus dem Pflanzenleben.— Die Ursache der Blütenbildung bei denPflanzen. Daß jede Pflanze befähigt ist, die für ihre Re-produktton erforderlichen Organe hervorzubringen, ist selbstverständlich,denn nur auf diese Weise kann die Art, der sie angehört, auf dieDauer erhalten bleiben. Andererseits aber liegt eS auch auf derHand, daß es irgend eine Ursache geben muß, welche die Pflanzen,nachdem sie eine Zeitlang lediglich Stengel und Laubgebilde er--zeugt haben, dazu veranlaßt, zur Blütenbildung zu schreiten.Der große Pflanzenphysiologe Sachs hat bereits dieseFrage diskuttert lind ist zu dem Resultate gekommen,daß jede Pflanze in ihrem Lebensprozeß gewisse Stoffe er-teugen muß, welche auf ihre Zellen und Gefäße einen Reiz ausüben,er sie veranlaßt, sich zu Blütenorganen zusammenzufügen, währendsie vorher nur die vegetativen Organe erzeugt hatten. AndereBotaniker haben dann versucht, näheres über diesen Reiz zu er-fahren, und man hat eine Reihe von Beobachttmgen zusammen-gestellt, welche in dieser Hinsicht als Fingerzeige dienen können. Soist z. B. von Möbius auf die Bedeutting des Lichtes bei der Blüten-bildung aufmerksam gemacht worden. Noch wichttger aber sindzahlreiche Beobachtungen, welche insgesamt darauf hinweisen, daßdie Pflanzen bei reichlicher Feuchttgkeit Blätter, bei verminderterFenchtigkeitszufuhr aber Blüten erzeugen. Es gehören hierhinnicht nur klimatische und Wittcrungseinflüsse, sondern namentlichauch die Erscheinungen, welche auftreten, wenn man Pflanzen in sehrschwerem Erdboden wachsen läßt oder ihre Wurzeln zurückschneidetoder sonst irgendwie sie an reichlicherer Wasseraufnahme verhindert.Regelmäßig wird dann die Blütenbildung begünstigt.In neuerer Zeit ist nun der ausgezeichnete, in Japan lebendePflanzenphyfiologe Oskar Loew dieser ganzen Frage wieder nach-gegangen, wobei er auch die bekannte außerordentliche Reichlichkeitder Kirschblüte in Japan mit in Betracht gezogen hat. DieseKirschblüte ist weltberühmt, und die Japaner selbst haben siezum Gegenstand zahlreicher Abbildungen gemacht, welche manfür übertrieben halten könnte, wenn man nicht die außer-ordentliche Naturtreue, mit der die Japaner zu zeichnenpflegen, zur Genüge kennte und auch von vielen Reisenden die Be-stätigung dafür hätte, daß die Kirschblüte, wie sie namentlich in derUmgegend von Kyoto sich einstellt, etwas ganz außerordentliches ist.Trotz dieser Reichlichkeit ihres Blühens bringen aber die japanischenKirschbäume keine Früchte hervor, weil infolge eigentümlicher klima-tischer Verhältnisse die gebildeten Kirschen noch in ganz unreifemZustande von den Bäumen abfallen. Loew hat nun festgestellt, daßdie Nährstoffe, welche der Baum produziert, um die Reife der Früchteherbeizuführen, von den Pflanzen, welche nach dem Abfall der un-reifen Kirschen keine Verwendung für diese Nährstoffe mehr haben,in Form von Stärke in der Rinde aufgespeichert werden. DieseStärke verwandelt sich dann im kommenden Frühjahr in Zucker,der nunmehr in ungewöhnlich reichem Maße in den Säften desBaumes_ vorhanden ist. Dies führt dazu, anzunehmen, daß esZucker ist, welcher den Reiz ausübt, der zur Blütenbildung führt.In der Tat hat Loew nach Aufstellung dieser Hypothese gefunden,daß all die eigenartigen Erscheinungen bei der Blütenbildung derPflanzen sich auf einen vermehrten Zuckergehalt der Säfte zurück-führen lassen und sich durch einen solchen ungezwungen erklären.Insbesondere ist dies auch der Fall bei der oben besprochenen, inWermindenmg der Feuchtigkeitsaufuahme bestehenden Uriache fürdas Blühen der Pflanzen; denn selbstverständlich wird, sobald dieFeuchtigkeitsaufnahme vermindert wird, auch die Konzentratton desZellsaftes und damit sein relativer Zuckergehalt erhöht.Die geistvolle, hier in Kürze wiedergegebene Hypothese erscheintnoch um so plausibler, wenn man sich daran erinnert, daß Zuckerüberhaupt einen Reiz auf das Protoplasma ausübt. Es ist dies auchvci tierischen Geweben vielfach festgestellt worden. Unter anderemberuht darauf die bekannte Tatsache, daß sogenannte Transparent-seifen, welche häufig mit einem starken Zusatz von Melasse hergestelltwerden, leicht einen irritterenden Einfluß auf die Haut von Frauenund Kindern ausüben, indem der Zucker auf osmottschem Wege indas Innere der Zellen eindringt und daselbst die protoplasmattschenLebensstoffe beeinflußt.—(»Prometheus".)Astronomisches.— Die Photographie im Dienste der Spektralan a l y s e. Die Sternphotographie und ihre Anwendung auf dieSpettroskopie hat sich von größter Bedeutung für die Himmels-forschung, besonders für die unsichtbare Strahlung erwiesen. MitHülfe der Abneyschen Platten(Kollodiumhäutchen) lassen sich diejenseits des Violctts liegenden Teile des Spektrums oder auch dieweniger brechbaren jenseits des Rots liegenden Strahlen Photo-graphieren. Die Spettrographie(die Photographie des spektro-skopischen Farbenbandes eines Sternes) ist ein ganz neuer, aberäußerst wichtiger Zweig der Himmelssorschimg geworden, und ihrverdanken wir auch den berühmten„Draperschen Katalog", ein Ver-zeichnis, das von E. C. Pickering im Jahre 1890 herausgegebenwurde und 19 009 Sternsprettra enthält. Diese großartige vonH. Draper in New Jork angeregte und von Pickering dann geleiteteDurchmusterung des Fixstern-Himmels wird, wie der„TäglichenRundschau" geschrieben wird, noch immer fleißig fortgesetzt. Von»Harvard-Collegc, an dem Pickering tätig ist, wurde eigens für dieDurchmusterung des südlichen Himmels eine Zweigstelle in Arequipa(Peru) eingerichtet. Alle dort aufgenommenen photographischenPlatten wandern nach dem Harvard-College. Dort befinden sichTausende von Bildern in den feuersicheren Gewölben der Sternwarte.und sie bilden eine großartige Sternaufnahme, von denen einzelneStücke doppelt vorhanden sind. Ein Teil der Platten nämlich zeigtnur feine Pünktchen; es sind dies die Sterne, der andere Teil derPlatten aber läßt nur schmale Striche erkennen, nämlich die mikro-skcPisch kleinen photographierten Farbenbänder jener Stern-Licht-Pünktchen. Und diese Pünktchen und Striche auf den phtographischenPlatten werden genau geprüft und mit einer außerordentlich feinenRepsoldschen Vorrichtung ausgemessen. Im Harvard-College und inder Sternwarte zu Paris verrichten diese Arbeit nur Frauen. Aufder erstgenannten Sternwarte haben sich dadurch zwei Frauen einenNamen gemacht, nämlich Fräulein Lcland, die in einer die Geduldwirklich auf die Probe stellenden Weise gegen 40 000 Sterne aus-gemessen hat, und Frau Fleming, die auf diese prüfende Weise inden letzten Jahren mehrere„Neue" und Doppelsterne entdeckte. Erstin letzter Zeit fand Frau Fleming bei Prüfung von Harvard-Aufnahmen wieder einige Sterne mit außergewöhnlichen Farben.bändern, nämlich fünf neue veränderliche Sterne und einen SternS. bis 6. Größe im Sternbilde des„Cepheus". dessen Spektrum sehrseltene Wasserstofflinien zeigt, die im irdischen Wasserstoffspektrumbisher nicht zu erkennen waren.—Notizen.c. Amerikanische Bücherproduktion. Nach den Auf-stellungen des„Publishers Cirkular" war die Zahl der in den Ver-einigten Staaten veröffentlichten Bücher im Jahre 1004 um420 Nummern größer als im Jahre vorher. Die Dichttmg nimmtdie größte Ziffer für sich in Anspruch, eine noch größere als im Vor-jähre. Theologie und Religion kommen in einem weiten Abstandan zweiter Stelle; dann kommen„literarische Arbeiten und Gesamt-ausgaben" und dann„Pädagogik'.„Philosophie" steht zu unterstauf der Liste, und„Humoristisches" steht gerade darüber. Es istbemerkenswert, daß von den 1800 Romanen, die veröffentlichtwurden. 1262 von amerikanischen Autoren verfaßt sind, währendnur ein Drittel von englischen und anderen fremden Autoren ge-schrieben sind. Die Vereinigten Staaten stehen übrigens in ihrerBücherproduktion weit zurück gegen Frankreich, obgleich ihre Be-völkerung fast doppelt so groß ist wie die Frankreichs. Frankreichpublizierte 1004 12 139 Bücher, die Vereinigten Staaten nur 8291.—— Tolstoj hat drei neue erzählende Dichtungen bollendet:„Madselli Murat", eine Novelle aus dem kaukasischen Leben, diekleine Erzählung„Nach dem Ball" und die Novelle„Menschlichesund Göttliches". Die Arbeiten sollen erst nach dem Tode desDichters veröffentlicht werden.—— Die Geldgeber des Deutschen Theaters haben, umdie Fortführung des Unternehmens zu ermöglichen, 200 000 M. zu-geschossen.— �—„Die Pantomime vom braven Mann", einMimodrama von Hermann Bahr. Musik von Fritz Ritter.geht am 14. März im Hoftheater zu Dessau zum erstenmal ,nSzene.—_— Eduard v. KeyserlingkS Zweiakter„BeniguensErlebnis hatte bei der Uraufführung im MünchenerSchauspielhause Erfolg.—— Hauptmanns„El-ga" wurde im„Dramattschen Theater"in Petersburg abgelehnt.—— Die Altdorfer Tellspiel-Gesellschaft hat rmvergangenen Jahre einen Reinüberschuß von 13 000 M. erzielt. Manwill ein festes Schauspielhaus errichten.—— Felix Weingartner bleibt nach dem„B. T." Letterder Sinfonie-Konzerte der Berliner Hofkapelle.—Die nächste Nummer des Unterhaltungsblattes erscheint amSonntag, den 12. März.___sverantwortl. Redakteur: Paul Büttner, Berlin.— Druck und Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.VerlagSanstaltPaul Singer LcTo..BerlinL\V.