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and Gestalt deutlicher Wirklichkeiten bekommen hatten, davongehuscht waren, eine ganze Schar böser Eindrücke aus dunklen Winkeln hervorkrochen.
Seine Frau trat ins Zimmer mit noch trägeren Bewegungen als sonst, schraubte die Lampe ein wenig niedriger und setzte sich ihm dann gegenüber.
„ Das ist doch gar keine Art, so ohne gesegnete Mahlzeit Savonzurennen," sagte sie ruhig.
„ Entschuldige.
Er lächelte und schlug einen scherzenden Ton an, aber die Angst schaute verräterisch aus seinem Gesicht, während er Sprach:
„ Schau, Herz, ich bin doch wirklich nicht der Phantast, für
den Du mich hältst. Ich weiß so gut wie Du, daß man im Leben paktieren muß. Daß es sinnlos ist, jedem mit der Wahrheit ins Gesicht zu fahren. Es kommt mir doch wahr haftig auf eine Notlüge nicht an. Aber in diesem Falle ist es doch nicht so, als wenn ich heute zufällig einen Faurpas gemacht hätte. Sondern es mußte einfach so tommen. Und wenn es nicht an mich herangetreten wäre, so hätte ich hingehen müssen, um Klarheit zu schaffen. Denn da, worin ich lebe, was mich einfach zu dem macht, der ich bin, da kann ich auf die Dauer doch nicht lügen. Das hieße einfach meine Ehre vernichten und mich selbst auch. Das mußt Du doch
einsehen!"
Sie blidte ihn noch einen Augenblick an, wie er bang an ihren Lippen hing, dann zog sie müde und gleichgültig die Stirn hoch und erwiderte in einem durchaus nicht erregten, sondern wie selbstverständlichen Tone:
" Das alles klingt ja ganz schön. Aber schließlich sind das doch nur Phrasen. Aber ich und Deine Kinder, wir sind feine Phrasen. Und für uns hast Du mal in erster Linie zu forgen."
Hab ich das nicht getan?"
" Nein. Immerfort hieß es:" Ich! Ich! Ich! Meine Ideen! Meine Weltanschauung! Meine Ehre!" Wie wir dabei wegkamen, das war Dir höchst gleichgültig." " Tas ist nicht wahr." doch!"
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Die schwärzeste Ungerechtigkeit ist das!" " Durchaus nicht. Ich sage nur ganz einfach, wie die Dinge liegen. Gewiß gehungert haben wir noch nicht. Das fehlte auch gerade noch! Aber wie leben wir denn eigent lich? Du merkst das freilich nicht, was es heißt, sich einschränken und mit hundertfünfzig Mark Wirtschaftsgeld austommen. Dir ist ja auch höchst gleichgültig, was Du auf dem Leibe frägst. Mir aber nicht. Ich will min endlich auch mal anfangen und was vom Leben haben. Als wir verlobt waren, hast Du immer renommiert, in zwei Jahren wärst Du Professor. Aber nun sind fünf Jahre vergangen, und Du bist noch immer Privatdozent und auf das Stipendium angewiesen. Und Wilhelmi, der damals um mich anhielt, ist jetzt Bauinspektor. Und die anderen Männer von meinen Freundinnen haben auch alle ihr festes Einkommen. Nur wir nicht."
Er hatte ihre Hand ergriffen und wies auf das Bild der Santa Barbara an der Wand, das jetzt im Dunkel, dem leiblichen Auge kaum erkennbar, doch so stark vor seinem geistigen stand.
Frau Grabaus aber machte unwillig ihre Hand los. „ Ach, das ist doch langweilig, dies ewige Vergleichen! Was geht das Bild mich an? Das bin doch ich nicht." Und doch habe ich dies Bild geliebt!" „ Aber mich hast Du geheiratet." ( Fortsetzung folgt.)
Der Dichter des ,, Don Quixote ".
eine unverwüstliche Lebensdauer beschieden sein sollte: der„ Don Vor dreihundert Jahren erschien in Spanien das Buch, dem Quigote". Es erging ihm nicht so, wie es sonst wohl einem Werk von hervorragender Bedeutung geht, daß es sich erst langsam seinen Weg erfämpfen muß, womöglich gänzlich unbekannt bleibt, bis der Verfasser erst durch seinen Tod das, was er schuf, zum Leben erwedt. Es erlebte sofort nach seinem Erscheinen viele Auflagen.
In diesem Wert erhob sich die spanische Erzählerkunst mit einem Male zu einer Reife und Höhe, wie sie in ganz Europa unerhört spanischen Malerei; und man denkt bei dieser parallelen Erscheinung war. Plößlich geht dieses Gestirn auf. Ebenso erging es der unwillkürlich an das heiße, südländische Klima, das überraschend schnell die Früchte reifen und mit einem Male einen Reichtum des Wachsens aufschießen läßt, wo vorher Dürre war. Lange vor= her mühten sich Italien und Deutschland in einer Reihenfolge von Jahrhunderten um die Ausbildung des malerischen Könnens. Stufe nach Stufe wurde bedächtig erklommen, und ein Meister übernahm Und während in diesen beiden vom anderen, was der errungen. Ländern die Entwickelung beinahe abgefchloffen ist, blüht in Spanien plötzlich die Malerei zu einer beinahe seltsamen Reife und Vollendung auf und schenkt der Welt einen Velasquez .
Die Spanier dieser Blütezeit waren Vollmenschen, umfaßten in gleicher Weise die Höhen und Tiefen der Vorstellungskraft ihrer Zeit. Nehmen wir einen anderen spanischen Maler, Murillo. Bei ihm finden wir auch noch jenes Nebeneinander von Phantasie und Lebenstreue erhalten. Er malt Madonnen und Straßenjungen, beides mit der gleichen Liebe, beides mit der gleichen Wärme und Feinheit. Und indem Cervantes den Jdealismus und den Realis= mus seiner Zeit zu einer unlöslichen Einheit in seinem Hauptwerk verbindet, schuf er den modernen, humoristischen Roman, der späterhin immer wieder Nachahmer fand, aber nie auch nur annähernd erreicht wurde.
Miguel de Cervantes Saavedra ist wahrscheinlich am 9. Oftober 1547 zu Alcala de Zenares geboren. Wegen eines Streites wurde er 1568 ausgewiesen, geht nach Italien und macht 1571 die Seeschlacht bei Lepanto mit, freiwillig, als Gemeiner. Er wird fchtver verwundet. Dennoch zieht er weiter mit, bis vor Tunis und Genua unter der Führung Don Juans d'Austrias . 1575 kehrt er heim. Unterwegs fängt das Schiff ein algerischer Kreuzer auf, bie er bei sich trägt, retten ihn zwar vor dem Tode, bringen ihn er wird gefangen genommen. Empfehlungsschreiben Don Juans, aber zugleich bei den Korsaren in die Verlegenheit eines so großen Ansehens, daß diese ein unmäßiges Lösegeld fordern. Fünf Jahre Konstanze, alles das ist doch nicht Dein Ernst? Das wird er gefangen gehalten. Fünf lange Jahre ist er im Ungewissen fann doch nicht Dein Ernst sein! Was hab ich Dir denn zuleid über sein Schicksal. Er ersinnt die tollfühnsten Pläne und untergetan, daß Du so sprichst?" nimmt die berwegensten Befreiungsversuche. Schließlich will er mit einer Handvoll Gleichgesinnter die ganze Stadt überrumpeln. Endlich erfolgt, 1580, die Auslösung. In der Heimat angekommen, tritt Cervantes in Portugal von neuem in Kriegsdienste. Darauf versucht er sich in der Literatur und schreibt den Schäferroman Galatea", verheiratet sich, arbeitet für das Theater und erhielt endlich einen Boften als Kommissar und Steuereintreiber. Man verdächtigte den Redlichen, und die Regierung belästigt ihn bon nun ab zum Dank für seine treuen Dienste Jahr um Jahr mit VorEr wurde sogar ladungen zu Verhören und Rechtfertigungen. gefangen gesezt. Im Gefängnis beginnt er, an dem„ Don Quixote " zu arbeiten. Wieder freigeworden, schreibt er dann noch die feinen Musternovellen", die heiteren Zwischenspiele" und eine Reihe anderer Arbeiten. Lange schon tränkelnder litt an der Wassersucht stirbt er am 23. April 1616. So zieht sein Leben vorbei. Viel Freude erlebte er nicht. Er opferte fich auf und erntete Undant. Es ist bezeugt, daß er edel und warmherzig für alle eintrat, die irgendwie zu kurz gekommen. Wäre das auch nicht der Fall, es wäre aus seinem Werk heraus zulesen. Jede Seite erzählt von seinem großen Verstehen der Lebenszusammenhänge, von seinem tiefen und feinen Erfassen der menschlichen Seele.
Ach, warum sollst Du mir was zuleid getan haben, wenn ich Dir die Wahrheit sage?" fuhr sie mit dieser trägen, etwas weinerlichen, unerbittlichen Stimme fort. Ich will eben auch mal Klarheit schaffen, wie Du Dich ausdrückst. Fünf Jahre habe ich mir blauen Dunst vormachen lassen. Aber nun hat das ein Ende, Und Du mußt. Dich auch mal drauf befinnen, wofür Du denn eigentlich auf der Welt bist, und sehen, daß Du endlich was Festes bekommst. Denn Deine Bücher bringen doch auch nichts ein. Die liest ja doch kein Mensch."
lind wie hast Du davon gesprochen, als wir noch verlobt
waren!"
,, Na ja, da habe ich eben geduldig zugehört, wenn Du mir stundenlang vorlast. Das war auch langweilig genug. Und begriffen hab ich nichts davon, will ich Dir nur gestehen. ' ne Frau kann das überhaupt nicht begreifen. Aber so seid ihr Philosophen ja: man braucht bloß sagen, großartig, dann denkt ihr, man hätte das tiefste Verständnis.
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Ihm standen Tränen in den Augen. Seine Lippen zuckten, Im Jahre 1605 erschien der„ Don Quixote ". 1615 fam der und er machte krampfhafte Anstrengungen, um nicht laut auf- aweite Teil heraus, da 1614 ein pfeudonymer Schriftsteller ihm zuschluchzen. mit der Veröffentlichung einer Fortsetzung zuborgekommen war. Dieser zweite Teil ist philosophischer, abgeklärter, nicht so lebenstroßend.
" Konstanze! Konstanze! Du trittst Dich ja selbst mit Füßen. Besinn Dich doch, wer. Du bist. Beschimpf Dich doch nicht! Sieh Dein Bild an, Konstanze!"