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Wie alle munteren Kopenhagener Schlächterfamilien feine Anficht zu hören verlangte, gab er ausweichende Antworten fuhren sie am Sonntag in ihrem eigenen kleinen Ponywagen und hielt sich geschickt außer Schußweite.

in den Wald, und gerade bei einer solchen Gelegenheit hatte bejagter Hühnerhändler sie auf dem Tiergartenhügel ge­troffen und in einem der Zelte ein paar Glas Bier mit ihnen getrunken.

Denn wie die Küsterfrau seufzend sagte Beel war eine ganz verworfene Person geworden, von derselben Art wie die Mutter, die nur an die Güter dieser Welt dachte.

Gewöhnlich endigten diese Scharmüßel mit einem tiefen Seufzer des Papa und den refignierten Worten der Mama:

" Ich sehe nicht ein, Adrienne, warum ich mich so ereifere.

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Kehre Dich nicht an meine Ansicht und tue was Dir beliebt! Dut hast's ja immer so gemacht! Ich wollte nur Dein Bestes, als ich Dir meine Meinung sagte. Ich habe meine Pflicht getan; jetzt- Und mit einer tragischen Handbewegung deutete sie an, daß die Frage sie nicht weiter interessierte.

Als der Hühnerhändler gemeint hatte, fie müsse doch der Trotz ihrer Häufigkeit hatten die Meinungsverschiedenheiten Vorsehung sehr dankbar sein, weil es ihr so gut gegangen zwischen Adrienne und ihren Eltern niemals ernste Folgen gehabt. war, sollte sie sogar geantwortet haben, daß sie dem lieben an zankte sich jede Woche mindestens einmal und versöhnte sich Gott   nichts schuldig sei". Sie habe, sagte sie, einmal mit ebenso oft. Aber dann trat ein Ereignis ein, das die guten Be­Eilboten nach ihm gejchidt, aber da sei er nicht zu Hause geziehungen zwischen den Marniers und den Blanets beinahe ernstlich gefährdet hätte. wesen, und er habe auch später nicht von sich hören lassen". Dahingegen fei sie ihrer Mutter, ,, der alten Verfon da­heim", wie fie fie genannt habe dankbar für ihre guten Armkräfte, denn auf die habe sie ihr Vertrauen gesett, als alles fie verlassen habe, und die habe sie ja, gottlob, immer bei der Hand".

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Bei diesen Worten habe ihr Mann lachend die Sand gegen das Ohr gedrückt und gesagt, das verhalte fich wirklich so, das könnten seine Kinnbacken bezeugen. Worauf er unter großer Heiterfeit verblümt erzählt hatte, wie ihnt Boel ein­mal eine Maulschelle verabreicht habe, die er nie vergessen würde.

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Auf die Manier haben wir beide unsere Bekanntschaft eingeleitet," hatte er gesagt. ,, Gleich im ersten Augenblick war ich ja freilich recht racerig. Aber dann dachte ich, das ist weiß Gott  ' ne Faust, die zum Wursttrog paẞt, und der Gedanke hat mich sozusagen zu einem besseren Menschen ge­macht. Und ich habe es hinterher nicht zu bereuen gehabt." Doe alles erzählte der Hühnerhändler, und Boel wurde von alle. Seiten aufrichtig bedauert. Im übrigen sprach man nicht lange davon. Man hatte so viel anderes zu denken bekommen. Mit der Eisenbahn war der Gegend neues Leben zugeführt, und gleichzeitig hatte man die geplante Hochschule gebaut, die jetzt der Stolz der Gemeinde war.

Voller und fröhlicher denn je, ja, fast triumphierend schallt der Gesang von hier aus über die großen Wiesen, wo die Nebel Sommer und Winter ihr Zauberspiel treiben und zuweilen Dorf und Feld auslöschen, so daß es ffingt, als ob ein singender Chor von Luftgeistern über ein vernichtetes Land schwebe.

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Nur die Kirche ragt gespensterhaft über dem Nebelmeer auf die Kirche und die lange, weiße Kirchhofsmauer, hinter der die alten Sandinger Bauern liegen und fich in ihrem Grabe herumdrehen.

Die Taufe.

Von E. G. Glück.

( Nachdruck verboten.)

Autorisierte Uebersetzung aus dem Franzöfifchen.

Mit 18 Jahren verheiratet, entpuppte Adrienne Marnier sich sehr bald als ausgezeichnete Hausfrau und tadellose Gattin, aber gleich­zeitig dokumentierte sie auch das gebieterische Verlangen, sich von der liebevollen Autorität ihrer Eltern zu befreien. Ermutigt und unterstützt wurde sie bei diesem löblichen Tun von ihrem Gatten, der während einer reichlich langen Brautzeit genügend Gelegenheit gehabt hatte, Schwiegermutter und Schwiegervater mit ihren sämt­lichen Tugenden und Untugenden von Grund aus fennen zu lernen.

Uebrigens hatten die Planets wahrhaftig fein Recht, sich über die von ihrer Tochter betätigten Unabhängigkeitsgelüfte zu wundern. Schon feit ihrer frühesten Kindheit pflegte Adrienne absolute Herrin ihrer Entschlüsse zu sein, und da diese Entschlüsse in der Regel nicht schlecht waren, so hatte sich mit der Zeit ein unbegrenztes Selbst­vertrauen in ihr entwickelt. Stein Wunder, daß sie die Ansichten dritter Personen geringschäßte, namentlich wenn sie mit ihren eigenen Ansichten in Widerspruch standen. Sie faßte ihre Entschlüsse stets erst nach reiflicher Ueberlegung, aber keine Gewalt der Erde hätte bermocht, fie von einem einmal gefaßten Entschluß abzubringen.

Bevor sie heiratete, beurteilten die Planets den selbstherrlichen Charakter ihrer Tochter mit der denkbar größten Nachsicht. Aber als aus dem Fräulein Planet eine Madame Marnier geworden war, fahen sie ihren Fehler ein. Madame Marnier gestattete sich, eine Meinung über ihre Eltern zu haben, deren Worte und Handlungen zu fritisieren usw. Die Folge davon war, daß jeder Besuch der Planets bei dem jungen Baare zu unerquidlichen Erörterungen und Auseinandersetzungen führte.

Adrienne brachte einen kräftigen Jungen zur Welt und erklärte, daß sie entgegen allem Brauch ihm nicht feine Großeltern zu Paten geben würde. Lange vor ihren Hoffnungen auf Mutterglid hatte sie Herrn und Madame Planet von diesem unabänderlichen Die Planets hatten geseufzt Entschluß in Kenntnis gesetzt. und stumm die Augen zum Himmel erhoben, als wollten sie Die den Himmel als Zeugen folcher Sittenverderbnis aurufen. Roifots, alte Fremide des Hauses, hatten nur nachsichtig gelächelt. Ihrer Ansicht nach war der Entschluß Adriennes nicht ernst zu nehmen. Sie mußten aber doch an den Ernst der Situation glauben, als Adrienne ihnen mitteilte, daß sie ihre Pensionsfreundin Fräulein Arlette Vannière, die bekannte Schauspielerin vom Gymnasetheater, bitten würde, die Patenstelle bei ihrem Söhnchen zu übernehmen.

Diese Wahl erregte allgemeine Empörung. Es war wirklich schon unrecht genug, den Baten und die Patin außerhalb der Familie zu suchen, aber eine Schauspielerin zu bitten, den Neu­geborenen über das Taufbecken zu halten, das hieß der öffentlichen Brauch rittein; denn in dieser Spießbürgergesellschaft vermochte man Meinung den Fehdehandschuh hinwerfen, an einem altehrwürdigen Branch rütteln; denn in dieser Spießzbürgergesellschaft vermochte man sich absolut nicht vorzustellen, daß eine Schauspielerin eine anständige Frau sein könnte.

Mit der Miene einer gefränften Herzogin erklärte Madame Planet, daß sie unter folchen Umständen der Taufe nicht beiwohnen werde. Herr Planet begnügte fich mit einem tiefen Seufzer, nahm aber die Einladung zum Diner an. Er war Feinschmecker und mochte sich das erquiftte Diner, das man anläßlich dieser feierlichen Gelegenheit zweifelsohne geben würde, nicht entgehen lassen.

Madame Noifot versuchte die junge Mutter umzustimmen. Ich versichere Dir, Adrienne, Du wirst Deiner Mama schweren Summer verursachen, wenn Du".

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Schweren Stumumer? Ach nein! Höchstens ein bißchen Aerger. Außerdem tennt Mama meine Absicht schon lange. Sie hat also Zeit gehabt, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen." Es ist doch aber nun einmal Sitte, die Großeltern"

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Gine alberne Sitte! Uebrigens, haben Sie schon darüber nachgedacht, welches die Rolle der Baten ist? Sie sollen an Ihrem Patentinde Elternstelle vertreten, wenn es vorzeitig Waise wird, nicht wahr? Num, da die Großeltern durch Naturgesetz dazu bestimmt sind, vor den Eltern zu sterben, io

Was soll ich Dir darauf antworten, Adrienne? Es ist doch num mal so Brauch! Aber davon ganz abgesehen wozu Deinem Sohn eine Komödiantin als Batin geben?"

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Komödiantin? Kennen Sie Fräulein Vannière? Nein, nicht wahr? Nun, dann lassen Sie sich sagen, daß Fräulein Bannière eine Dame von tadellojem Nufe ist, die

zu

"

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Das habe ich ja noch gar nicht bezweifelt!"

Herr Banneil, der Pate, ist entzückt, eine so reizende Kollegin bekommen! Wenn Mama durchaus schmollen will, mir soll's recht sein. Man wird auf ihre Anwesenheit verzichten, und ich garantiere Ihnen, man wird sich nicht langweilen. 22 Personen zu Tisch fein."

fobiel

Wir werden

Wie? 22 Personen? Aber Dein Speisezimmer kann ja garnicht

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Was trt   das? Wan   rückt eben ein wenig zusammen." Man brauchte nicht zusammenzurüden! Madame Marnier hatte ohne das Schicksal gerechnet, das sich oft darin gefällt, die schönsten Pläne zu zerstören.

Zwei Tage vor der Taufe kam ein Brief vom Paten, der die Herr Banneil, der Marnier's in die größte Bestürzung verfette. Pate, nahm sein Wort zurück. Er hatte sich soeben verlobt und war so unvorsichtig gewesen, seiner Braut mitzuteilen, wen man ihm als Kollegin bei dem feierlichen Att bestimmt hätte. Darob höchste moralische Entrüstung der jungen Dame: Eine Schauspielerin! Entsetzlich! Und Herr Banneil nahm tapfer sein Wort zurück. Nun hat unser Baby feinen Paten", bemerkte Herr Marnier, nachdem die erste Aufregung sich gelegt hatte. " Ich weiß Ersag", erwiderte Adrienne. Wir bitten Deinen Neffen. Er wird entzückt sein, der Kleine!" Hm

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meinetwegen. Aber ich denke, man muß der Patin mitteilen, daß ihr Kavalier noch nicht zehn Jahre alt ist?" ,, Das will ich gleich selbst tun."

Herr André Marnier hörte freundlich lächelnd die spizen Be- Bei Arlette Bannière harrte ihrer eine neue Ueberraschung: merfungen, mit denen Herr und Madame Planet ihre Tochter über- Arlette war noch nicht von ihrer großen Gastspielreise zurüc häuften, und ergözte sich an den stets treffenden Erwiderungen feiner gekommen, und ihre Mutter wußte nicht, wann sie heimkehren Frau. Wenn im Verlaufe einer solchen Diskussion Papa Planet würde.