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einigermaßen anständige Begräbnisfeier zu verzichten. Sie bekam der kleine Stanislovas eine derartigen Schrecken vor hatten nur ein Pferd und einen Wagen für die Frauen und der Kälte, daß er halb verrückt wurde. Jeden Morgen, wenn Kinder, und Jurgis, der in solchen Dingen von rascher Auf- es Zeit für ihn war, nach den Höfen zu gehen, schrie und fassung war, gab den ganzen Sonntag dran, um den Preis jammerte er. Niemand konnte mit ihm etwas anfangen, für Pferd und Wagen zu feilschen, und tat das sogar im denn Schelte machten es nur noch schlimmer es war etwas, Beisein von Zeugen, damit der Mann ihn nicht doch nachher was der Junge einfach nicht besiegen konnte. Zuweilen noch übervorteilen konnte. Fünfundzwanzig Jahre lang fürchteten fie, er würde Krämpfe bekommen. Zuletzt wurde hatten der alte Antanas und sein Sohn in den Wäldern beschlossen, daß er immer mit Jurgis fortgehen und heimzusammen gelebt; es war hart, auf diese Weise zu scheiden, kommen sollte. Und oft, wenn der Schnee zu tief war, trug Aber Jurgis mußte seine ganze Aufmerksamkeit darauf Jurgis das Kind auf den Schultern. Zuweilen mußte Jurgis richten, daß ihn das Begräbnis nicht ruinierte. So fehlte bis spät in die Nacht hinein arbeiten, dann war das Elend ihm die Zeit, sich in seinen Kummer und in seine Erinne groß. Nirgends gab es da einen Play für Stanislovas zum rungen zu versenken. Warten, er tauerte in einer Ecke des Torweges, der zu den Schlachtbänken führt, wenn er etwa einschlief, so konnte er erfrieren. ( Fortsetzung folgt.)
Nun war der furchtbare Winter gekommen. Im Sommer Tämpfen die Bäume in den Wäldern ums Licht, und wenn fie nicht genug bekommen, so sterben sie. Wenn dann die wilden Stürme, Schnee und Hagel hereinbrechen, so werden die trockenen Zweige abgebrochen und auf den Boden geworfen. So war es auch in Backingtown. Der ganze Distrikt bereitete sich auf den Todeskampf vor, und die, für welche die Zeit sich erfüllt hatte, wurden in Scharen niedergeworfen. Das ganze Jahr über hatten fie als Teilchen der großen Bahnradmaschine gedient- nun kam die Zeit, daß die Lücken ausgebessert werden, mußten. Lungenentzündung und Influenza graffierten und ergriffen die Schwachen. Das Ende brach heran für alle Tuberkulofen. Unter Graufen nahte der Winter, eisig, mit schneidenden Winden und SchneeSchauern den schwachen Muskeln, dem verdorbenen Blut als Todesengel. Früher oder später kam der Tag, an dem der Schwache bei der Arbeit zusammenbrach, und er kam ohne Zandern ohne Fragen und Bedauern und brachte neue Aussicht für eine andere Arbeitshand.
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Zu Tausenden waren die neuen Hände da. Alle Tage waren die Tore der Schlachhäuser von hungernden, bettelarmen Menschen belagert. Tatsächlich von Tausenden!- Sie kämpften miteinander um eine Arbeitsstelle. Frost und Schneeschauer hielten sie nicht ab, sie waren immer da; fie tamen zwei Stunden vor Sonnenaufgang eine Stunde, che die Arbeit überhaupt begann. Die Gefichter erfroren ihnen zuweilen oder ihre Hände und Füße; zuweilen erfroren fie ganz, und doch tamen sie. Wohin sollten sie sonst auch gehen? Eines Tages forderte Durham in der Zeitung 200 Männer auf, für ihn Eis zu hacken, und den ganzen Tag über kamen die Heimatlosen und Darbenden der ganzen Stadt durch den Schnee getrottet. Fünfhundert drängten sich in der Nacht in dem Stationshause des ViehhäuserDistrikts. Sie füllten die Räume, schliefen einer in des anderen Schoß oder standen gedrängt in den Gängen bis die Polizei die Türen schloß und die anderen draußen frieren ließ. Am Morgen, vor Tagesanbruch, waren 3000 da, die Polizeireserven mußten antreten, um den Andrang u bändigen. Dann wählten Durhams Aufseher zwanzig der Stärksten aus dem Haufen aus. Die" 200" waren ein- Druckfehler!
( Nachdrud verboten.)
,, Die Nann", ein Volksroman.
Naturalismus auftam, ließ fie fich öfter vernehmen. Und sie paßte Anna Croissant- Rust war längere Zeit ftill. Damals, als der vorzüglich mit all ihren Arbeiten in das Neue hinein. Es war Echtheit in ihnen. Frisches Erfassen, eigene und scharfe Beobachtung, Natürlichkeit der Sprache. Und man spürte, daß sie zu beleben wußte, daß sie nicht im Abtlatsch stecken blieb, daß fie auf Berspektiven ausging. So begrüßte man ihre Stizzen, so trug man von ihnen etwas mit in den Tag, das mehr als ein Bild, das etwas Persongleich auch etwas von dem Stamm, dem diese Arbeiten angehörten, liches von der Dichterin war. Ja diesem Persönlichen aber zueine Herbheit und eine gewisse urwüchsige Härte, die manchmal gar nicht fraulich zu sein schienen. Dabei ist Anna Croissant- Rust , man fanns schon am Namen merken, ein Kind der Hardt, aus dem schönen Dürkheim , wo eigentlich das Leben feinen harten Klang hat, wo ein Einschlag des Französischen einerseits, andererseits der Reichtum des Landstriches eine Weichheit und Molligkeit ereugt haben, bie, wie mir immer schien, einer geistigen Eigenart im Wege waren. Die Hardt ist sonderbarerweise in unserem geistigen Leben ziemlich zurückgetreten. Anna Croissant- Rust lebte dann längere Jahre in Ludwigshafen . Sie sah zu den scharfen Linien ihrer Heimatberge hinüber, fie hatte sie nahe. Aber ich fann mich nicht erinnern, daß diese Nähe zu der engeren Heimat Größerem, wenigstens nicht in einer eigenartigen und speziellen nun in ihr fruchtbar geworden wäre. Wenigstens in nichts Ausprägung. Das eigentliche Bayern , scheint mir, regte sie mehr an. München war ihre literarische Heimat, wie wir fie ganz und gar zu der Gruppe der Münchener der 80er Jahre zählen dürfen. Und wie gefagt, fie schwieg lange. Nun fam Die Nann"( Stutt gart, Deutsche Verlagsanstalt ) von ihr. Sie ist in die tiroler Berge gegangen und hat gefunden, was fie zur Gestaltung anregte und hat hier Gestalten gefunden, in denen sich ihr eigenes literarisches Gepräge charakterisiert. Sie ist gewachsen, sie hat scharfe und deutliche Büge, sie hat ihre Physiognomie ausgebildet. Sie hat einen vorzüglichen Wolf 3 roman geschaffen.
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Als Gustav Freytag fein„ Soll und haben" schrieb, sezte er ein Motto auf das Titelblatt, das einer Forderung Julian Schmidts, des Literarhistorikers und Mitherausgebers der Grenzboten", war, nämlich, daß der Roman den Menschen da suchen müffe, wo er zu finden sei, nämlich bei der Arbeit. Soll und Vier oder fünf Meilen von der Oftfeite entfernt lag saben" sollte ein Bolteroman sein und war es in seiner Art auch. Ser See, über den die scharfen Winde dahinrasten. Manch- Das Motto charakterisierte ihn gleich als solchen. Und er gehörte mal fiel zur Nacht das Thermometer auf zehn oder zwanzig als solcher seiner Zeit an und hatte für sie und die in ihr wurzelnden Grad unter Null, und der Schnee lag in den Straßen bis zum Kreise seinen Realismus, seine Wahrheit und Wirklichkeit, wenn ersten Stodwerk. Die Wege, auf denen unsere Freunde zur wir heutigen auch gleich einer besonderen Einstedung bedürfen, Arbeit gehen mußten, waren ungepflastert und voll tiefer diese Wege zu gehen. Schon die Forderung, daß das Volk bei der Arbeit gefunden werden müsse, mutet uns selbstverständlich an. Löcher und Kuhlen. Wenn es im Sommer start regnete, Bo anders? Die Arbeit muß biel weniger eine Selbstverständlichmußte ein Mann häufig bis zum Rumpf im Wasser waten, feit gewesen sein als heute, wenn eine Forderung für sie nötig war. um ins Haus zu kommen, und jetzt im Winter war es wahr und sie war es eben auch weniger für den Roman! Die Haftig kein Vergnügen, durchzukommen, besonders vor Tages- Forderung war neu, neu wenigstens in dem besonderen Sinne der grauen und nach Einbruch der Nacht. Sie wickelten sich in Arbeit, daß das Geschäftliche, das Geschäftsleben zum vorwiegenden alte Kleider, die sie noch besaßen, aber gegen die furchtbare Inhalt einer Romandichtung gemacht wurde, statt höchstens eine Kälte half fein Einwickeln. Manch einer von den Männern Beziehung, statt einen vagen Hintergrund für die Dichtung und ihre Handlung abzugeben. Wir haben, einmal dadurch, daß wir mußte im Stampf gegen die Schneewehen unterliegen er burch den Naturalismus hindurchgegangen find, andererseits durch legte sich hin und schlief ein. die Entwickelung der wirtschaftlichen Verhältnisse unseres Lebens und die dominierende Stellung, die diese Verhältnisse in unserer Gegenwart sowohl wie auch für die Weiterentwidelung im allgemeinen und die Stellung des Menschen im besonderen gewonnen den Menschen so zeigen, wie er in seinen Verhältnissen steht, wie haben, die alte Forderung erweitert und sagen, der Roman foll er, durch diese Verhältnisse bedingt, im Leben steht. Der Roman soll den Menschen so zeigen, wie er Produkt all seiner Verhältnisse ist, aber auch, und hier ist die Perspektive, wie er auf die Vers hältnisse seiner Umgebung und seines engeren persönlichen Kreises zurüdwirkt. Wir berlangen eine intensive Bewurzelung. des Besonderen in der einzelnen Gestalt, in einzelnen Gestalten, wir berlangen mehr: wir berlangen ein deutliches Herausheben damit das Allgemeine nur um so deutlicher wird. Greife nur das Besondere heraus und stelle das Allgemeine darin dar," forderte Goethe. Darin haben wir einen weiteren Schritt über den bloßen
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Und wenn es schon schlimm für die Männer war- wie viel schlimmer war es für die Frauen und Kinder! Einige von ihnen fuhren hin mit der Bahn, aber wenn man nur 5 Cent in der Stunde verdient, wie der kleine Stanislovas, wendet man nicht so viel an, um zwei Meilen zu fahren. Die Kinder liefen zu den Höfen, große Tücher um die Ohren gewickelt, faum daß man sie in allem Zeuge finden konnte. Trotzdem tamen einige von ihnen jämmerlich um. An einem bitterfalten Morgen im Februar tam der Knabe, der mit Stanislovas an der Schmalzmaschine arbeitete, eine Stunde zu spät und weinte vor Schmerzen. Sie wickelten ihn aus, und die Männer rieben seraz Ohren, diese waren aber schon so steif gefroren, daß sie sofort abfielen. Bei diesem Anblick