Hygienisches.

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Die faure Milch ist von wissenschaftlichen Autoritäten als das gesundeste aller Nahrungsmittel gepriesen worden, weil sie nicht nur nahrhaft ist, sondern auch die Bakterien im Verdauungskanal des Menschen bekämpft. Das Pariser Pasteur- Institut, dessen be­rühmtes Mitglied Professor Metschnitoff diese Studien am meisten gefördert hat, gibt in seinen Annalen Gelegenheit, die Beschaffen­heit und den Wert der verschiedenen Arten von saurer Milch auf wissenschaftlichen Grundlagen fennen zu lernen, wobei besondere Rücksicht auf ausländische Sorten genommen wird. Die Verände­rung der Milch beruht auf gewissen Pilzen, deren Kulturen in der Gelehrtensprache Namen wie Lactobazillin, Biolactyl u. a. führen und dahin wirken, den Milchzucker durch Gärung zu ver­wandeln. Am häufigsten von den besonderen Arten der fauren Milch wird der Kefir genannt, dessen Heimat der Kaukasus ist. Zu seiner Herstellung wird ein Ferment benutzt, das eine weißgelbe, gallertartige Masse darstellt und neben Bilzen ein besonderes Batterium enthält. Der Kefir wird am besten 2 oder 3 Tage, nach­Sem er auf Flaschen gezogen ist, genossen. Er ist dann ein sehr an­genehmes sprigiges Getränk, das nicht ganz 1 v. H. Alfohol und etwa ebensoviel Milchsäure enthält. Das Ferment des Kefirs ist in trodenem Zustande heute schon in vielen Apotheken erhältlich und kann aufs Leichteste zur Selbstherstellung des Getränke benutt werden. Der neuerdings auch mehr und mehr genannte Kumys ist bei den Nomaden von Südrußland heimisch und wird mit Stuten­milch hergestellt. Der Leben, der von den Arabern zubereitet wird, tommt durch ein Ferment zustande, das drei Kleinwesen enthält. Geradezu als ein Jungbrunnen für die Menschheit ist dann neuer­dings der bulgarische Voghurt oder Maya gerühmt worden, der dem Leben ähnlich ist, übrigens jetzt auch in der Türkei vielfach her­gestellt wird. Er hat den Vorzug, nur Spuren von Alkohol, dafür aber noch 8-9 v. H. Milchzucker zu befizen. Nach dem Urteil mancher Hygieniter soll es überhaupt kein besseres Mittel zur Ab­tötung von Batterien im Darm geben, als diese Sorte von Dickmilch Es läßt sich erwarten, daß die Heilkunde und die Gesundheitspflege in noch viel größerem Umfang von diesen Getränken Gebrauch machen werden, wenn ihre verschiedenen Fermente erst allgemein täuflich sein werden.

Aus dem Pflanzenleben. Blütenweiß und Blattgrün Myriaden grüner Myriaden grüner Blättchen, die sich allüberall entfalten, umgeben uns mit dem uns bergleichlichen Schimmer des Frühlings. Aber wir sind der herr­lichen Erscheinung doch so gewohnt, daß wir sie weniger beachten, als das weiße Blütenmeer in Werder . Die Ansammlung von Obstgewächsen, die der Mensch dort auf ödem Sandboden hervor­gezaubert hat, produziert zur Blütezeit einen Knalleffekt der Natur, wie ihn norddeutscher Pfanzenwuchs zum zweiten Male wohl nicht zu bieten vermag. Die Wirkung ist groß genug, um bergeffen zu machen, daß der weiße, rot durchsprenkelte Blütenflor nicht gerade des Menschen wegen da ist, sondern weiter feinen Zwed hat, als schnöde Insekten zum Besuche einzuladen, ihnen Blütenhonig vor­aufeßen und sie als unfreiwillige Verbreiter von Blütenstaub gründ­lich auszunuben Die weißen, zarten Blättchen sind eine borüber gehende Erscheinung"; in wenig Lagen haben die Tierchen vollauf ihre Schuldigkeit getan. Dann fegen Wind und Wetter die Serre lichkeit in den Staub und die unscheinbaren Fruchtknoten gehen ihrer Verwandlung in Kirschen und anderes Obst entgegen. Ungleich länger ist die Dauer der grünen Blätter und noch weit wichtiger ihre Rolle im Leben der Pflanze. Was sich da vor unseren Augen entfaltet und aus berknitterten Fältchen zu glatten Blatt­flächen ausbreitet, das hat stark verkleinert, schon in der vorjährigen Anospe gelegen und sich nur vergrößert. Die intensiv grüne Farbe aber bildet sich erst nach dem Sprengen der Knospenschuppen, denn das Licht ist dazu unentbehrlich. Die zahllosen fleinen grünen Körperchen, Blattgrün oder Chlorophyll genannt, die in ihrer Ge­samtheit unsere Erdoberfläche grün färben, wo sie nicht Wasser oder Wüste ist, bilden vielleicht die großartigste chemische Maschinerie, die es gibt. Die Betriebskraft liefert das Sonnenlicht, die Luft liefert bas zu verarbeitende Material und das Fabrikat besteht in Kohlen­stoffverbindungen. Zu diesem Zavede können die Pflanzen aus der atmosphärischen Luft mur die Kohlensäure gebrauchen. Das Chlorophyll spaltet sie mit Hülfe des Sonnenlichtes in Sauerstoff und Rohlenstoff. Der letztere wird konfisziert, der Sauerstoff aber wieder davongejagt. Wenn man bedenkt, daß in hundert Litern Luft nur etwa ein dreißigstel Liter Sohlensäure enthalten ist, daß ferner die Hälfte des Trockengewichts unserer Pflanzen aus Kohlenstoff bestehen, wie jedes angebrannte Streichholz lehrt, und wenn man schließlich versucht, sich die Unmaffen Kohlenstoffes borzustellen, die ein Wald enthält, dann wird man vor der Leistungsfähigkeit dieser unscheinbaren chemischen Maschinerie den größten Respekt bekommen müffen. Nur im Tageslicht arbeitet das Blattgrün. Was es auf­speichert, wandert des Nachis aus dem Blatte weiter fort, zu anderen flanzenteilen, um mit anderen Produkten der Pflanze gemeinsam am weiteren Aufbau des Pflanzenleibes tätig zu sein. Das find überaus verwickelte Vorgänge, über die zumeist noch ein tiefer Schleier liegt. Wir sehen vorerst nicht viel mehr als die äußeren Einrichtungen, darunter auch die sogenannten Spaltöffnungen, die in Form mikroskopisch fleiner Spältchen die Blattoberflächen in un­glaublich großer Anzahl durchsehen und zwischen Luft und Bellinhalt bie Verbindung herstellen und nach Bedarf ausschließen.

Nur noch furze Zeit, dann hat das Blättermeer seine volle Ausbildung erreicht, um einige Sommermonate hindurch von neuem ungeheure Mengen Kohlenstoff aus unserem Luftreich zu ziehen.

Notizen.

- Jm Kampf für Rußlands Freiheit, die Dent würdigkeiten eines russischen Revolutionärs, die wir im Auszuge unseren Lefern boten, sind in Buchform im Inselverlag( Leipzig ) erschienen. Der Preis beträgt 3 Mart, für das gebundene Exemplar 4 Mart.

- Jbsenphilologie. Ein nachgelassenes Fragment Henrit Ibsens, das in Nom Ende der siebziger Jahre verloren ging, ist wieder aufgefunden worden. Es sind etwa 1200 Verse, die eine epische Bearbeitung des Brand darstellen. Zu Weihnachten wird das Fragment in einem Bande nachgelaffener Schriften heraus­tommen, die deutsche Verseübersetzung unternimmt Ludwig Fulda . -Der Schweizer Bildhauer Alfred Lanz ist in Bern im Alter von 59 Jahren gestorben. Er fing als Graveur an, wurde dann in München und Baris ausgebildet. Die Schweiz verdankt ihm eine Reihe von Denkmälern( Doufur in Genf , Pestalozzi in verdon, Bichofte in Aarau usw.).

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Unternehmeranmaßung und Lehrfreiheit. Der Fachverband für die wirtschaftlichen Interessen des Kunstgewerbes richtete eine Eingabe an die Aeltesten der Kaufmannschaft von Berlin , in der gegen die kunstgewerblichen Vorlesungen des Geh. Regierungsrats Muthesius an der Berliner Handelshochschule protestiert wurde. Herr Muthefius hat den Ehrgeiz, eigene Anregungen zu geben, anstatt den Schlendrian und das bequeme Fortwursteln in den alten Stilarten zu rechtfertigen wozu offenbar nach der Logik des Fach verbandes solche Leute da find. Die Weltesten lehnten die Zumutung, den handwerklicher Indolenz unbequemen Neuerer abzusägen, mit einigem Freimut ab. Herr Muthesius darf also weiterlehren. Wenn der zünftlerische Mittelstand, der ja das kostbarste Kleinod des Deutschen Reiches ist, nicht noch vor der höheren Instanz zu seinem Recht" tommt. Die Hüter des deutschen Kunstgewerbes, die ihre alten Modelle ungestört vor lästiger Konkurrenz weiter verschleißen wollen, haben sich nämlich auch an das preußische Handelsministerium gewendet, damit Herr Muthesius auch seines Postens als Dezernent für die preußischen Baugewerbeschulen enthoben werde.

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Die Operette als Friedensstörerin. Das Bart gefühl der englischen Regierung gegenüber seinem japanischen Ver­bündeten ist bis zu einem Grade entwickelt, da die Lächerlichkeit bereits begonnen hat. Sullivans Operette Der Mikado" darf nicht mehr aufgeführt werden, weil dadurch der japanische Chauvinismus gereizt werden könnte. Selbst Stüde daraus zu spielen, ist den Militärkapellen berboten worden. Der neunte internationale Geographen tongreß wird vom 27. Juli bis 6. August d. J. in Genf ab­gehalten werden.

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Eine berbesserte Organisation des Wetter. Kürzlich fanden im dienstes soll in Angriff genommen werden. Reichsamte des Innern Beratungen der beteiligten Behörden und des Sachverständigenbeirates für den öffentlichen Wetterdienst statt. brud, welche umfangreichen Vorarbeiten nötig sind, um zunächst nur das Bei dem meteorologisch- technischen Teil der Beratungen kam zum Aus­grundlegende Material an Witterungsbeobachtungen herbeizuschaffen, und welcher forgsamen und in fürzester Zeit zu erledigenden Arbeit es sodann bedarf, um darauf Prognosen aufzubauen. Das Material bedarf noch in vieler Hinsicht dringend weiterer Vervollständigung, namentlich muß eine methodische Erforschung der höheren Luftschichten angestrebt werden.

- Der Kinematograph im technischen Hörsaal. Während die Medizin sich bereits seit längerer Zeit des Kinemato graphen als Unterrichts- Hülfsmittel bedient, hat als erster Professor Schlesinger von der Technischen Hochschule in Charlottenburg auf die Verwendung auch im technischen Hörsaal hingewiesen. Gerade die Borführungen von arbeitenden Werkzeugmaschinen stellen an das Vorstellungsvermögen der Hörer große Anforderungen und nicht immer ist es möglich, die Vorgänge zeichnerisch anschaulich zu machen. So find a. B. die Arbeitsvorgänge, fchreibt die Umschau", bei so fomplizierten Maschinen wie der selbsttätigen Revolverdrehbant und der Kegelradfräsmaschine nur sehr schwer dem technisch geschulten Hörer durch Zeichnungen flar zu machen, dem Laien gegenüber ist dies ein Ding der Unmöglichkeit. Nur mit Hülfe des Kinemato­graphen lassen sich die Arbeitsweise, alle Teilbewegungen, das Tempo und die Leistungen der Maschine in Stud pro Stunde scharf ver­folgen. Prof. Dr. Schlesinger führte diese beiden Maschinen in der legten Bezirksvereinsfigung des Vereins deutscher Ingenieure in Charlottenburg vor und bewies damit die Vorzüglichkeit dieses Lehr­mittels, die, wenn auch kostspielig, doch viel zur Popularisierung der Technik beitragen fann. Auch zu leberlieferungen von finema tographischen Darstellungen von Maschinen an die Nachwelt dürften derartige Aufnahmen von fulturhistorischem Werte sein.

Ein Einküchenhaus soll nach dem in Amerika und Dänemark geschaffenen Muster jetzt auch im Westen Berlins errichtet werden. Die Wohnungen sind abgeschlossen wie in anderen Häusern, haben aber eine gemeinsame Zentralfüche, aus der die Bewohner ihre Speisen erhalten.

Berantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin.- Drud u. Berlag: Borwärts Buchdruderei u. Berlagsanstalt Baul Singer& Co., Berlin SW.