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Bruders tretend.

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Du leidest; Du hast Dich auch in der verflossenen Nacht schlecht gefühlt?" sagte Gianni, in das Zimmer feines Nein..." erwiderte Nello, der soeben erwacht war; . nur habe ich, wie mir scheint, ein verteufeltes Fieber gehabt... nebst tollen Träumen." Und er erzählte dem Bruder ein Traumbild, das ihm soeben im Schlaf seine erhitzte Phantasie vorgespiegelt.

nein

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er

Lieren, deffen immer schnellerer Wirbel den Schläfer mit Stellen, die eine höhere Tochter nur in ihren sanftesten Träumen einem unendlichen Gefühl der Mattigkeit und des Leidens er- au erleben wagt. Allerdings wollen wir nicht vergessen, daß er füllte. am Hofe eines amüsanten Erzbischofs lebte, der sein Bistum war Kurfürst von Mainz   bon seiner Maitresse leiten ließ. An diesem in einem evigen Taumel lebenden Hofe war es fein Wunder, daß Heinse   den Satyrifon" des Petronius   übersetzte, ein Sittenbild der römischen Bourgeoisie, das allerdings einen Pavian erröten machen tönnte. Aber die Geschichte belehrt uns, daß Petronius   nur ein faltblütiger Schilderer war, dem es weniger auf die sittliche Reinheit seiner Geschichten als auf deren Wahrheit anfam. Die Zustände im alten Rom   zur Zeit Neros waren eben etwas stark verseucht, und wir haben noch ein Weilchen Zeit, ehe unsere Kultur auf diese Höhe angekommen sein wird. Daß es nicht " Denfe Dir nur, es war mir," hub er an, als fäße ich unmöglich ist, beweist die wunderschöne Schilderung des Gastmahls wieder auf dem Plage im Zirkus, wo wir damals am ersten des Trimalchio in einer billigen Uebersetzung bei Reclam  , leider Abend unserer Ankunft in Paris   saßen.... Du erinnerit fehr gut auf manchen Tiergartenemporkömmling paßt. Doch bearbeitet", die, abgesehen von den zeitlichen Verschiedenheiten, Dich... der Plat links am Stallgange... und es war ganz einse ist nicht vereinzelt. Boß, der unvergeßliche Uebersetzer wunderlich, als ob die ganze Welt in den Zirkus käme und des Homer, hat im Wettbewerb mit dem einen der Grafen Stoll­. und mich so seltsam anfähe, mit ernster Miene und berg, die als edles Brüderpaar durch die Literaturgeschichte finsteren Gesichtern... lauter Leute, von denen man im wandeln, eine Ode gedichtet, deren saftige Ausdrücke von keinem Traum weiß, daß sie einem Uebles antun wollen, und betrunkenen Zuhälter zu übertreffen sind. Ausgerechnet der Graf warte nur noch.. indem all diese wunderlichen Gesellen Stollberg  , für dessen jünglingshafte Reinheit" jeder Literatur­dicht bei mir vorüberzogen, ließen sie mich auf einen Moment geschichtsschreiber entschlossen bürgt. Aber man hatte damals -halb und halb ein Ding sehen, wie eine Art Anschlag- fräftigere Nerven, man hätte den einfach ausgelacht, der irgend zettel... das ich nur undeutlich erkennen konnte, aber das ich ein fräftiges Wort unter die Anmerkungen verstedt, wie es Frau jetzt ganz deutlich vor mir sehe.... eine Art Anschlagzettel, Ausschreitungen wie diese natürlich der schlimmste Unfug sind, Förster- Nietzsche bei den Werken ihres Bruders getan hat. Daß auf dem ich abgebildet war, in einem Kostüm als Clown, der mit dem Sittlichkeitsgefühl getrieben werden kann, leuchtet ein. und, denke Dir nur... mit den Krücken, die Du gestern für Wer nicht schon verdorben ist, kann durch Bücher sicher nicht mich bestellt hast." verdorben werden: und wer so etwas nicht lesen will, hat nur nötig, es nicht anzufassen. Man höre sich doch einmal die Stammtisch unterhaltungen friedlicher Bürger an! Weibergeschichten, von Nadtheiten Hagelnd; Scherze, deren breite Eindeutigkeit nicht au übertreffen ist. Heinrich von Ieist fannte die famosen Gesell­schaften, wo Damen sanft anröten, wenn ein bedenkliches Wort fällt; wo die Herren sich winden, um irgend etwas Menschliches auf ja nur sehr vorsichtige Weise ganz von Ferne anzudeuten. Sein Sinngedicht auf eine Dame bei dem Lesen der Marquise von O...", einer Kleistschen Novelle, die das Schicksal einer Frau behandelt, die in der Ohnmacht vergewaltigt ist, sagt dies sehr klar: Dieser Roman ist nicht für Dich, meine Tochter! In Ohnmacht! Schamlose Bosse! Sie hielt, weiß ich, die Augen nur zu.

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Nello brach kurz ab und sein Bruder stand ein feier­liches, düsteres Bild- erhüttert da, ohne ein Wort zu finden, ihm zu antworten, ( Fortschung folgt.)

Verbotene Bücher.

von O

Mit anderen Worten, die gnädige Frau vermochte an die Ohnmacht zu so günstiger Beit nicht glauben, sie dachte sich in eine ähnliche Lage und meint dann ganz folgerichtig, die Marquise hätte sich nur die Augen zugehalten und die Ohnmacht erheuchelt, um sich nachher herauszureden. Dem Reinen ist alles rein, und dem Schwein fügt der Volksmund mit besonderer Richtigkeit hinzu alles Schwein.

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Man hat dem Dr. Franz Blei   in München  , einem der wenigen, bie zwischen den Kulturen zu vermitteln wissen, ohne die eine oder die andere ungerecht aufzubauschen, einige von ihm herausgegebene Bücher beschlagnahmt. Und obwohl alle Vorsichtsmaßregeln, die das Gesetz gewissen nicht staatlich approbierten Kunstgebieten auf­nötigt, befolgt sind: die Bücher sind beschlagnahmt. Ich blättere in diesen verruchten Drucken, und zunächst fällt auf, daß sie mit vollendeter Kunst auf sehr schönem Papier gedrudt find. Opale" nennt sich die Vierteljahresschrift, deren unzüchtiger Inhalt den Born der Staatsanwaltschaft erregt hat. Wir scheinen nun in Ich vermag auch nicht zu finden, daß die Leute vor hundert einer besonders empfindsamen Zeit zu leben, die ständig in Furcht Jahren sittenloser gewesen sind als jetzt. Und dabei zirkulierten und Zittern um die Sittlichkeit der Menschen besorgt ist. Selbst Bücher, deren Verfasser jett lebenslängliche Versorgung in staat­unfere zünftigen Professoren sind von unglaublicher Zaghaftigkeit. lichen Aufbewahrungshäusern finden würden. Die Gedichte im Ihr Rohrstock macht nicht einmal vor Goethe   Halt, vor dem sie Geschmacke des Grekourt" z. B. enthalten so ungefähr das schlimmste, doch sonst einen gewissen Respekt haben. In der großen Goethe- was ich kenne. Kein Mensch dachte daran, fie zu verbieten. Ausgabe, die alles, was er geschrieben hat, enthalten soll, deren Uebrigens entpuppte sich als ihr Verfasser ein sehr fittenstrenger Herausgeber am liebsten Goethes Abtritt auf drudfähige Makulatur Beamter. Es gibt kein traurigeres Zeichen einer unfreien, an­durchstöbern möchten, fehlen oder sind nur verstümmelt wieder- gefaulten Kultur, wenn das, was wir lesen wollen, uns von einer gegeben eine Anzahl Gedichte, ein Reisetagebuch und ein paar staatlichen Bevormundungsanstalt vorgeschrieben werden muß. sehr schöne Verschen, die zarinervige Damen allerdings nur unter Aber ist es ein Muß? Auf Grund welcher Erfahrungen sollen uns sich vertragen. Da ist eine Ode an Priap   zum Beispiel, an den jetzt Dinge untersagt sein, die vor hundert Jahren selbstverständlich römischen Gartengott, einer Verbildlichung des männlichen Ge- varen? Wenn die Entwickelung der Beaufsichtigung so weiter schlechts. Das Reisetagebuch jetzt bei Julius Bard in Berlin   geht, wie soll das enden? Vor bierhundert Jahren fonnte sich erschienen erzählt ausführlicher und leidenschaftlicher, was die noch ein Tübinger   Universitätsprofessor, der Humanist Heinrich " Venezianischen Epigramme" in dem reinen Stoff klassischer Formen Bebel, gestatten, ein Bändchen Facetien"- das läßt sich bei gebildet enthalten. Und von den so schnöde behandelten Verschen Gott   nicht anders als Schmußereien" wiedergeben zu schreiben, richtet sich ein ganz besonders kräftiges gegen Friedrich Nicolai  , ohne seinem Ansehen zu schaden. Man wußte damals noch nicht, den großen Verkündiger aller Selbstverständlichkeiten, dem die daß der, der einmal Sitte besaß, durch jedes derbe Wort zu einem leidenschaftliche Handlungsart des jungen Werther" wider seine Luftmörder gemacht werden konnte. Aber wie lange wird es asthmatische Körperfülle ging; und das den biederen Nicolai auf dauern, und man wird den Simplizissimus  " Werthers Grab porträtiert, in einer durchaus menschlichen, aber Grimmelshausen, diesen unvergänglich schönen Abenteurer­nicht gerade salonfähigen Haltung, die einen Körperteil entblößt, und Kriegsroman in einer billigen und nicht grob verstümmelten, der in letzter Zeit besonders in militärischen Kreisen zu einer ge- leicht erneuten Schreibweise in Meyers Volksbüchern nicht mehr wissen Beliebtheit gelangt ist. Die Sachen find längst gedruckt und lesen dürfen, weil er einige sehr natürliche Szenen enthält. Oder bekannt: aber die Herausgeber der Sophien- Ausgabe" kennen Rabelais  , dessen wundervoller Gargantua und Pantagrue!" Goethe nur als Kastiaten, dem ein heftiges Wort Leibschmerzen in einer sehr schönen und moralinfreien Uebersehung in Mehers berursacht. Wunder soll es mich nehmen, wie die geplante Klassikerausgaben und neuerdings in verkürzter Form in Langens historisch- kritische" Ausgabe der Werke Wielands werden Verlag allerdings sehr grobe Stellen enthält. Aber sind wir soll, der bekanntlich ein übler Windhund gewesen, mit einer be- denn schon ein so kraftloses Geschlecht, daß uns jedes kräftige Wort sonderen Neigung zur Darstellung sehr schwieriger Lagen. Es gleich umwirft! Gewiß ist z. B. das Kapitel, welches Pantagruels gibt so ziemlich keinen der Scherze, die etwas toll gewordene Versuche, ein brauchbares Papier für den Abtritt zu erfinden, nicht Liebesbedürftigkeit treibt, die der gute Wieland nicht in wunder ganz stubenrein: aber ist es nicht von föstlichem, ganz frischem voll zarten Bersen besungen hat: die Komischen Erzählungen"| Humor? Und das Kapitel, wo der Erzschelm Panurge   eine vor berichten schlimmere Dinge, als die Normalehe des deutschen nehme Dame mit einem Pulver bestreut, dessen Zusammensehung Spießbürgers fie tennt. Und da wir bei den Alivordern sind, die sich allerdings nicht wiedererzählen läßt, so daß alle lüfternen so gern als Beispiel deutscher Klassik gerühmt werden, wollen wir Hunde von Paris   der Erschreckten heulend und bellend nachlaufen. nicht an den fleineren Geistern vorübergehen, die Deutschland   und all das Wunderbare, was ein gesunder und lustiger Herr, damals zur Kultur verhalfen. Heinse, der jegt in der Insel- und ein solcher war der trinklustige Pfarrer von Meudon  , an ausgabe wunderschön erscheint und von dessen Hauptwerken ein spaßigen Anekdoten erzählt und womit er uns seine Menschen billiger Neubrudt angebracht wäre, hat in feinen Romanen so vertraut und angenehm macht, im Gegensatz zu den leblosen

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