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Puppen der Schuldichter. Wird man uns nicht nächstens noch den Don Quichote berbieten, nur weil er Szenen enthält, deren urtomische Drastik guten Haustöchtern erst nach der Ehe aufgehen foll? Welch ein fostbares Kapitel, wo die häßliche Magd zu dem Maultiertreiber ins Bett steigen will und sich zu Sancho Banja, dem kugelrunden Knappen des Ritters Don Quichotte  , beriert und wo aus den Verwickelungen eine allgemeine Prügelei entsteht, die die komischsten Folgen hat! Und was die Behörde nicht besorgt, beranlassen gewisse Verleger. Als ich kürzlich die Reklamsche Aus gabe der Werte Ch. D. Grabbes durchblättere, fand ich, daß ganze Partien fehlen ohne daß der Verlust mit einer Silbe angedeutet war, sinnlos ging es weiter. Aber es wäre heller Blödsinn, unsere Meisterwerke daraufhin zu prüfen, ob sie etwas enthalten, was gewissen Herrschaften, schlimmen Mudern im Deutschen Reich, unangenehm ist: es ist, nochmals sei es gesagt, ein Zeichen, daß irgend etwas nicht in der natürlichen Ordnung ist, wenn sich das Gesez in die Privatsachen des einzelnen, die nur ihn allein berühren, mischt. Soviel soll festgestellt sein, daß wir biele unserer kostbarsten Geistesschäße nicht besigen würden, wenn

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geschrieben, welches nichts als die Büchertitel solcher Schriften enthält, eine ungeheure Anzahl: zu Ehren des deutschen Tempera ments sei's gesagt. Da kann fein Verbot gegen auf. Das vers nünftigste bleibt, den§ 184, von welchem diese Dinge abhängen, mit großer Eile abzuschaffen: zur Beruhigung bedenklicher Ge müter könnte man ja, wie es Dr. Benedikt Friedländer einst vora schlug, um jedes unfittliche" Buch einen roten Umschlag machen mit der fetten Aufschrift: Warnung! Dies Buch ist unfittlich!" Und wer es dann noch kauft, möge es mit sich abmachen und der liebe Gott ihm seine Sünden vergeben. Aber immerhin eröffnen solche Verbote, wie die der Opale, hübsche Fernsichten in die Zu­kunft: und wir wollen zufrieden sein, wenn eine löbliche Behörde nicht irgend eine Kommission einseßt, die unsere gesamte Literatur zenfuriert und fastriert.

Kleines feuilleton.

R. K.

es immer Sittlichkeitswächter von der gleichen Einsichtslosigkeit of figen auf der Mauer und schlenkern mit den Beinen. Wenn sie Kauft Kletteraffen! Die Schloffer von der Fabrik im zweiten

wie heute gegeben hätte.

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so dasigen und das tun, weiß jeder, der sich in der Nachbarschaft auskennt, daß es nachmittag ist und zwar 4 Uhr.

Im Sommer liegt dann gewöhnlich Sonne über dem Hof, an den Fenstern singen bei ihrer Arbeit die Mädchen und wie zur Anta wort pfeifen die Bögel auf den Dächern. Im Winter aber macht um diese Zeit fables Tageslicht der Dämmerung Raum, die Sonne hodt mißmutig hinter Wolfenballen, was ein anständiger Vogel ist, ist längst fortgeflogen und die Mädchen singen solchen Tagen keine Lieder.

Die Dämmerung fommt... Gie fenkt fich hastig herab, als wolle sie die Spuren des Tages verwischen, der seit dem Morgen die Straßen in Nebellumpen durchwanft, häßlich und grau. Im Keller des Hofes, wo Großvater und Enkel fizzen, steigt sie aus den Winkeln auf, schaut sich um und reckt langsam die Glieder. Großvater sieht sie nicht. Er hockt am Ofen, den Kopf in die Hände gestützt, und starrt in die Glut, während der Rauch seiner Pfeife lange Schnüre durch's Bimmer zieht. Nur hin und wieder wirft er einen Blick zum Enkel hinüber, der über den Tisch am Fenster gebüdt, eifrig fleistert und klebt.

Eine ganze Menagerie ist dieser Tisch. Krokodile und Mäuse verschiedener Farbe, Elefanten, die mit dem Rüssel nicken und Affen, die blizschnell hinaufflettern an ihren Schnüren. Es flopft.

Ein leiner Zunge steht vor'm Fenster und drückt das Geficht an die Scheibe, so daß es breit und platt wird und er aussieht wie ein Eskimo. Seine Eltern wohnen im Vorderhaus und er soll eigentlich nicht auf den Hof. Wegen der Bälger", die da wohnen. Aber je ftrenger das Berbot, desto mehr lockt's ihn hin und heute ist er wieder mal ausgefniffen.

Frig blickt auf. Was gibt's?" ,, Gehst Du mit?"

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Der drinnen schüttelt den Kopf.

Nur eine Viertelstunde! Zum Fenster, wo die Bären stehen!" Aber Frig bleibt standhaft. Er wirft einen Blick auf die Arbeit, dann schüttelt er wiederum den Kopf.

Und nun zu den Opalen". Ja, was enthalten sie denn Fürchterliches? Zeichnungen von Aubrey Beardsley  , dem be­gabtesten englischen Zeichner der letzten Jahrzehnte. Freilich sind die Stoffe nicht dem Erbauungsbuch fürs christliche Haus ent­nommen. Gewiß sind die Darstellungen sinnlich: aber ist das Leben benn stubenrein? Ist denn die Sinnlichkeit nicht das einzige Gut, das alle anderen Lebenstätigkeiten mit einem sanften Feuer durch glüht? Und wenn es schon einmal heftiger wird, soll denn alles mit dem Lineal ausgemessen sein! Jst Aristophanes  , der große griechische Komödienschreiber, den Beardsley illustriert, vielleicht ein Dresdener   Gerichtsbeamter gewesen? Ja, waren die Griechen, für die gewisse Deutsche, deren Name in der Schule gelehrt wird, ein so große Schwachheit gehabt haben, daß sie sie als das vorbild­liche Menschengeschlecht hingestellt haben, waren die Griechen viel­leicht prüde und schüchtern? Tas wollen wir doch englischen Gou­vernanten und schweizerischen Pensionaten überlassen und uns mit Herder und Goethe an der Sammlung griechischer Liebesgedichte, emen Teil der sogenannten Griechischen Anthologie" jetzt in billiger und sittlich ganz unabhängiger Auswahl bei Piper in München   erschienen erfreuen. Oder echauffiert man sich an Somoffs Bild: Die Verführung? Nun, der Russe Konstantin Somoff ist ein großer Künstler, und wer will, kann sich durch eine Autorität, wie Professor Bie, den ganz unprofessuralen Heraus­geber der Neuen Rundschau", der soeben ein Buch über Somoff herausgibt, belehren lassen. Aber vielleicht ist der Text anstößig. Ein Teil eines bisher ungedruckten Tagebuches G. T. A. Hoffmanns, das ganz neue Aufschlüsse über den Dichter des Kater Murr" und der Eligiere des Teufels" geben. Das fanns also nicht sein. Aber vielleicht das Schmähgedicht von Christian Reuter, dem Verfasser des unsterblichen Schellmuffsty"( bei Reklam er­schienen!), der trok seines respektablen Alters von 200 Jahren noch sehr frisch zu lesen ist. Nun, meine Herren, das ist vor zwei Jahren bon einem sehr angesehenen Leipziger   Professor herausgegeben worden: warum hat man sich da nicht aufgeregt? Aber sicher, die Gedichte Verlaines find anstößig. Nun, die fragwürdigen Lieb­schaften, die Verlaine befingt und, wie Sie sicher zugeben werden, mit fabelhaftem Talent befingt sind fürzlich in einem sehr ami­santen Prozeß der breiten Oeffentlichkeit mit einer Ausführlich feit erzählt worden, daß Sie den Dr. Blei, hätte er so etwas in den " Opalen" veröffentlicht, unfehlbar bestraft hätten. Und wenn Sie schon Liebesgedichte erlauben, müssen Sie auch anormale Liebes­gedichte erlauben. Es ist doch nicht zu ändern, daß nicht alle Menschen die gleichen Triebe fühlen, und Sokrates bleibt Sofrates, ob er schon errötet wie sein Schüler Platon   berichtet wenn fein Blick auf den wunderschönen Charmides fällt, dessen Gewand. bom Winde gelüftet wird. Und fragen Sie einen Professor von einigen Kenntnissen, wen er für den bedeutendsten französischen  Lyriker der letzten Jahre hält, und wenn der Mann nicht Verlaine  nennt aber er nennt eben Verlaine  . Sogar das Brockhaussche Konversationslegifon. gewiß feine revolutionäre Einrichtung, gibt ihm einen gewissen Rang. Aber die alten deutschen Gedichte, die die Opale" brachten und die Blei nachher in seinem Luft­wäldchen" sammelte, das ja auch beschlagnahmt ist haben Sie verschnupft? Ja, aber warum haben Sie die gelehrten Publi­tationen übersehen, die schon längst ähnliches brachten, für jeden zugänglich, der es lesen wollte. Aber das Aufzählen wird all­mählich langweilig. Die beiden ersten Hefte der Opale" find be­schlagnahmt worden. Befürchtet man, daß sie das Volk verderben verden? Dazu find die Opale" erstens zu kostspielig und zweitens hat das Volk verdauungsfähigere Magen als die zahlungsfähige Bourgeoisie. Will man diese vor dem geistigen Ruin behüten? Die Herrschaften brauchen fie ja nur nicht zu kaufen. Oder die Künstler? Die sind ja sonst von der staatlichen Gemeinschaft ausgeschlossen. Das Verbot bleibt So nobel sind wir nicht. Das foftet einen Bagen Geld. Eine also eine überflüssige und dem Auslande gegenüber blamable Mark Zwei Mark Drei Mark Formel: wer sich die Bücher kaufen will, tauft sie doch, bestenfalls ,, Also gar keinen Baum?" fragt der Kleine traurig. Ja, wie zu erhöhtem Preise. Oder denkt man durch solche Verbote diese denn?" Art der Literatur auszurotten? Auf eine so dumme Idee wird" Wie?" Frizz denkt nach. Großvater sagt: Wenn wir alle los nicht einmal der Schriftführer eines evangelischen Jünglings- werden, die ganzen Elefanten und Affen, so daß kein einziger bleibt, vereins kommen. Ein fleißiger Forscher, Hahn, hat ein tides Buch dann klappts. Dann machen wir Feiertag. Heizen den Ofen und

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Der Kleine steht unschlüssig. Dann verschwindet er plötzlich vom Fenster und im nächsten Augenblick stürmt er herein. " Was machst Du denn?"

Frig ist schon wieder bei der Arbeit.

Sletteraffen", fagt er kurz, indem er einen an der Schnur

befestigt.

Der Kleine tritt heran und wirft zärtliche Blicke auf die Menagerie.

Und alle willst Du verkaufen?"

" Alle", sagt Friz. Und man sieht ihm an, es ist sein Entschluß. Wenn der Weihnachtsmann kommt beginnt der Kleine. Dann unterbricht er sich. Wie ist das wohl mit dem Weihnachts mann?"

Frizz hat keine Zeit. Er hört und sieht nur den Affen. Mama sagt, er kommt nachts. Spät, wenn die Kinder längst schlafen. Und hat einen langen weißen Bart und auf dem Rücken einen Sad mit Geschenken für die guten Kinder. Friz?"

Der Affe ist fertig, fein Schöpfer sieht auf. Man weiß das nicht genau,"" meint er. vater das auch gefagt. Aber dies Jahr sagt er, und einen Weihnachtsmann gebe es nicht und Tiere machen."

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Und alle verkaufen."

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Früher hat Groß­ich sei sechs Jahre, wir müßten selbst

Gewiß," nickt Frizz. Wenn wir sie los werden- Klappt's. Dann wird's Feiertag."

Mit einem Baum?" Frig schüttelt den Stopf.

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