tvußte, wie ihr Gedanke um diese Worte kreiste. Sie war die einzige, der Crocifissa Einblick gestattete in ihre Erscheinungs- Welt und in ihre immer stärker hervortretende Sehnsucht, Ehristi Leiden teilen zu dürfen. Aber ihre Ekstase zu sehen, erlaubte sie auch Diambra Iltcht. Sie hatte die Kraft, sich Gewalt anzutun, wenn andere «lgegen waren. Es war, als schäme sie sich, gesehen zu wer? den. Und als ihr teuerstes Geheimnis bewahrte sie das Glück jenes Tages, da ihre Brust an der linken Seite zu bluten begonnen hatte. Es war wie ein Vorgeschmack der paradiesischen Freude und Seligkeit, dies Geheimnis zu bergen, daß das Blut, wie aus ihres Bräutigams linker Seite geronnen, nun aus ihrer eigenen Brust floß. Konnte er ihr Wohl ein kostbareres Zeichen und Pfand seiner geistigen Ver- feinigung mit ihr schenken? Zu ihrem tiefen Kummer erfuhr Crocifissa, daß die Priorin pach dem Anfall beim Martyriumspiele die Bestimmung ge- troffen hatte, daß eine kleine französische Nonne, Schwester Claire, künftighin bei der Leidenden schlafen solle. Sie empfand das als ein gewaltsames Eindringen in ihr in- timstes Leben. Sie empfand gegen Schwester Claire ein Ge- fühl, das der Eifersucht glich. Es verging eine ganze Woche, ohne daß Claire das Aller- geringste bemerkte. Erst am Abend des Palmsonntags , nach- dem sie zur Ruhe gegangen, bemerkte sie eine sonderbare Un- ruhe in Crocifissas Bett. Sie zündete Licht an, und was sie sah, erfüllte sie mit Entsetzen. Crocifissa kniete auf dem Bette, die Hände über der Brust gekreuzt: das Antlitz erblich und wurde weiß wie das Linnen, während sie Seufzer ausstieß, die sich nur mit Not der beklemmten Brust entrangen: aus den starren, unbeweg- ffichen Augen rannen Tränen über ihre Wangen hinab. Ver- gebens rief Claire sie an, rief entsetzt ihren Namen.. Es kam keine Antwort, nur ein hohles Stöhnen. Die Wangen waren nun rot, fast bläulich und schwollen an. Die Zunge wurde im Munde dick und schien an dem trockenen Gaumen zu kleben. Dann folgten Konvulsionen, immer heftiger und heftiger: die Hände flochten sich ineinander, daß die Nägel weiß wurden: die starren Augen schienen brechen odep yus ihren Höhlen treten zu wollen« � .'(Fortsetzung folgt.)] (Nachdruck verboten.)' 6] Huf Irrwegen. Von Jonas Lie , 2. Staubwolken auf den Wegen und immer lauter werdende klagen über Wassermangel.-- Erdrückend schwüle Hundstage. Schattenlos wie das kleine hölzerne Haus der Witwe Forland dort hart an der Landstraße lag, nur mit ein paar Ebereschen zu beiden Seiten der Treppe, brodelte die Sonnenglut förmlich in den alten, längst ausgetrockneten Astlöchern der Holzwände.— Fenster und Türen waren der Hitze wegen geöffnet, die jetzt Tag für Tag ihr einförmiges Schweigen über die Stadt lagerte, ihren vtebel immer dichter um den Abhang spann und die Masten und viaen unten im Hafen immer undurchsichtiger in ihren grauen Schleier hüllte. Die Tochter des HauseS, Sölvi, ein schöngewachsenes Mädchen bon zwei- bis dreiundzwanzig Jahren, kam auf die Treppe hinaus. Sie hatte einen Hut auf und stellte den Sonnenschirm hin, um die Handschuhe zuzuknöpfen. p Plötzlich lauschte sie Und vergaß das Knöpfen. Unten vom Wege herauf ertönte das einförmige Gerassel eines leichten Fuhrwerks, das in schnellem Trab daherkam. Es blieb ihr gerade noch Zeit, einen hastigen Blick auf ihre Kleidung zu werfen und den Hut ein wenig zurecht zu rücken, ehe der neue Arzt des Städtchens, Doktor Falkenberg, in seinem Kariol bahergerollt kam, ganz eingehüllt in die Staubwolke, die die Räder aufwirbelten. Er hielt bor der Treppe an, grüßte mit dem Strohhut und kuschte den Staub von der Brille, während er verstohlen durch die Vläser zu ihr aufsah. „Run. wie geht es Ihrer Frau Mutter, Fräulein:— hat mein kleiner Rat ihr geholfen?" „Danke, Herr Doktor! Mutter ist so glücklich darüber. Sie shat den Rheumatismus fast gar nicht mehr gefühlt, seit sie an- gefangen hat, Ihren Rat zu befolgen." „Es war übrigens nur ein einfaches Altweibermittel, auf Apothekerlatein übersetzt. Es hilft unfehlbar, wenn man nur daran glaubt", lachte er.„Im übrigen ist dies trockene, heiße Sommer- Wetter wohl das beste Heilmittel. Aber ich halte Sie auf, Fräulein Sölvi, ich sehe. Sie wollen ausgehen." „Ja. in die Stadt hinab,— auf das Kontor:— aber ich habe Zeit geMg.'''' „Hm,— ich hätte mich fast erkühnt zu fragen, fites wollen Sie dort?— sitzen und rechnen und Assekuranztabellen ausfüllen! Ich will wetten, mein Fräulein, Sie gehen immer über den Markt, wenn Sie aufs Kontor wollen?" „Ja, das war nun gerade nicht schwer zu erraten!— woher sollten sie sonst daheim ihr Mittagsessen bekommen?" „Ach, seien Sie einmal aufrichtig,— Sie hatten es sich niemals träumen lassen, daß das Märchen Ihres Lebens Sie die Kontor» laufbahn führen würde, mit Tinte an den Fingern!" Sie blickte vor sich hin auf die Treppe. „Gestchen Sie es mir, Sie würden tausendmal lieber daheim bleiben und für die Mutter und den Garten und die Hühner und die Enten sorgen und den, Haushalt führen und hin und wieder ein» mal ein kleines Tanzvergnügen hier oben bei den befreundeten Familien mitmachen, als Mitglied des„Kontoristenvereins" zu sein!" Sie brach in ein hclltönendes Gelächter aus. Gleich darauf aber folgte ein leidenschaftlich qualvolles—„Ach ja!", Der Doktor hakte den Spritzlederriemen los, um auf die Treppe hinüberzuspringen, als Faste plötzlich in Hemdsärmeln aus der Gartentür trat, ein paar Meßinstrumente in der Hand. „Guten Tag, Herr Doktor! Nun, ich kann Ihnen sagen, daß Sie gestern abend unten im Klub gehörig vorgenommen wurden. Oder vielmehr der Plan, draußen im Westen von der Stadt«ine Scebadeanstalt anzulegen,— und man vermutete, daß Sie die treibende Kraft des Unternehmens seien. Versteht sich, wir dis- kutierten die Sache ausschließlich von der ökonomischen, Seite,— in bezug auf die Rentabilität. --" Der Doktor schob die Brille ein wenig in die Höhe und sah in die Lust hinaus: „Ja, Herr Forland. Es will mir nur scheinen, als wenn der- selbe Salzstoff sich in allen Küstenstädten des Landes finden müßte, wo die See den Kloaken nicht zu nahe liegt.— Jedenfalls kann man mal drauf anstoßen." „Man fängt an. Witze zu machen, Herr Doktor!— Aber da zählten wir auf Sie,— daß Sje, der Sie schon so schön in den Krankenhausverhältnissen aufgeräumt haben/ auch der Erste sein würden, der dem Plan und der Aktienzeichnung seine Unterstützung angedeihen ließe. Daß, worauf wir hinaus wollen, ist nichts Ge- ringeres, als der Ankauf der ganzen Landzungen und ihre Ver- Wandlung in einen Kurort mitsamt dem Vorstrande. Und dann, wenn der Gedanke lebensfähig ist, was ich glaube,— allmählich Hotels auf der ganzen Westseite und diese Gegend der Stadt in ein modernes nordisches Bad verwandelt." Der Doktor lachte. Es geht jungen Architekten wohl ebenso wie frischgebackenen Doktoren. Ganz ähnliche Ideen schwirrten auch mir durch den Kopf, als ich in die Stadt kam. Sie können mir glauben, in einsamen Stunden in einem Kariol wird viel phantasiert,— ja, dann adieu, Fräulein!" unterbrach er sich.«Vor der Sonne sind Sie auch nicht bange.-- Stehen da in der Gluthitze und lassen den Sonnen, schirm auf der Bank liegen!" „Ach, mit einem breitrandigen Hut—" „Sie haben einen heißen Weg zur Stadt hinab!—— Und hüten Sie sich, daß Sie keinen Sand und Staub in die Augen bekommen", schallte eS ihr nach, während das Kariol weiter bergan rollte. Mit einer gewissen bleichen Empörung blieb Sölvi Forland auf der Treppe stehen, dann eilte sie ins Haus. In der Einsamkeit des Schlafzimmers saß Frau ForlaNd unL las einen eben angekommenen Brief von ihrer jüngsten Tochter Agnete, die bei Pastor Fejer in Sogn Gouvernante war. Sie hatte den Krückstock an die Stuhllehne gestellt, während ihre gichtgekrümmte Gestalt sich darüber lehnte. Sölvi erschien in der Tür: „Dann also adieu, Mutter. -- Ja, glaub mir nur, sie hat sich zu dem Pastor entschlossen!" „Pfui, pfui, Kind, wie kannst Du Nur so etwas denken,— ein älterer Mann!" „Ich höre es ja aus dem ganzen Brief heraus, Mutter, sie nennt ihn fortwährend„Fejer" und nicht mehr den Pastor. Und» dann die Bemerkung, daß der Pfarrhos jetzt einen so günstigen Kontrakt mit der Molkerei abgeschlossen hat! „Ach, das ist häßlich von Dir, Sölvi,— sie sollte den Alten Nehmen—" � Sölvi lachte so eigenartig. „Ich meine nun gerade um so lieber, weil er so alt ist!©oft behüte uns, einen Mann zu nehmen, ohne etwas dabei zu emp- finden, wenn er obendrein noch jung ist,— und hübsch und schwär- men will. Stell Dir doch Nur vor, wie entsetzlich Agnete dann lügen müßte!" „Ich liebe eS Nicht, dergleichen Gedanken zu verfolgen, Sölvü Du bist in der letzten Zeit so verbittert geworden. Ich weiß wirk» lich nicht, was Du hast."> „Ich für meinen Teil würde mit Vergnügen in so einen Pfarr» Hof einziehen,— ich meine zu so einem bemoosten Pastor,— so einem recht stümperigen Alten,— bei dem ich leben könnte wie ixt einer alten, ehrwürdigen Kirche,— und ihm den Weg ebnen— und daS Geleite bis ans Grab geben. Ich würde ihn in keinem Punkt betrügen. Ich hatte ja vor einigen Jahren ohnehin schon die AbsM, als Krankenpflegerin fortzugehen. Und dann, wenn ein