- 468- en muh, ergreifend die Schmerzen und das lück der Mutterfchast. Ein Stück grandiose Natur und ein innerliches Leben tut ftch auf. eine Schenckende ist die Berfafferin auch hier. Viele junge Frauen, die in ihrer Ehe aus irgendeinem Grunde verzagen wollen, können bei dieser unverzagten grau Gjems-Selmer Leoenskunst lernen. Denn ihr Buch ist ein orn echter Menschlichkeit, Lebensstärke kann man daraus trinken. Sie lehrt das geduldige Ertragen in Liebe und ist doch so ganz frei von aller Klösterlichkeit. Im Gegenteil, frisch und munter geht jene schöne Heiterkeit von ihr aus, die eigentlich gesunder Mcnschenver- stand ist. Ein Ehestandsbuch möchte ichDamals" nennen. Wir haben ihrer wenige, die so gut, so belehrend und so gar nicht lang- weilig sind. Ernst gahn: LukaSHochstraherSHauS.(Deutsche Verlagsanstalt , Stuttgart und Leipzig .) Fast ein halbes Leben währte eS, bis Emst Zahn, ein Sohn des Schweizer Hochlandes, seine Kunst und seine Heimat fand. Bis er über den Kellner, Hotelsekretär, Gastwirt hinweg ein Dichter wurde und sein geliebtes Schweizerland entdeckte. Hoch oben am Gotthardt, wo der Firnwind weht und ein wetterfestes Geschlecht in harter Arbeit mit dem Boden ringt, steht der Gasthof und die Dichterklause von Ernst Zahn. «Vor meinem Blick dehnt sich die Ausschau auf Land und Volk" schreibt er. So schafft er aus intimster Lebensnähe heraus, und weil er mit klarem, ruhigem Auge zu schauen, und klaren, schlichten Sinne? zu schildem versteht, ist eine echte, warmblütige Heimatskunst daraus geworden. In feinen Büchem, durchglüht von einer heißen Liebe zu Natur und Leuten, dampft die Scholle und der Erdgetuch steigt auf. Die Wiesen blühen, scharf und rein weht die Lust, die Wälder rauschen, strahlend und dräuend stehen die ewigen Berge und durch diese ganze lebendige Natur schreiten lebendige Menschen. Jenes trutzige Bauerngeschlecht, gesund und geraden Sinnes, das eher bricht, als daß es sich biegen läßt. Lukas Hochstraßer, von dem das Buch handelt, ist solch ein Aufrechter kemigen Schlages. Wie eine Wettertanne mit schützendem Geäst, so breitet er schützend seine Hände über sein Haus. Aber seine Kinder wandem jedes ihre eigene Straße in das Leben und lösen sich ab von des Vaters arbeitsamen Weg, auf dem er e« in Rechtschaffenheit und Treue zu Wohlstand und Glück brachte. So ziehen dunkle Schatten über da? Haus und das Glück Hochstraßers, doch in allen Wirrnissen steht er wie eine starke Säule. Sein kluger Kopf weiß Rat in aller Gefahr, und seine Güte lenkt alles zum besten. Ganz prächtig, ist dieser patriarchalische Bauersmann geschildert, eine Verkörperung von Biederkeit, Sitte und strenger Selbstzucht. Und neben diesem fast- strotzenden Manne stehen die fünf Kinder, jedes ein fcharfumrissener Charakter, mit eigenem Pulsschlage, anschaulich vor dem Leser. Eine Welt für sich blüht auf in dichterischer Schöne, und über alles geht eine leise Welle von Lebenswärme und Güte hin. Für seine Kinder hat Zahn das Buch geschrieben. Man merkt das an jeder Zeile. Freilich, der pädagogische Zweck im Hintergrund drängt fich stellen- weise vor. Aber bei diesem von Liebe überquellenden Buche, einem echten Vaterbuche, darf man sich wirklich nicht an den.Standpunkt" halten. Mag sein, daß manche Leser sich an eine heimliche Senti- Mentalität und noch mehr an ein« da? Buch beherrschende allzu einseitige Moral stoßen. Man tut selbst nicht mit, wenn Lukas Hochstraßer die Sozialdemokratie verdächtigt oder seinem Sohn die Offiziersachselstücke abreißt und ihn aus dem Hause stößt, weil er bei einem Mädchen, das in Bälde seine Frau werden soll, seinem drängenden Blute folgte und der Bater des Mädchens sich ob der .Schande" ertränkt. Doch wa» bedeuten schließlich solche und andere moralische Anschauungen bei den vielen poetischen Vorzügen des Buches? Man darf Ernst Zahn in der Reihe unserer besten Erzähler nennen, und ich möchte nur wünschen, daß er sich aus einer gewissen Eng« der frömmelnden Ethik noch herausschriebe. » Wilhelm Schüssen: Meine Steinauer.(Deutsche Verlagsanstalt . Stuttgart und Leipzig ). Roch eine unverfälschte Heimatsgeschichte. Schien uns im letzten Schelmenroman dieses jungen Lehrers aus dem Schwaben - lande manches Talmi, hier ist alles Gold..Meine Steinauer", ja das sind die wunderlichen, putzigen Leutchen aus der Heimat des Dichters da oben im Schwabenwmkel zwischen Donau und Bodensee , und Wilhelm Schüssen ist ihr Maler. Ein Freilichtmaler, denn sie stehen da, von Licht, Lust und Sonne umspielt, und hinter ihnen grüßt das tausendhügelige Wiesenland. Schüssen hat nicht das Körperlose der Neuromantiker, die im mästen Spinstsieren mit med- lichen Diminutiven eine alwäterische Stilhuberei treiben. Ich möchte ihn mit Spitzweg vergleichen. Eine prachtvolle Sicherheit der Ge- ftaltung hat er gewonnen. Eine feine Beobachtung der simpelsten Vorgänge. Das Kleine wird groß im Ausdruck und in der Un- mittelbarkeit des Geschehens. Diese halbverrückten Exemplare des kleinen Landstädtchens, die in verschämter Armut lebende DoktorS - familie, der träumend-schüchterne Volksschullehrer, alle diese schnurrigen Käuze und braven DurchschiiittSscelchen. sie atmen und leben und amüsieren uns. Fast jede Seite ein Bild für Spitzweg I Beseelte Genrekunst aus Gemütstiese geboren und mit dem Schalk im Nacken. Rud Harb Kipling: Kim, Roman.(Vita, Deutsches B«r« lagShauS, Berlin .) Es ist nicht leicht, sich in einen Kiplingschen Roman hineinzu» lesen. In dem Dschungelbuch zaubert er eine neu« Welt plasstsch vor den Leser hin, dieser neue Roman auS dem gegenwärttgen Indien verwirrt in seiner fremdartigen Abenteuerlichkeit. Er bietet nicht die klaren Bilder deS Dschungelbuches mit ihrer Stimmungs« gewalt und dichterischen Konzentraston. Hier ist nicht der natürliche Reiz der Tinge gefaßt, sondem der Autor scheint phantastische Reiz« konstruiert zu haben, und ein forcierter Wild-West-Stil muß krampfhaft Jnteressantheit herstellen. Kim ist weißer Abkunft, der sich Vortreff- lich den Eingeborenen akklimattsiert. Im Grunde ist er ein Sternen- gucker mit einer Landstreicherseele. Er gerät in die Hände de? Lama, eine? verrückten Heiligen, und durchzieht mit ihm im Sektterer« Wahn Indien. Der Schwerpunkt des Buches liegt in der Schilde« rung dieser Bettelpriesterschaft, und daneben zieht kaleidoskopisch da? rätselhaste Land vorüber mit seinen Bewohnern von heute, die an die Grenze zwischen Morgenland und Abendland borgerückt sind. Aber man hat daZ Gefühl, daß nicht hauptsächlich Kultur- oder Länderschilderung beabsichtigt, sondern baS Abenteuerliche Selbst- zweck war. J. V. Kleines feuilleton. Geographisches. Ein Allerweltswald. Als ein? der schönsten und merk- würdigsten Gebiete der Erde gilt seit langem die Doppelinsel Ncu-Seeland. Nirgend finden sich sonst so verschiedene großartige Naturerscheinungen auf verhältnismäßig kleinem Räume vereinigt wie dort. Die Nordinsel ist der Schauplatz großartiger vulkanischer Vorgänge in ihrer wundersamsten Offenbarung mit ungeheuren Springbrunnen von heißem Wasser, den Gehsern, mächtigen Ter- raffen von strahlendem Kieselsinter usw. Die Südinsel wiederum hat eine Bodengestaltung, die in ihren höchsten Erhebungen fast alpinen Charakter zeigt und mit großartigen Fjordtälern ins Meer eintaucht, zu denen Gletscherströme hinabfließen und das in einem Klima, das den Breiten von Spanien und Italien ent- spricht Dadurch ergeben sich auch für die Entwickelung der mensch- lichen Kultur Verhältnisse von seltener Begünstigung, und darauf beruht eine interressante Maßnahme, die jetzt zur Hebung der Forstwirtschast in Neu-Seeland unternommen worden ist. ES werden jetzt Bäume nicht nur auS dem übrigen Australien , sondern auch aus den Vereinigten Staaten von Amerika und gar aus Europa eingeführt, um in den heimischen Wäldern Neu-SeelandS angepflanzt zu werden. DaS Klima gestattet das Gedeihen fast jedes Baumes, und dieser Umstand soll dazu ausgenutzt werden, die Wälder so nutzbringend wie möglich zu machen. Bis jetzt sind 11 Millionen Lärchen, Eichen, Fichten, Douglas-Tannen und Eucalypten angepflanzt worden, und eine ungeheure Zahl von Sämlingen wird noch in besonderen Schonungen gezogen. Es sind durchweg Arten ausgewählt worden, die schnell wachsen und ein treffliches Bauholz liefern. Der Grund zu dieser umwälzenden Neuerung liegt darin, daß die einheimischen Bäume von Neu- Seeland zu langsam wachsen. Einige von ihnen, z. B. die Kauri- Fichte, erreicht zwar einen riesenhaften Wuchs und liefert ein ausgezeichnetes Bauholz, aber sie braucht mindestens zweihundert Jahre, bis sie eine ansehnliche Größe erreicht. Eine tüchtige Forst- Wirtschaft erfordert zum Erfolg schnellere Ergebnisse. Ueberhaupt erfährt Neu-Seeland nicht nur im pflanzlichen, sondern auch im tierischen und sogar im menschlichen Leben nach und nach eine vollkommene Umwandluna die wiederum größer sein dürfte als in irgendeinem anderen Lande der Erde. Die eingeborene polh- nesische Rasse schwindet rasch vor dem Eindringen der Europäer, die eine große Reihe von Tieren und Pflanzen einführen, die ihrerseits als siegreiche Konkurrenten gegen die eingeborene Lebe. Welt auftreten, allmählich festen Fuß fassen und verwildern. Die Ströme wimmeln jetzt bereits von europäischen und amerikanischen Forellen, die zu einer enormen Größe wachsen. Die Wälder aber insbesondere werden Baum für Baum durch die Anpflanzung fremder Arten revolutioniert. Neu-Seeland besitzt etwa 600 000 Hektar Wald mit 200 Baumarten, aber die ursprünglichen Wälder werden wahrscheinlich in etwa 70 Jahren verschwunden sein und eingeführten Wäldern Platz gemacht haben. Es ist ungefähr 30 Jahre her. seit die Regierung von Neu-Seeland überhaupt eine Forstwirtschaft einleitete; sie gab den Betrieb aber schon nach wenigen Jahren wieder auf, weil er mehr kostete als einbrachte. Dann setzte aber ein so starker Raubbau in den Wäldern ein, daß die Regierung bekennen mußte, mit der Aufgabe der Forstwirtschaft einen schweren Irrtum begangen zu haben, den sie nun durch doppelte Emsigkeit wieder gutzumachen sucht. Schon jetzt beläuft sich der jährliche Betrag an Nutzholz in Neu-Seeland auf etwa eine balbe Billion Fuß, d. b. auf fast ebenso viel wie der Jahrcsertrag im waldreichen Canada, das einen 35mal größeren Flächcnraunr besitzt Berantw. Redakteur: Georg Tavidsoha. Berlin. Druck u. Verlag:VorwärtS Buchdr. u. VcrlagSanstalt Paul Singer Lc Co., Berlin 81V.