»Ich sagte, daß Ihr einem Ganserich ähnlich seht, Iwan Jwa-ttowitschl"„Wie könnt Ihr es wagen, mein Herr, so sehr den Anstandvnd die gebührende Achtung für Rang und Familie zu vergessenund jemanden mit einem so schmählichen Namen zu beschimpfen?"sFortsetzung folgt.)ötmfzüge durch die Geschichteder Oper.m.Richard Wagner(1813—1883) war nicht nur ein eminenterMusiker von reichster Erfindungskraft und sicherstem dramatischenGestaltungsvermögen, er war auch philosophischer Denker, ein Zu«sammenfasser aller Kulturgüter für den einzigen Zweck: das musika-lische Drama, geboren aus dem Geist der griechischen Tragödie.Sein Werdegang, seine Werke, seine hohe Bedeutung für die deutscheKunst und Kultur find heure jedem geläufig. Denn heute gilt es ja bei-nahe für eine Schande, nicht Wagnerianer zu sein, wie es Mode-Pflicht der internationalen Plutokratie ist, bei den grossen Wagner-tournieren in Bayreuth und München ihre Brillanten funkeln zulassen. Diese gewaltsame Popularisierung einer Kunst, dieihrem ganzen artistischen Wesen nach für die Masse der musi-kalischen Laien im letzten Sinne unverständlich bleiben muh(dies am meisten Tristan und der Ring), tut natürlich der Bedeutungdieses universalen, aber gewaltsamen Riesengeistes keinen Abbruch.Wagner strebte die Erreichung jener Ziele an, die schon Gluck undRousseau vorgeschwebt hatten, oie Weber in der„Euryanthe" halberreicht hatte. Die Befreiung der Oper aus den Fesseln starrermusikalischer Formen und Kanons. Die dramatische Dichtung warihm der Mittelpunkt, um den alles kreiien sollte. Die Musik sollteaus einem virluosen oder melodischen Selbstzweck ein Mittel desdramatischen Ausdrucks werden, sie sollte nicht mehr ausserhalb derBühne als absolute Musik wirken, sondern nur noch in Verbindungmit der Dichtung und Szene. Ein grossartiger, im Sinnehöchster und reinster Kunstwirkung durchdachter Gedanke, denWagner übrigens von Aristoteles, der auch schon dasDrama als die Summe aller Künste erklärte, übernommen hat.Im Gesamtkunstwerk Wagners sind alle Teilkünste, diePoesie, die Musik, die Malerei, dte Tanzkunst, die Painomimik, dieArchitektttr sozialisiert und dem einen Zweck: der Verdeutlichung undVersinnlichung des Dramas dienstbar gemacht. Somit war Wagnerder Theorie nach eigentlich ein Realist. Aber wie heftig kam geradeim deutschen Nationaldrama, dem„Ring des Nibelungen", der RealistWagner mit dem stärkeren Romantiker Wagner in inneren Konflikt IEin Konflikt, an dem noch heute die Denkenden unter den Wagner-Regisseuren zu leiden haben, denn sie stehen in dem Dilemma, sollensie den Ring mit greifbarem Realismus, mit„zoologiscbem Naturalismus" in der Darstellung der Bären, Vögel. Lindwürmer,Swlangen und Lufttösser inszenieren oder dem Zeitverlangen ent-sprechend, aber gegen die Vorschriften der Partitur, sich mit stili-sierenden Andeutungen, mit Illusionen statt Objekten begnügen?Was Wagner unsterblich machen wird, das ist nicht seine Philo-sophie, denn diese ist nichts wie gründlich missverstandener Schapen-Hauer, das ist nicht seine Theorie, die„Idee" vom Gesamtkunstwerk,denn die Praxis hat bewiesen, was die ästhetische Theorie längstgeahnt hat: dah ein gleichberechtigtes Nebeneinander aller bildenden,darstellenden und redenden Künste im Drama einfach deshalb un-möglich ist. weil eS dte Grenzen der sinnlichen Empfänglichkeit imZuhörer übersteigt. Der beste Beweis hierfür ist die Tätsache, dassein naiver, unvorbereiteter Zuhörer Wagnerscher Dramen im Opern-theater keinesfalls Musik und Dichtung gleichzeitig verstehen undgemessen kann. Er vertieft sich entweder in das Text»uch(daS er lesen muss, weil er kein Wort von demversteht, waS die Wagnersänger im heroischen aber nutzlosen Kamps£ gegen daS ftimmenverfchlingcnde offene Riesenorchester von sicheben) und dann kann er sich nicht auf die Musik konzentrieren.Ider er folgt nur dem kunstvollen motivischen Cefüge der Musik,dann kann er die literarisch. dichterischen Schönheiten des Dromas,der Handlung, der Sprache nicht in sich aufnehmen. So bleibt übrigWagner der Musiker. Und dieser ist original, dieser ist mächtig.dieser ist unsterblich, denn er hat daS seelische Ausdrucksvermögender Musik unendlich bereichert, er hat den ganzen Reichtum dermodernen Seele in Musik gekleidet, er hat das Erotische(in Tristan undTannhäuser), das Majestätische(in Wotan), das Mystische(inLohengrin), das Erlösungswunder(im Holländer und Parsifal),das überschäumend Triebkräftige heldischer Jugend(im Siegsried),endlich den philosophisch abgeklärten Humor des Weltweisen(in HansSachs) in Tonbildern von elementarer Kraft des Ausdrucks empfundenund mitgeteilt. Seine Leitmotive, die bald als musikalische CHa-rakterschilderung. bald als Naturinotiv, bald als seelisches Symbolnicht nur die sinsonisch-orchestrale Grundlage des Dramas bilden.sondern auch alle Vorgänge und Verwickelungen der Handlung ge-treulich im Orchester— das„Drama im Orchester"— mitmachen, sindvon einer unerhörten, plastischen Kraft der Erfindung. Sie stehen einzigin der Geschichte der europäischen Oper da. Die meisten von ihnenfind Mittel des dramatischen Ausdrucks, die zu selbständigeit grossenTonbildern— wie BemiSberg, das Gold im Rhein, Gewitterzauber,Walkürenritt, Feuerzauber, Siegfried durchschreitet das Feuer,Rheinfahrt, Trauermarsch auf Siegfrieds Tod. Isolde erwartetTristan, Nürnberger Festwiese— verarbeiteten Teile des betreffenden Dramas sind ohne weiteres auch als„absolute Musik"verständlich.Am vollkommensten hat der Reformator der Oper sein Ideal,daS er in dem bekannten Satz verkündete:„Der künstlerische Menschkann sich nur in der Vereinigung aller Kunstarten zum gemein»samen Kunstwerk vollkommen genügen: in jeder Vereinzelungseiner künstlerischen Fähigkeiten ist er unfrei, nicht vollständig das.was er sein kann", im Tristan erreicht. Im Hohen Lied der Liebeist das„Kunstwerk der Zukunft" Gegenwart geworden. Tristan undIsolde stebt auch deshalb einzig im Wagnerschen poetisch-musikali»schen Schaffen da, weil diese Tragödie rein menschliche Problemewie Liebe, Treue, Todesverlangen behandelt und keine Spur einersozialen oder künstlerischen Tendenz, einer materiellen oder religiösenIdee verrät. Parsifal, das Bühnenweihfestspiel, mit dem dervon den Bayrcuthischen„Nazarenern" kirre gemachte alterndeMeister am Kreuze niedersinkt, hat einen ausgesprochenreligiösen, ja positiv- dogmatischen Grundton, ganze Pariienund nicht die schlechtesten der Meistersinger, jenes grossendeutschen musikalischen Lustspiels,! find polemisch- kritischer Naturund das Ring- Drama, WagnerS eigentliches Lebenswerk, istmusizierte Mythologie. unorganisch verbunden mit einer sozialenTheorie. Rein menschlich und zeitlos ist nur Tristans Liebe.—Der Ring des Nibelungenl Der Ring, der nie gelungen.spottete Nietzsche und trifft damit ins Schwarze, wenner damit auch mehr auf die ästhetischen Mängel desKunstwerkes zielt. Fünfzehn Jahre nach dem.Umwerteraller Werte", der an der Krankheit WagnerS gestorben ist.kam endlich einer, ein Engländer, und schrieb einen aufhellendenKommentar zum Ring. Bernard Shaw wagte es. seinen Kommentarden Schriften zuzufügen, die schon von Musikern verfasst wurden, diekeine Revolutionäre sind, und von Revolutionären, die keine Musikersind. Der Deutsche, der gewohnt ist, die Kolossalgestalt Wagnersnur durch den sinnverwirrenden Nebel Bayreuths zu erblicken, be»kommt durch den irischen Freigeist hier zum erstenmal eine Darstellung,die das Ntbelungendrama als bewussten Ausdruck ganz bestimintersozialer und politischer Vcrbättnisie kennzeichnet. Es scheint fast ein Witz:die Wagnerschen Götter, Riesen, Zwerge und Helden aus soziologischeVerhältnisse reduziert, als Mitspieler in einem revolutionärenDrama des Kapitalismus. Aber Shaws Beweisführung ist klar,logisch und gesund tendenziös. Er weist den Opernknax im Ringnach und die falsche Auslegung des ursprünglich revolutionären E»t-Wurfes durch metaphysische und philosophische Kommentare. Er weistnach, warum der praktische Wagner seinen Sinn geändert hatzwischen dem Rheingold von 1820. in dem Fafner und Fasolt dieausgebeuteten dummen Proletarier, Wotan der Grossunternebmerund.Kapitalist", Albrich ein geiziger, kurzsichtiger Geldmacher war.und der Götterdämmerung von 1874, in der Albrich auf dembesten Wege war.„Krupp von Essen oder Carnegie von Homestcad"zu werden. Woher diese Umkehr? Aus Wagners eigener Ent-Wickelung, die ihn vom revolutionären Barrikadenkämpfer von 1848zum utopischen Demokraten„mit einem freigewählten Fürsten ander Spitze der Republik Deutschland", zum Komponisten des Kaisermarsches von 1871 zurückführte.„Wenn einer bezweifelt", sagtShaw,„bis zu welcher Ausdehnung Wagners Augen die administrativeKindlichkeit und die romantische Einbildung der Helden derrevolutionären Generation erkannten, die ihre Lehrjahre unterden Barrikaden von 1843/49 dienten und auf denen von 187tunter den Mitrailleusen Thiers' zugrunde gingen, der möge„EinsKapitulation" lesen, diese skandalöse Burleske, rn welcher der Dichterund Komponist des„Siegfried" mit der Leichtfertigkeit eines Schul--jungen sich über die französischen Republikaner lustig macht, die imJahre 1871 genau das taten, was er selbst 1848 getan hatte undwofür er aus Sachsen verbannt wurde". Als Wagner die Götter-dämmerung instrumentierte, verzweifelte er am Siege des freienProletariers Siegfried und glaubte an den Triumph der gross-kapitalistischen Uuternehmerfirma: Wotan-Loge-Alberich. Er gabinnerlich die Schlusslösung der Ring-Allegorie aus und kehrte mitParsifal, dein„reinen Toren", zum Lohengrin und zur bussfertigenApathie der Nazarener zurück. Daher der schmerzliche Opernknaxin der«Götterdämmerung".Ein kurzer Umblick nur auf die hervorragenden Opern derFranzosen und Italiener, ehe wir auf die Oper der Neueren undLebenden eingehen. Neben der grossen heroischen Oper, dieHalävy in der Jüdin und der Königin von Cypernkultivierte, herrschte eine lebhafte Produktion in der französischenKomischen Oper, die aus der politischen Zeitgeschichte, der Kultur»geschichte, des GesellschastSlcbens Stoffe stets mit galanten Liebeshändeln zu verquicken wusste. Hier muss man die Namen Auber(Stumine von Portici, Schivarze Domino, Maurer undSchlosser, Fra Diavolo), Boieldieu(Weisse Dame, Kalifvon Bagdad), dam die lyrischen Opern der NeuerenGounod<Marguvrite) und Thonne(Mignon), zugleichfranzösische Missverständnisse unseres Goethe, besonders merken. EineAusnahmestelluitg nimmt B i z e t s unsterbliche Carmen ein, jeneköstliche„Spanische Oper" eines französischen Genies, für die Nietz'cheden ganzen Wagner willig hergeben wollte. Die romantische Ope<Italiens bezeichnen namentlich Cherubini(Wasserträger,