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Bersuchen, uns mit ihnen vertraut zu machen, wenn uns das Kunst- Der Schweizer   Ferdinand Hodler  , beffen großes, mr schaffen unserer jüngsten Malergeneration nicht ein Buch mit zum Teil vollendetes Gemälde Aufbruch der Jenenser Studenten fieben Siegeln bleiben soll. Denn hier herrschen ganz ähnliche zum Freiheitstampf 1813"( Nr. 91) viele Bewunderung und viele Tendenzen. Man mag das, was diesen Modernsten als nächstes Biel Anfeindung gefunden hat, kann in mehrerer Hinsicht als ein Antipode borschwebt, dekorative oder monumentale Malerei oder sonstwie des Wieners gelten. Er strebt wie Klimt   in erster Linie nach dekoras nennen, das Charakteristische an der neuen Richtung ist die be- tiven Wirkungen in monumentalem Stil. Er ist der Mann der wußte Abkehr von der Naturnachahmung und das prinzipielle An- großen, einfachen, stilisierten Linie. Seine herben, oft etwas spröden Streben von reinen Linien- und Farbenwirkungen, Beichnungen wirfen wie alte Holzschnitte in riesigem Formate. Was Unter den Begründern oder richtiger gesagt Anregern und dieser eigenartige Schweizer   schafft, trägt überall die äußeren Züge echt Vorläufern des neuen Stils steht der Franzose Paul- monumentaler Kunst, seine Gemälde find in fleinem Format uns zanne in erster Reihe. Cézanne  , ein Jugendfreund Bolas, der denkbar, sie sprengen die Rahmen und verlangen nach ausgedehnten ihm seinen berühmten Band Malerfritiken Mein Salon" widmete, Wandflächen, um die Wucht ihrer Liniensprache entfalten zu können. spielte im Anfang der naturalistischen Bewegung eine be- Und auch die Komposition ist im einzelnen durchaus auf Raum deutende Rolle und verschwand dann plöglich vom Schau- schmud berechnet. Sie wird von dem Prinzip des Barallelismus" plaz. Er schlug seine eigenen Wege ein, zog sich von allem beherrscht, dessen Endzweck darin besteht, dem durch die umgebende Berfehr zurüd und wurde als querköpfiger Sonderling erst Architektur erzielten parallelen Gleichflang durch die Linien des berhöhnt und dann bergessen. Nur wenige Zeitgenossen, z. B. der raumschmückenden Gemäldes möglichst nahe zu fommen. Mit dem Boet Huysmans  , erkannten seine eigenartige Bedeutung und feierten Kompositionsprinzip der Japaner, das durch den modernen Natura ihn als den aufgehenden Stern, der der Kunst den Weg in die Zu- lismus in der abendländischen Kunst zur Herrschaft gelangte funft weisen werde. Seit etwa einem Jahrzehnt ist man auf den und dessen Wesen Unsymmetrie und scheinbare Billfür und Regel inzwischen Berstorbenen wieder aufmerksam geworden. Seine losigkeit ist, ist vollständig gebrochen. Und noch eine andere elementare Gemälde werden zu hohen Preisen gekauft und die jüngste Forderung der modernen realistischen Tafelmalerei wird radikal negiert: Malergeneration Frankreichs   wandelt in seinen Spuren. Das die Forderung des Raumgefühls, der perspektivischen Tiefe. Die Ges große Bild Badende"( Nr. 40) gibt feinen rechten Be- mälde Hodlers wollen nicht den Anschein erwecken, als durch griff von Cézannes Eigenart. Es ist ein Entwurf und brächen sie die Wand und öffneten den Blick in die freie Natur, tveit von der Vollendung entfernt. Die Gestalten sind nur sondern sie wollen dem Raum als Begrenzung dienen, sie wollen in den allgemeinsten Umrissen skizziert, und die mancherlei Ab- nichts weiter fein als eine dekorierte Wand, als eine farbige Wieders weichungen von den natürlichen Formen und Verhältnissen erscheinen, bolung des fie umgebenden architektonischen Rhythmus. Das große da man die letzten Absichten des Künstlers noch nicht zu erkennen Bild, das den Hauptsaal der Ausstellung beherrscht und für die bermag, als willkürliche Vergewaltigungen. Deutlich wird nur das Universität Jena bestimmt ist, zeigt die Vorzüge Hodlers im Streben nach fräftiger Zusammenfassung der zahlreichen Leiber zu günstigsten Lichte. Noch nie ist dem jungen Künstler ein Wurf so einheitlichem Ganzen und der pyramidenförmige Aufbau der Kom- gut gelungen. Brachtvoll stehen die dunkelgrünen Töne der energisch pofition. Von großer Schönheit ist die Farbe; ein wunderbar und eindrucksvoll umriffenen Gestalten auf dem lichten Hintergrunde, harmonisches Zusammenklingen von lichtem Stahlblau, Gelb und der als weite, in rosenrotem Morgenlicht schimmernde Ebene ges Grau. Die Wirkung ist am stärksten, wenn man das Gemälde vom geben ist. Nur der Umstand, daß fast jede der an sich sehr schönen Zimmer I aus betrachtet. Silhouetten in der Bewegung etwas übertrieben erscheint, stört die monumentale Wirkung, die sich nicht in der Uebertreibung, sondern in der Milderung der Effekte fundgeben soll.

Auch bas Frauenporträt

Neben dem Franzosen Cézanne steht als Leitstern unserer Jüngsten der vor etwa 19 Jahren verstorbene Holländer Vinzent ban Gogh. Er war ein frankhaft exzentrisches Genie, das einen Teil seines Lebens in Irrenhäusern und Nervenheilanstalten   zu brachte und zwischen zwei Tobsuchtsanfällen die wunderbarsten Meisterwerke schuf. Er malte stets in rasender Eile, mit vor An­strengung fochendem Atem. In diden, geraden oder gekrümmten Linien, die wie Würmer nebeneinander oder durcheinander trabbeln, trug er seine Farben auf. Mit Blau, Gelb, Grün und Rot erzielt er alle feine Effekte. Realistische Wirkungen werden taum angestrebt. Es kommt ihm nicht auf plastische Modellierung, sondern auf Ab­tönung farbiger Flächen an. Strogende Kraft und raffinierte Grazie bereinigen sich in den schönsten Arbeiten dieses Meisters, und alles ist durchtränkt von einem ganz persönlichen, in den winzigsten Einzel­heiten sich äußernden Stilgefühl, das trop seiner dekorativen Ten­Senzen nie in tote Schnörkelei ausartet, sondern überall reiches, sprühendes Leben schafft. Das Stilleben Bücher"( Nr. 65) gibt einen guten Begriff von der Art des van Gogh  . Alles Mädchen"( Nr. 38), Artur Segals Interieur"( Nr. 217) Gegenständliche verschwindet hier, und es bleibt nichts übrig als ein starter farbiger Eindruck: Gelb in zahllosen Nuancen, Kontrasten und Harmonien. Man darf bei einem solchen Bilde nicht fragen, was es darstellt, sondern man muß die farbige Fläche rein finnlich auf sich wirken lassen, ettva wie man ein Tapetennuuster oder die Bilder eines Kaleidoskops auf sich wirken läßt.

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Auf den neuen Wegen, die Hodler als vorsichtiger und relativ zahmer Rompromißler zu benutzen weiß, schreiten andere junge Künstler mit fühnem Naditalismus rücksichtslos vorwärts. Natürlich ist das Maß des Gelingens sehr verschieden. Das wirre. Farben gemisch, das uns Wenzel Sablit in seinem Gemälde Das Feuer als Element"( Nr. 76) bietet, vermag ebensowenig eine flare einheitliche Stimmung zu erzeugen wie die nüchternen auf die der zweifellos talentvolle geometrischen Linien, Mädchens Alegei v. Jawlensky   die Konturen seines in Not"( Nr. 118) reduziert. ( Nr. 98) von Hans Hoffmann beruht trotz seiner scheinbaren Extravaganz im Grunde auf einem ziemlich trivialen malerischen Empfinden. Sehr viel höher steht Jean Verhoevens Damen­bildnis( Nr. 245) mit seiner graziösen, raffiniert schlichten und überaus suggestiven Liniensprache. Auch Hans Brühlmanns Sigendes und Otto Hettners Neapolitanische Phantasie"( Nr. 90) find starke und sympathische Leistungen. Eine angenehme leberraschung bereitet uns Max Bechstein, der auf der letzten Winterausstellung der Session wenig günstig vertreten war. Sein großes Gemälde Weiber mit gelbem Tuch"( Nr. 194) ist zwar noch ziemlich stark von Gauguin   beeinflußt, zeigt aber in der Auffassung so viel und in Farbe und Zeichnung ſo Το biel Dasselbe gilt von den Werken aller Maler, die zu dieser Driginalität Richtung gehören. Bei den meisten kommt man gar nicht auf die wüchsige Kraft und frische Schönheit, daß man von der weiteren Jdee, nach dem Jubalt" zu fragen. Man tritt dicht heran und ge- Entwickelung des Künstlers das beste erwarten darf. Den Philister wahrt tausend entzüdende Details nicht gegenständlicher, überläuft freilich eine Gänsehaut beim Anblick dieser und sondern dekorativer Natur man entfernt fich von dem ähnlicher Bilder, und der Snob fällt aus einer Entzückung Gemälde, die Details verschwinden und das Ganze schließt sich in die andere. Man wird gut tun, sich von beiden Extremen fern­zu einer einheitlichen, ruhigen Gesamtwirkung zusammen. Die zuhalten. Denn die Jünger der neuen Richtung sind natürlich Bilder des Franzosen Eduard Vuillard( Nr. 253-257) ebensowenig verrückt, wie fie etwa famt und sonders Genies find. erinnern an mattgetönte orientalische Teppiche oder an japanische Sch möchte den Besuchern der Ausstellung den Rat geben, vor den Stickereien. Farbige Mosaiken, die wie aus unzähligen fleinen Arbeiten unserer Jüngsten nicht gleich mit runden Urteilen heraus Steinchen zusammengefügt erscheinen, gibt der Münchener Karl zurüden, sondern erst und vor allem den Absichten der Künstler Strathmann in seinen Gemälden Danae"( Nr. 224) und nachzuspüren. Sie werden dann, wenn auch nicht immer an glanz Salambo"( Nr. 225). Mit mosaifartigen Wirkungen arbeitet auch vollem Gelingen, so doch meistens an sehr achtbarem Können, an der vielumstrittene Wiener   Gustav Klimt  . Auf seinem Damen  - redlichem Streben und flottem Wagemut ihre Freude haben. bildnis( Nr. 137) ist der Hintergrund in strengem Stil gehalten, die Die Plastik ist in der Sezeffiousausstellung diesmal leider Figur selbst aber mit allerhand naturalistischen Details über fehr stiefmütterlich behandelt worden. Es fehlt freilich nicht an Gauls prächtiger häuft. Diese seltsame Stilbermischung, dieses Einschmuggeln einzelnen guten und interessanten Werken. fleiner realistischer Einzelzüge streng ftilisiertes fleiner Bär"( Nr. 295) fotvie sein Brunnen mit dem bronzenen Ganzes ist eine charakteristische Besonderheit der Klimtschen Fischotter( Nr. 294), Carabins ausdrucksvolle und graziöse Manier. Und während bei dem ornamentalen Beiwert meist helle, Tänzerinnenstatuetten( Nr. 283-288), Barlachs wuchtiger Kruses ungebrochene Farben angewandt sind, verschwimmt die menschliche Becher"( Nr. 278), Leistikow Büste( Nr. 315), Gestalt in einen unbestimmten, sanften, milchigen Duft. Selbst die Scheibes Babian"( Nr. 825) und vor allem die schwungbollen, äußersten Konturen, die die Silhouette der Figur ungrenzen, er- großzügigen und wahrhaft monumentalen Arbeiten von Georg scheinen wie mit Vanillesauce überfüncht. Die Grazie der Linien und Kolbe( namentlich die Weibliche Figur" Nr. 313) sind durch beachtens und zum Teil bewundernstwert. ein eigenartiges loloristisches Raffinement ist unverkennbar, aber weg Daneben diese Vorzüge erscheinen nicht ausreichend für die monumentalen aber ist sehr viel Mittelmäßiges, Flaues und Minderwertiges zu Wirkungen, die Klimt anstrebt. Dem Wiener   Stünstler mangelt das, sehen, die größten Namen fehlen, und von dem neuen Geist, der was man Großzügigkeit nemt. Seine Begabung weist vielmehr auf wie in der Malerei so auch in der Bildhauerkunft seinen Einzug ge Kleine, gefällige Formate hin, in denen das Bierliche, Weiche, Süßliche halten hat, bekommt man nur einen schwachen und schiefen Begriff. fich entfalten kann, ohne Ueber ruß zu erwecken. John Schilowsti.

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Berantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin.- Drud u. Verlag: Vorwärts Bucheruderei u.Verlagsanstalt Baul Singer& Co., Berlin   SW