Sie Wie ihm alles gegeben.*?"- Und sie lächelte, von Glück berauscht, bei diesem Gedanken. Sie und Anders waren nicht mehr zwei Wesen. Sie schloß die Augen in Erinnerung an das Vertraulichste zwischen zwei Menschen, das Zärtlichste, das Seligste, das sie jemals erlebt hatte... Aber dann fuhr es wie ein eisiger Kälteschauer durch das Ganze. Was hatte sie verloren, verloren für ewige Zeiten! Sie fühlte sich allein draußen, wo die Stürme brausen, wo das Unwetter unerbittlich über den Geschöpfen dieser Erve tobt. Und die Angst malte sich auf ihrem Gesicht wie der Schatten von etwas Dunklem, das über unserem Haupte daherbraust. Aber mochte es nun Glück oder Unglück sein; auf alle Fälle bedeutete es einen Schritt tiefer hinein in das wunderbare Leben. Einen Schicksalsschritt vielleicht. All dieses durchfährt auf einmal ihre Nerven, zittert durch ihr Wesen. Es erhöht das Lebensgefühl. Sie springt aus dem Bett; noch länger darin zu liegen, ist ihr unmöglich. Sie schlüpft in einen grauen Unterrock mit roten Streifen, und dann, erfaßt von einem plötzlichen Gedanken, eilt sie zum Spiegel. Ob ihr wohl irgendeine Veränderung anzumerken sei? Sie streicht sich über das Gesicht und schaut. Sie kann nichts entdecken, leine Spur. Sie bindet ihren Rock, während sie dasteht und tief nachsinnt. Wieder muß sie zum Spiegel hin; sie hat keine Ruhe. Sie führt die Finger über die Augen und starrt ihr Bild an, als sei es das einer Fremden; sie selber kann keine Veränderung ent- decken... (Fortsetzung folgt.» freiligratb, cter Dicbter der Politik. Politisch Lied, der Donner, der Felsenherzen spaltet, Du heil'ge Dil flamme, zum Siegeszuz entfaltet, Du Feuersäule, dem Volke aus Knechischastswüsten hellend, Du Jericho-Posaune, des Zwingherrn Bollwerk all zerschellend I Du schwebst wie Fahnen und Adler den Heeren rauschend vor: Beit Weber und Tvrtäos, Rouget und Arndt im Chor l Du.(Ja ira 1" Die Klänge aus BörangerS Verlieh I »Noch ist Polen nicht verloren I".Der Gott  , der Eisen wachsen lieht" Anastasius Grün  . I. Am 28. August 1849, in den Zuckungen der deutschen Revolution, wurde in zahllosen Reden und Ansprachen, Artikeln und Gedichten die IVO. Wiederkehr des Geburtstages Goethes als ein Beschwörungs- fest der Beruhigung gefeiert. Alle Gutgesinnten zogen sich den Frack und eine abgeklärte Weltanschauung an und zeigten den rauher Politik abgewandten Genius dem friedensbedürftigen Publikum vor, wofern nicht der eine oder der andere, so in der Frankfurter   Festrede, den Weimaraner selbst als Befreier, nach einer besonders stilisierten Idee der Freiheit, würdigte. Und wo immer, inmitten der Gärung der Zeit, GoetheS   Wesen als Opiat benutzt und gepriesen wurde, immer wurde neben ihn mit einem miß- billigenden Seitenblick zur Abschreckung die Figur eines Zeitgenossen aufgestellt, der eben noch ein so berühmter und bewährter Dichter war, daß ihm der König von Preußen sogar eine Zivilliste von 300 Talern jährlich bewilligte, der aber nunmehr sich in die Niederungen des garstigen politischen Liedes traurig verirrt habe: Der tote Goethe wurde zum Leben erweckt, um den lebendigen F r e i I i g r a t h ästhetisch und moralisch totzuschlagen. Als das zahme CottascheMorgenblatt" eine eben in dem gleichen Verlage erschienene Ausgabe Freiligrathscher Gedichte anzeigte, spottete es über die vermittelnden Hofräte, Doktoren, Konrektoren, Assessoren, die als Festredner, im Zentrum des ästhetischen Parlaments deutscher Nation, übereinstimmend ihr Vowm dahin abgegeben hätten, daß Goethes Ruhe in politischen Dingen allerdings ein wenig zu olympisch, Freiligraths Gebärden in neuester Zeit immerhin allzu titanisch erschienen. So gewaltig ragte in jenen Tagen der stärkste Dichter der Politik, daß man seinen Einfluß nur schwächen zu können glaubte, wenn man ihn durch den Größten der deutschen Kunst beschattete. Alle Gutgesinnten wagten nur mit Ehrfurcht von dem Manne zu reden, der ein Jahr zuvor unter der Anklage des schwersten Verbrechens vor Gericht gestanden hatte und der bald über den Kanal gejagt werden sollte, verfolgt von den gemeinen Beschimpfungen des preußischen Polizeikönigtums. Ueber all den ästhetischen Vorwändfn und Einwänden wider die politische Dichtung war in jener Zeit doch der Eindruck nicht zu verwirren, daß in den Vorwehen und Stürmen der deutschen Revolution der einzige im- vergängliche Dichter der Politik geboren ward, den daS deutsche  Schrifttum kennt, und daß in ihm zugleich das bestrittene Recht der politischen Dichtung für alle Zeit erwiesen war. Nicht als ob Freiligrath   die politische Dichtung entdeckt hätte. Nein, er war nur einer in einem unübersehbaren Gewimmel poli- lischer Poeten. Ungefähr mit Goethes Tode begann ein Geschlecht sich zu regen, das nach PlatenS Wo.t nicht mehr sich harmlos in die Pflanzenwelt versenkte, nicht mehr kantigen Bergkristall anschaute, sondern tief ergriffen war von des Menschengeschicks Entfaltung. Eine ältere Generation wurde von den Oesterreichern geführt, dem Anastasius Grün   und dem sozial tief bewegten Karl Beck  . Ihnen folgten die unmittelbaren Künder der Revolution von 1348, Herwegh  , Hoffmann v. Fallersleben   und krönend zugleich und abschließend Ferdinand Freiligrath  . Zahlreiche kleine Musikanten der gereimten Freiheit umgaben die Unvergeffenen. Die politische Lyrik war Mode und sogar Geschäft. Schrieb doch einmal Heinrich Heines   Verleger, der listige und gerissene Ausbeuter der preußisch konfiszierten Literatur, Julius Campe  , an Hoff« mann, er solle für den zweiten Teil seiner Unpolitischen Lieder nur recht lustig sammeln:Die Zeit ist nicht poetisch, sie gähnt wie ein vollgefressener Gourmand, der nur nach Pikantem greift. Hausmannskost reizt ihn nicht mehr, von allen: ist genug da. Wenn der Lümmel gestachelt wird, dann erst regt er sich und wird mobil." In dieser Zeit des erwachenden politischen JntereffeS, da alle Probleme noch frisch, alle Diskussionen unverbraucht waren und zudem diese ganze gereimte Revolte behördlich verboten war, ge« hörte die politische Anspielung zu den Pikanterien. Die preußische Staats« Weisheit dachte über die politischen Reimereien so wie das preußische Ministerium 1842 den Beschluß begründete, der Hoffmann von seiner Breslauer Professur absetzte:Der Inhalt dieser Gedichte hat als ein durchaus verwerflicher erkannt werden müssen. Es werden in diesen Gedichten die öffentlichen und sozialen Zustände in Deutsch  « land, und respektive in Preußen, vielfach mit bitterem Spott an« gegriffen, verhöhnt und verächtlich gemacht; es werden Gesinnungen und Ansichten ausgedrückt, die bei den Lesern der Lieder, besonder? von jugendlichem Alter, Mißvergnügen über die bestehende Ordnung der Dinge, Verachtung und Haß gegen Landesherrn und Obrigkeit hervorgerufen und einen Geist zu erwecken geeignet sind, der zunächst für die Jugend, aber auch im allgemeinen nur verderblich wirken kann." Die Massenerzeugung von allgemein und unbestimmt schwärmender Freiheitspoesie war am reichsten vor der Revolution. Die Tat verscheuchte dann die Menge der Unbeträchtlichen, denen es schwül ward bei dem Gedanken, sie könnten am Ende die blutigen Wirklich« leiten reimend verschuldet haben, und schuf so Raum für die mächtige Gestalt des Größten, der die Revolution ahnend rüsten half, sie dann zornig anklagen und gewaltig wecken ließ, als ein Freischärler der Dichtkunst mitkämpfte und mit ihrem Zusammenbruch ver« stummte. 1850 ist es mit der politischen Lyrik überhaupt zu Ende. Mit einem satirischen Lächeln der Ueberlegenheit wandte man sich von der Revolution und der revolutionären Lyrik ab, etwa in der Stimmung, die ein Tagespoet Ende 1349 in der verödeten Pauls« kirche empfand: Ha, diese Pulte, wie sie seltsam mich Und wie zum Hohn den dreigefärbten Fahnen An dich, mein armes Vaterland, an dich, Das tiefer noch als sie zerschnitten, mahnen! Wo deine Größe, wo dein junger Stolz, Wo deines Mutes ftisches Atemholen? Am Tage nackt liegt nun das rohe Holz l Das schöne Grün der Hoffnung ist gestohlen! Hinatls I Gottlob I Wie scheint das tiefe Blau Des freien Himmels jetzt mir doppelt heiter t Ein gutes Denkmal, Frankfurt  , ist der Bau, Und ein Magnet für deine Freunde weiter. Es bringt ein hübsch Stück Geld in deinen Sack, Ein neuer Segen sür die Krämerkasse. Geht mir mit eurer Freiheit I dummer Schnack l Fort, Kutscherl in die Eschenheimer Gassei Um da? Recht der politischen Lyrik wurde in der revolutionären Zeit heftig gestritten; sie war ja zumeist nur Literatur und deS« halb Gegenstand von Literatendiskussion. Trutzig sang Robert Prutz   t Nun gut I so rutscht denn auf dem Knie Und räuchert eurem Fetisch, Und klagt, die neue Poesie Sei gar zu unästhetisch: Dich, deutsche Jugend, dich allein, Dich suchen diese Liederl Dein Ohr ist wach, dein Herz ist rein, Dein Busen hallt sie wieder! Grillparzer   aber höhnt in holprigen Versen die lyrischen Helden, die für die Freiheit gestorben, das heißt: in okLgis: Was sonst noch deS Fortschritts Bürgschaft; Zolleiuung und Eisenbahn, Zwei-Kammern-, Drei-Felder-Wirtschaft Beut sich zum Besingen Euch an. In einemGrenzboten"- Aufsatz stellt 1844 Hieronymus Lorm  eine Theorie der politischen Dichtung auf:.Je ausschließlicher in unseren Gedichten die Freiheit besungen wird, desto mehr ist zu be« fürchten, daß die Freiheit immer ausschließlicher zum Gedichte werde". Das Unfertige, Werdende lasse sich nicht dichterisch ge« stalten, die Lyrik werde dabei befleckt und erstickt vom wirbelnden Staub, den die irdischen Kämpfe aufwühlen.Nur die Geschichte» nicht die Poli tik kann zu lyrischen Gefühlen anregen".