auch nitt Gehst Du drauf dabei— Du Hafts selbst gewollt.Vorwurf Hab ich kein!"„Nein, Mutter, Vorwurf hast Du keinen. Und laß dieLeute nur sagen- Die sagen schon, seit ich auf der Welt bin.Und die werden noch Weiler sagen. Der Michel muß dochWas haben, worüber er sabbern kann. Laß!"„Aber man lebt mit den Leut— und manchmal habensie ja auch recht. Nit in allem, was sie sagen, aber inmanchem."„Na ja, Mutter, dann laß sie recht haben."„Meintswegen auch!"Dann gingen sie schlafen. Die ganze Welt war still.Nur in der Ziegelhütte schrie ein Kauz, so daß die Mutternoch sagte:„Der Teufel soll den Totenvogel holen! Wen der wiederruft! Ich glaub,'s wird die alt Stangin diesmal kosten.Unser Herrgott verzeih ei'm die Sünd, aber das alt Feg-feuer hat gerl.d lang genug gelebt."Der Kauz schrie weiter. Die alte Stangin starb richtigin der Nacht.«Ein Totes in der Gass'— Gutes bedeut das nit,"sagte andern Tags die Mutter.Aber der Philipp schlugs in den Wind-7.Dia akademischen Bürger der kleinen Universität habeneinen unter sich, den sie belächeln. Philipp Kaiser hat sicheinen Weg gesteckt und geht ihn. Schleicht ihn, kriecht ihn,bleibt am Boden liegen und steht wieder auf; aber er kommtweiter. Von Semester zu Semester immer ein Stückchen.Seine ganze Energie hat er gesammelt— er unterrichtet, erhungert, er verdient sich wieder ein wenig— und er bleibtguten Muts und arbeitet. Er will— und wenn er draufgeht. Er denkt an die Mutter und an das Dorf und andie Schullehrer, die seine Kollegen waren, und deren Augener all auf sich gerichtet fühlt. Sie treiben ihn. sie fordern.Sie brennen auf ihn wie Stichflammen, und wenn er schwachwerden will, dann sieht er in sie hinein und sammelt sie allein einem Blick und läßt sich von ihm in die Höhe reißen.Manchmal spürt er, was er vom Leben verliert—manchmal spürt er, wie ihm die Jugend entschwebt, ehe ersie gehalten, ehe er sie genießen konnte. Aber er schlägt esnicht an. Er gewinnt ein anderes dafür.Man nennt ihn einen Philister- Er läßt sich ruhig sonennen. Er meint, er ist doch keiner. Dann spürt er abermanchmal, wie eine Schwere schon in ihm liegt. Es gibtdoch mancherlei Gelegenheiten der Geselligkeit, die sich ihmdarbieten, ohne daß er sie sucht. Dann merkt er, wie leichtdie anderen sind. An ihrer Leichtigkeit merkt er, wie schwerer ist. Er tanzt nicht, er trinkt nicht. Er meidet die Zu-sammenkünfte. Man sagt ihm: das geht nicht, du versauerst.Du wirst verrückt. Du machst dich kaputt. Du mußt auchwas von deinem Leben haben. Wenn die Jahre um sind,ist es nicht mehr nachzuholen.Er schlägt es in den Wind- Und er läuft spazieren. Erläuft stundenlang durch den Wald, er schwimmt und turnt,und im Winter kommt er fast nicht vom Eise heim.Die Mutter bittet er nie um Geld. Dann und wannlegt sie ihm aber einen Fünfmarkschein ein. Er trägt ihnimmer lange mit sich herum. Schwer entschließt er sich, ihnauszugeben. Nur einmal— da hats ihn so stark gepackt,das Einsamgehen und Armsein, da ist er hin und hat ihnvertrunken, Auf einen Sitz. Dann hat ers bereut, und eswar gut.�Fortsetzung folgt.)?(Nachdruck verdaten.)81 Der f ueba*Ein Tiermärchen von Karl Ewald.(Autorisierte llebersetzung von Hermann Kiy.)Der Fuchs erhob sich, streckte sich, gähnte und sprang mit einemSatz über die Hecke aufs Feld. Die Nachtigall hüpfte auf denäußersten Zweig des Strauches, um besser sehen zu können. UndNun sah sie, wie der Fuchs herumging und einen Grasbüschel nachdem andern abbiß, bis er schließlich ein ganzes Bündel im Maulehatte. Damit ging er bis an den Rand des Wasserloches.Da rief die Nachtigall:„Du frißt ja Gras wie eine Kuh."Doch der FuchS erwiderte:„Daß Du Dich nur nicht irrst! Sohungrig bin ich noch nie gewesen, daß ich Gras gefressen habe. Abernun sollst Du sehen. Jetzt gehe ich rückwärts ins Waffer, denSchwanz voran. Du weißt wohl daß die Flöhe das Wasser uichivertragen? Gut. Sobald nun die Spitze des Schwanges unter»Wasser kommt, springen die Schlingel, die dort sitzen und michbeißen, an dem Schwanz hinauf, was das Zeug halten kann. Ichtauche den Schwanz immer weiter nach vorn. Nun gehe ich lang<>sam rückwärts ins Wasser, und die Flöhe galoppieren weiter undweiter nach vorn. Verstehst Du mich?"„Die Sache ist nicht so schwer zu verstehen; aber ich begreifenicht, wie sie endigen soll."„Hör zu. Die Flöhe laufen also vor dem Wasser werter undweiter nach vorn. Und ich gehe weiter und weiter ins Wasser.Zuletzt ragt nur noch mein Kopf heraus, und darauf sitzen nun alleFlöhe. Verstehst Du? Nun tauche ich den Kopf ganz langsamunters Wasser, die Spitze der Schnauze zuletzt. Den Grasbüschelhalte ich übers Wasser, und die Flöhe hüpfen darauf. Dann lasseich den Büschel mit all den Flöhen los, und sie müssen jämmerlichertrinken. Ich aber springe ans Land, so frei von Flöhen wie einneugeborenes Füchslein."„Wie merkwürdig!" rief die Nachtigall..Das muß ich docherst sehen, bevor ich es glauben soll."„Nun sollst Du es zu sehen kriegen. Ich tue eS bloß Deinet-wegen. Im allgemeinen bade ich nicht gern mit hungrigem Magen.Aber ich will Dir doch zeigen, daß man mich verleumdet, wenn manerzählt, ich sei ein schlimmerer Schurke und Räuber als die andernTiere des Waldes. Ich gehe jetzt ins Wasser, um Dir ein Ver»gnügen zu bereiten, zum Dank für Deinen schönen Gesang, womitDu mich in dieser Morgenstunde erfteut hast. Nun gib acht."„Ich gebe acht." Die Nachtigall wäre vor Neugier fast vomZweige herabgefallen.Der Fuchs ging ganz langsam rückwärts ins Wasser, so wie ergesagt hatte und während der ganzen Zeit behielt er den Gras»büschel im Maule. Fuß für Fuß bewegte er sich rückwärts, undzwischendurch blieb ör stehen, wie wenn er nachdächte oder Luftschnappte.„Du hast wohl Angst?" fragte die Nachtigall.Doch er rief ihr zu:„Durchaus nicht. Ich habe eS schon oftso gemacht, und ich schwimme gut, so daß ich mich vor nichts zufürchten brauche. Aber man muß den Flöhen Zeit lassen, sich zubesinnen und davonzuspringen. Sonst könnten sich einige von ihnenvor Schreck in meinem Pelz verstecken. Und das Kunststück bestehtdarin, alle auf einmal loszuwerden, verstehst Du?"Langsam spazierte er weiter rückwärts, Fuß für Fuß. Nsid alszuletzt nur noch die Spitze der Schnauze aus dem Wasser hervor-ragte, lies er den Grasbüschel los, sprang ans Land und schütteltesich. Gleich darauf war er wieder mit einem gewaltigen Satz überdie Hecke gesprungen und lag auf seinem Platze unter dem Flieder-strauch.„Nun möchte ich wünschen, daß die Sonne aufgeht und michtrocknet," sagte er.„Jetzt bin ich schläfrig, und eS ist nicht gesund,zu schlafen, wenn man naß ist. Aber die Sonne muß ja wohlbald hier sein, denke ich."„Ich habe die Flöhe nicht gesehen," versicherte die Nachtigall.„Du kannst sie drüben auf dem Grasbüschel finden," war seineAntwort.„Da sind sie. Oder Du kannst auch in meinem Pelzenachsehen. Ich gebe Dir, was Du verlangst, wenn Du auch nureinen einzigen findest.— Gute Nacht I Ich kann die Augen nichtlänger offen halten."„Das ist sehr merkwürdig!" sagte die Nachtigall wieder.Sie schaute zu dem Grasbüschel hinüber, der auf dem Wasserschwamm, und hatte die größte Lust, hin zu fliegen, um sich davonzu überzeugen, ob die Flöhe wirklich darauffaßen. Aber sie wagtees nicht. Und so dumm, zum Fuchs hinabzufliegen und seinenPelz zu untersuchen, war sie nicht. Da hatte sich der hinterlistigeBurscbe denn doch verrechnet! Das war natürlich nur eine Fallet„Du roter Fuchs!" begann sie.„Ich will Dir bloß sagen, daßich Dir nicht glaube, bis ich die Flöhe sehe. Schwimme hinausund bring das Heubundel wieder ans Land, damit ich sehe, ob dieSache sich so abgespielt hat, wie Du behauptest."Der Fuchs antwortete nicht. Er schlief. Sein Bauch bewegt«sich in regelmäßigen, schweren Atemzügen auf und nieder.„Hafyi! Du hältst wohl«in Fuchsschläfchen? Gib die Komödienur auf. Mich kannst Du doch nicht anführen. Ich habe mich inder Welt zu gut umgesehen und kenne die Füchse in allen Ländern."Aber der Fuchs antwortete nicht. Eine Weile sah die Nachtigallda und betrachtete ihn. Sie hüpfte auf den Zweig unter ihr, beugteich vor und guckte hinab. Ja, die Augen des Fuchses waren wirk-lich fest geschlossen. Große Wassertropfen glänzten auf seinemPelz. T�e Nachtigall meinte, es sei doch schade, wenn er sich hierin oer kalten Morgenluft erkälten sollte; war er doch tatsachlichihretwegen ins Wasser gegangen I Darum schlug sie dengroßen Triller an mit dem sie den Sonnenaufgang zu begrützei«pflegte. Und als sie den Triller kaum zu End« gesungen hatte, dakam die Sonne hervor, rot und rund. Ein Weilchen noch, und ihr«Strahlen sielen schräg auf den schlafenden Fuchs.„Gott sei Dank!" überlegte die Nachtigall.„Nun wird er baldtrocken werden, und dann kann ihm das Bad nicht schaden.— O,wie er schnarcht.-- Er scheint wirklich zu schlafen.---Gott mag wissen, ob seine Flöhe wirtlich alle verschwunden find.Ich möchte für mein Leben gern mal nachsehen, aber ich habe nichtden Mut dazu. Er sagte ja allerdings, er schliefe sehr fest nach einemBade; und er sagte auch, er mache sich nichts aus Nachtigallenfleisch.Aber darauf kann man sich natürlich nicht verlassen. Wer darf einem