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Der schwächste aller Menschen ist der Wollüstling, der nach dem I sawunden? Jn Berlin   gibt sich ein oder der andere Künstler alle Leibe sowohl als der nach dem Geiste, ich meine der Hurer und der Mühe, die alten Schäße und Gepflogenheiten wieder zu erweden. Betbruder, der, der mit Mädchen und der mit Religion hurt. Gott   Doch es scheint da ganz besonders an unseren Stadtverwaltungen bewahre alle Menschen vor einem so hurenden Könige und Minister. zu fehlen, die gerade hier versagen. Und Gott behüte einen solchen König und Minister vor vernünftigen Untertanen.

An volkstümlichen oder sagen wir: billigen Konzerten fehlt es ja feineswegs mehr. In Frankfurt   a. M., Hamburg  , Nürnberg   und München   und wohl auch anderswo, zum Teil durch Gewerkschaften, Darf ein Volt seine Staatsverfaffung ändern, wenn es will? finden solche Konzerte mit Preisen von etwa 30 oder 40 Pf. ftatt. Ueber diese Frage ist sehr viel Gutes und Schlechtes gesagt worden. In Berlin   bekommen die uns schon bekannten Versuche Fortsetzung Ich glaube, die beste Antwort darauf ist: Wer will es ihm wehren, und Ergänzung. Am Sonntag begannen die Populären Kon wenn es entschloffen ist? Allgemein gewordenen Grundsägen ge- zerte des Blüthnerorchesters( 75 Pf. bis 1,50 M.) und die mäß handeln ist natürlich, der Verfuch fann falsch ausfallen, allein Sonntagskonzerte des Schiller Theaters( 75 f. es ist nun einmal zum Versuch gekommen. Diesem Verfuche vor- bis 1 M.); am Dienstag wurden Bolts Sinfonie Kon­zubeugen, müßten die Weisesten die Oberhand haben, und diese zerte" in der Neuen Welt, und zwar als städtische Veranstaltung Wetiesten müßten eine Menge der Weisesten oder der Unweisesten, von Rigdorf eröffnet( 20 bis 60 Pf., mit Altohol und Rauch). gleich viel, fommandieren können, um die Bernunft der Besseren, Mehrere Appelle au Städte wie Berlin   und Wien   um öffent und den Gehorsam der Schlechteren immer nach derselben Seite liches Mujilipiel scheinen vergebens. zu lenken.

Schreiben des veibmeditus 8( immermann) an die Pest zu Ston­ftantinopel, nebst seiner Majestät Antwort darauf. Er bittet fie im Namen des gesamten aristokratischen Deutschlands  , einen Einfall in Frankreich   zu tun, um den Hunden den Garaus zu machen. Es wird ihm aber in Gnaden abgeschlagen. Unterzeichnet Faulfieber.

Was der Soldat für ein Tier ist, sieht man deutlich aus dem gegenwärtigen Krieg. Er läßt sich gebrauchen, Freiheit festzulegen, Freiheit zu unterdrüden, Könige zu stürzen und auf dem Thron zu befestigen. Wider Frankreich  , für Frankreich   und wider Polen  .

Volkstümliche Mufik.

Volkstümliche Konzerte. Ein Boltsliedersaal" hat sich in Berlin   aufgetan, unternommen von Ludwig Neuner und Erik Meyer helmund, und hat am Freitag seine Konzerte begonnen, die nun allwöchentlich dreimal( Sonntag, Dienstag, Freitag) im Tiergartenhof stattfinden sollen. Breis 0,75 und 1,25 M., an Biertischen ohne Rauchen. Man fann einem solchen Unternehmen mit seinem guten Willen, weiteren Streifen eine leicht zugängliche Musik darzubieten, bon von vornherein nur mit Interesse ent­gegenkommen. Bei dem ersten dieser ,, bolkstümlichen Liederkonzerte" hatten wir sogar die Freude, einigen wirk lichen Volksliedern zu begegnen. Die meisten von ihnen wurden gesungen von Hedwig Kaufmann- Weidert, die uns von einem Konzerte der Freien" her in gutem Andenken steht; und da tat eine ausdrucksreiche Gesangstunst noch das Ihrige dazu, um uns ein Jütländisches Tanglied" und ein paar süddeutsche Volfs strophen   recht sympathisch zu machen. Der Vortrag einiger uns begleiteter Chöre durch den Grell- Verein erinnerte uns an den vor mehreren Jahrzehnten hier wirkenden Komponisten und Dirigenten E. A. Grell, der mit seiner Begeisterung für den ausschließlichen Wert der Wokalmusik wohl auch an dem neuen Unternehmen seine Freude haben würde.

Aber nun darf man doch fragen: Wenn schon der vollstümlichen Liederkunst und speziell dem Volksliede selbst gehuldigt werden soll, ist es da berechtigt, wieder nach landläufiger Konzertweise ein Durch­einander von Allerlei zu geben und dabei Kunstgefänge voranzu­stellen, wie man sie auch sonst zu hören pflegt? Ein eftchor aus einer Gludichen Oper ist allerdings eine erfreuliche Seltenheit, im Gegensatz etwa zu einer italienischen Arie von Beethoven  , aber was ist daran voltlich"? Könnten wir nicht mal z. B. eine Auslese aus Ludolf Waldmann   bekommen, für den jegt eben zu einer Ehrengabe aufgerufen wird?

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Aber vielleicht machen uns diese populären Instrumentalfonzerte die besondere Freude und befinnen sich besserer Programme, als es die der üblichen Kunst- oder vielmehr fünstlichen Abende sind. Vorläufig sind sie hauptsächlich nur für Hörer angelegt, denen Am meisten gilt der musikalische Stoff bereits näher vertraut ist. dies wohl von den Konzerten im Schiller- Theater. Namentlich das dort gepflegte Klaviertrio ist eine Feinschmeckersache, allerdings auch in dem Sinne, daß die Stücke mit feinem Geschmack vorgetragen werden. Breiter wirken etwa Lieder von Schubert, zumal wenn sie so vollendet zu hören find, wie dort. Aber nun dente man fich einmal in die Hörer aus weiteren Kreisen hinein: was bedeutet für fie eine Programm Ankündigung wie Em. Chabrier: Espana Rhapsodie" im Blüthner  - Konzert, oder Liszt  : Les Préludes  ", sinfonische Dichtung im Nigdorfer Konzert?

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Hier hats die Stadt gleich im größeren angelegt: Blüthner­Orchester unter Hofkapellmeister b. Strauß. Sogar Beethovens Pastoralsinfonie gab es da; doch wieviel würde gewonnen sein, wenn das Programm auch die deutlichen Erläuterungen des Kom­ponisten hinzufügte! Ueber die Vortragsleistungen selbst ist da wie dort am wenigsten zu flagen, zumal wenn man annimmt, daß der Nixdorfer Abend noch nicht über viel Proben verfügen fonnte. Merkwürdig: alle die drei legtgenannten Konzerte hatten, und zwar wohl mit besonderem Eindruck, den Russen Tschaikowsky   auf dem Programm. Wenn aber solche Konzertunternehmungen nicht auch in die Tradition der Volksmusit hineinlangen: wo bleibt uns da sonst noch Hoffnung darauf?

Kleines feuilleton.

Märtyrerinnen der Tanzkunst.

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SZ.

Der genießende Bewunderer förperlicher Anmut und Grazie, der wohlig in seinem Parkettfig zurückgelehnt die zierlichen Ballettensen mit einem Lächeln auf dem rosig gepuderten Gefichtchen über die Bühne schweben sieht und auf den Augenblid wartet, in dem schließlich die berühmte Prima Balle rina, die große Tänzerin, aus den buntichillernden Kulissen hervor­huicht, er weiß wenig von den furchtbaren Qualen, von den förper­lichen Leiden und Entbehrungen, die der berühmte Star überwinden mußte, ehe er wagen durfte, unter dem rauschenden Beifall bes wundernder Zuschauer die Geseze der Schwerkraft scheinbar zu wider­legen. In London   Magazine" schildert James de Conlay die Mühen und Leiden der geschulten Tänzerin. Mit Entzücken fab jeder die Genée mit ihren zierlichen Füßchen in wirbelnden Pirouetten über die Bretter gleiten, aber wer von den Tausenden weiß, daß die vielbewunderte Tänzerin fast allabendlich nach dem Auftreten hinter den Kuliffen vor Schmerz weinend zusammenbrach und mit peinverzerrten Rippen auf die fleinen Füße fah, die soviel Begeisterung hervorgerufen hatten. Odette Balérie mußte schließlich den ganzen Tag über in einem vollkommen dunklen, stillen Raum liegen, um ihre Nerben bon Es scheint fast ein Verhängnis auf all unseren Gesangsgesell- den gewaltsamen Anstrengungen zu erholen, die ihr Beruf ihr grau­schaften zu lasten: ste finden nicht recht den Anschluß an die Sanges- fam auferlegte. Wenn die Pawlowna am Abend ihren Tanz voll­Große Tänzerinnen tradition unseres Voltes. Wie dankenswert und dankbar würde es eudet hat, dann fintt fie in die Knie. fein, wenn sie uns ein Bild davon gäben, wie die verschiedenen sinten nach anstrengenden Leistungen hinter dem Stände feierzeit ihre Leiden und Freuden hinausgejungen oft fraftlos hin, wenn nicht eine Ohnmacht das gewaltsam haben und wie sie es wahrscheinlich heute noch tun! Aber gute gestörte Gleichgewicht der Natur wiederherstellt. Die furzen Augen­Klassikermusik und schlechte Liedertafelei beherrschen fast allein die blicke des Triumphes find teuer erkauft, die heiteren Genüsse des Sangesprogramme. An bereits zahlreichen Volkschören- im Sinne Lebens bleiben der echten Tänzerin fast immer verschloffen. Die von gemischten Arbeiterchören fehlt es nicht. Jedoch z. B. schon Boltsmeinung geht irre, wenn sie mit einer Tänzerin so gern die bei unserem Berliner   Volkschor" ist ein eigentlicher Bollslied- Abend,| Vorstellung von einem sorglofen, ausgelassenen Lebenswandel ver­wie es der neuliche mit den Madrigalen war, eine Ausnahme. fnüpft. Die Anforderungen des Berufes find rein förperlich so schwer, Die stetige Ueberlieferung urwüchsiger Heimatsmufit ist wohl daß sie von selbst eine Reinheit des Lebenswandels zum Gesetz er gar nicht in der Gesangs-, sondern vielmehr in der Instrumental- heben. Das Ballett erzieht seine Böglinge zu den ehrfanisten Frauen musit fuchen. Namentlich draußen auf dem Lande der Welt, zu denen, die hart arbeiten und mafellos leben. foll es mit dem Gesangvereinswesen ganz jämmerlich stehen und das Als Kleines Kind von sechs Jahren beginnt für die kommende Wolk selbst gar keinen Anteil an ihm nehmen dant einem guten Tänzerin der Ernst und die Bitterkeit des Lebens, und jeder Schritt, Instinkt. Um so mehr aber werden die Musikkapellen, die eigentlichen jebe Bewegung erfordert fast ein Jahr Lehrzeit. Biele Jahre ver Spielleute, zumal in den Alpenländern, als gute Bewahrer uralter gehen, bis sie zum ersten Male als Elebin ein paar Mark Wochen­Traditionen gerühmt. Daz:: tommt, daß in vielen fleinen Städten gage verdienen, und fast immer liegt eine zehnjährige Lehrzeit hinter noch die alte Einrichtung der Stadtmusikanten besteht, die ganz einfach dem zarten Mädchen, bis es sich zur ersten Reihe" vorgearbeitet das Handwerk vom Lehrling angefangen vertreten. Aber wohin ist die hat und eine Wochengage bon bielleicht 40 m. bezieht. Aber dann, frühere Fürsorge eifriger Städte für ihre Turmmufit oder für all wenn Fleiß und Talent fich glücklich bereinen, dann kommt auch die die Varianten der ritterlichen Trompeterkunft" u. bergl. ent- bessere Zeit. Berantw. Rebatt.; Carl Wermuth, Berlin  - Rigdorf.- Drud u. Verlag: Borwärts Bugeruderei u.Verlagsanstalt Baul Singer& Co., Berlin   SW

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