paar Kapitel gelesen hat. Er schildert daS Bauernbolk. wie es ist: roh. gewalttätig dem SdmapStenfel wehrlos ergeben.Das Volk bat sich ins Elend getrunken, es ist verwildert und verwahrlost, e» will nicht arbeiten, hat arbeiten nie gelernt... hilflos und un- wissend lebt eS, sich selbst überlasten, sein eigenes, armseliges Ge- schick.. Rodionow wil mit seinem Buche, wie er im Borwort sagt,die Aufmerksamkeit der gebildeten russischen Gesellschaft auf ihre schwächeren Brüder lenken, denen der Untergang droht". Das Unterfangen wird aber der russischen Bourgeoisie herzlich gleichgültig bleiben. Ist sie eS doch selber, die das Volk in Dumniheit und ärgster Lasterhaftigkeit versumpfen lästt, un, es so sich für die eigenen Lüste und Verbrechen gefügig zu erhalten I Die Bilder, die der Verfasser entwirft, sind keine Erdichtungen, sondern direkt dem Leben des Bauernvolkes entnommen weder mit verstärkten noch gemilderten Farben. DaS großzügige Gemälde ist von erschütternder Wahrheit und kann sich auch, was die naturalistische, doch küust- kerische Darstellung betrifft, der wuchtigen Schwere einer Dosto  - jewskyschen Feder an die seite stellen. Während deS russisch  -japanischen Krieges, präziser um den Fall von Port Arthur herum, spielt:Aus Slurmeszeit" von Anastasia Werbizkaja, verdeutscht von Frieda Stock(Berlin  . I. Ladyschnikow Verlag). Der Titel dieses großangelegten, an igurcn und Handlungen reichen Romans ist in doppelter insicht gut gewählt. Es geht wie ein Sturm durch das ganze 847 Druckseiten starke Buch. Alles ist voll Bewegung, alles ist draina- tisch. Glutvolle Leidenschaft in Liebe und Haß quillt uns entgegen. Die Revolution in Moskau   mit ihren Straßenkämpfen, kosakiichen Metzeleien, Streiks, Barrikaden bildet gewisicrrnaßen den Gluthcrd für die Konflikte, tragischen Geschicke und heiteren Episoden sogar. Alle Charaktere: Kaiserlich gesinnte wie Sozialdemokraten und Sozialrevolutionäre, Intellektuelle wie Arbeiter, Männer wie Frauen sind plastisch gezeichnet; insbesondere aber die Frauen. Und das ist natürlich; denn die Autorin ist wohl selbst dabei gewesen. Indessen ist in diesem kühn entworfenen und mit genialer Kraft auS- gestalteten Gemälde doch die Geschichte einer Ehe mir allem Drum und Dran die Hauptsache. Der Held ist eine durch und durch egoistische Natur, der sich zum Anarchisten entwickelt. Seine Frau teilt seine revolutionären Anschauungen nicht. Sie will den Mann nur für sich haben. Das ist ihm unmöglich. Sein sinnliches Naturell entzündet sich an anderen Frauen. Die Seine entfremdet sich ihm mehr und mehr; und er entfremdet sich ihr. In seinem Wesen dokumentiert sich der Zusanmiensturz des Alten, der Aufbau de« Reuen.In unserer Umgebung, sagt er selbst, hätten sich keine Elemente gefunden, die das Alte zerstört und Neues geschaffen hätten. Nur die Epochen, in welchen das gesellschaftliche Bewußtsein er- wacht, erzeugen diese persönlichen und Familiendramen. Nur die Revolution deckt alle Gegensätze zwischen den Menschen auf. die sich in der Epoche der Reaktion ebnen und nicht zum Vorschein kommen. Ich liebte meine Frau und wurde ihr täglich immer fremder. Ich liebte Tanja und Wera Jwanowna nicht, und trat ihnen täglich immer näher. Ja, die alte Ethik stürzt zusammen. In Qual und Blut, im Dunkel der Nacht keimt eine neue Ethik empor. Der Sturm des neuen Lebens erstickt mit seinem glühenden Atem das heilige Feuer des häuslichen Herdes. Und niemals werden wir umkehren, um uns an dem alten Aschenhaufen zu wärmen!" Mit «iner Hymne auf die neue Zeit, die angebrochen ist, schließt das Buch. Paul B a r ch a n, ein anderer Russe, der übrigens auch ein sehr gutes Deutsch   schreibt, weshalb er keines Uebersetzers bedarf, hat sich im Gegensatz zu Moskau   Petersburg   als Schauplatz für seine Schilderung erkoren.Petersburger Nächte"(S. Fischer, Berlin  ) nennt er die Skizzensammlung. Sie zerfällt in folgende Rubriken:Fremde";Petersburg   und die Jahreszeiten";Russische Verhältnisse":Russisches Wesen";Um die Literatur". Es sind witzige, doch auch nicht des Ernstes und selbst der satirischen Seiten« fprünge entbehrende Betrachtungen eines gründlichen Kenners des Petersburger Wesens, dem man sich schon anvertrauen darf. Ein Unternehmen jedoch, das vomInternationalen Komitee zur Unter st ützung der Arbeitslosen in Rußland  "(Sitz in Lausanne  ) vor zwei Jahren bereits begonnen wurde nnd das jedenfalls uns Sozialdemokraten am allernächsten liegt, stellt sich dar in dem Buche:Freiheit und Arbeit". Dies ist der erste Sanimelband eines auf mehrere Bände geplanten Werke?. Es ist aus freiwilligen Beiträgen bekannter Dichter und Schriftsteller zusammengesetzt, und Genosse Eduard B e r n st e i n, der ihm ein zweckdienliches Vorwort auf den Weg gegeben, hat recht, wenn er es in bezug aufGaben verschiedener Gattung und wohl auch von verschiedenem Wert. Gaben von verschiedenen' Ver- fassern, die in ihren Grundanschauungcn vielfach auseinandergehen", einen geistigenBazar" nennt. Der Inhalt des Buches setzt sich aus Novellen, Konwren, Märchen, Fabeln und Legenden, ferner aus zahl- reichen Gedichten und Artikeln zusammen. Unter diesen letzteren find höchst bemerkenswert dieMotive" über ästhetische Kunst- fragen von Alfred Mayer und ein BruchstückFrankreich  " aus einem Essay von Heinrich Mann  . Die Expektoration Revolution" von Johannes Schlaf   dürfte aber doch mit einigem Kopfschütteln hingenommen werden; wenigsten? in dem Teile, den Schlaf Rußland   widmet. Rußland   werde niemals aus der theokratischen Staatsform herauskommen; allenfalls sei eine theo- kratische Konstitution denkbar usw. usw. Das Heil aller Welt erblickt Schlaf in einer ch r i st l i ch e n Sozietät usw. Jeden« falls ist sicher, daß er sich über den Sozialismus noch wenig Kopf- schmerzen gemacht oder ihn gar nicht verstanden hat. Glücklicher« weise hat alles noch so tiefsinnig sich gebärdende Theoretisieren bürgerlicher Ideologen kaum jemals einen mehr als vorüber« gehenden Einfluß auf die Menschheitsentwickelung genommen. Es geht vorüberwie der Kaffee", um einen Ausspruch der Madame de Sevignö zu brauchen. Im übrigen ist anzuerkennen, daß alle in diesem interessanten Buche vertretenen Autoren sich, nach Bernstein  , in dem einen schönen Bestreben zusammenfinden, dem daS Erträgnis aus diesem Unternehmen dienen soll. Und das heißt: Unter st ützung der Arbeitslosen in Rußland  . Aus Rußland   hinaus führt uns ein Kranz von Novellen, den ihr Verfasser: Otto Alscher   unter dem Titel:Mühselige und Beladene"(Egon Fleischel u. Co., Berlin  ) gewunden hat. Rumänien   ist der Swauplatz; Hirten und Zigeuner sind die Helden dieser von eineni eigenartigen poetischen Dust umwehten Erzählungen. DaS ist sicher ein Buch, das Freude macht. .,. AehnlicheS läßt sich auch vonSee Volk", Erzählungen aus nordländischem, besser schwedischem und finnischem Seemannsleben, (Leipzig  , Georg Merseburger) behaupten. Ihr Verfasser, John William Nylander  , stammt von der Südküste Finnlands   und war wirklich Seemann von Beruf. Das erinnert lebhaft an de? verstorbenen Dänen Holger DrachmannSSrrandgeschichten". Chaf. H. Fisher hat diesemSeevolk  " eine Biographie des Dichters vorausgeschickt, aus der höchst interessante Einzelheiten zu erfahren sind. Jeden- falls ist es eine originelle Gabe, die auch ihren Weg machen wird. Endlich verzeichnen wir eine Uebersetzung der Werke des in London   lebenden Ghettoschriftstellers I. Z a n g w i l l von Hans Heinz EwcrS(Berlin  , Siegfried Cronbach). wovon bisher drei Bände (Der Meister",Der Mantel des Elijah", Romane, sowie der NovelleubaudDie graue Perücke") erschienen sind. Ernst Kreowski. kleines feuiUeton. Statistisches. Das enorme Anwachsen New DorkS. Noch immer ist London   die größte Stadt der Welt und wird es auch unbestritten in den nächsten Jahrzehnten bleiben. Sic ist an Bevölkerungszahl den übrigen Städten, mit einer Ausnahme, weit voran. Diese Ausnahme bildet New Fork, das London   nahe auf den Fersen ist. Es zählt bereits eine fast doppelt so große Bevölkerung wie Paris  , die drittgrößte Stadt der Welt. Nehmen aber beide Städte, Lon- don und New Dork, in gleichem Verhältnis wie in den letzten zehn Jahren an Bevölkerungsmenge zu, so dürfte es nur einiger Jahr- zehnte bedürfen, und New Aork hat London   den Rang abgelaufen. Das Wachstum New Dorks seit zehn Jahren muß als geradezu wunderbar bezeichnet werden. Im Jahre 19tK> betrug seine Be­völkerungsziffer, nachScient. Am.", 8 437 202. Am 1. September 1910 wurden durch das städtische Zählungsbureau 4 766 883 Ein- wohner festgestellt. Der Zuwachs innerhalb der zehn Jahre betrug somit 1329 681 Personen, also 33,7 Prozent. In kleineren ameri- konischen Ortschaften, namentlich in aufblühenden Minendistrikten, mag ja manchmal der Prozentsatz ein noch weit höherer sein für eine Stadt von der Größe New Dorfs muß der vorliegende aber als ganz außerordentlich bezeichnet werden. Von jeher schon zeichnete sich New Dork durch sein außerordent- lich schnelles Wachstum aus. In den 126 Jahren seit 1796 waren nur. vier Jahrzehnte zu verzeichnen, in denen der Prozentsatz hinter dem letzten zurückblieb. Von 1816 bis 1826 betrug die Zunahme 23,4 Proz., und sank in der 1876 endenden Dekade infolge des Krieges auf 16,8 Proz. herab, stieg aber 1886 wieder auf 28 Proz. Der größte Zuwachs, nämlich 82,7 Proz., war in den zehn auf den Revolutionskrieg folgenden Jahren zu vermerken, denn 1796 hatte die Stadt nur 33171 Einwohner, 1866 dagegen schqssi 66 515; die Zunahme war auch in dem darauffolgenden Jahrzehnt eine sehr bedeutende, nämlich 59,3 Proz. Während sie im Jahrzehnt 1816 bis 1826, wie schon erwähnt, auf 28,4 heruntergegangen war, schnellte sie 1826 bis 1836 wieder auf 63,8 Prozent empor, und hielt sich in den drei folgenden Jahrzehnten stets auf mehr als 56 Proz. Die erste- Million hatte die Stadt New Dork erst in dem 1886 endenden Jahrzehnt überschritten; in diesem Jahre zählte sie 1 266 299 Einwohner. Die Bevölkerung Londons   belief sich im Jahre 1961 auf 6 581 372 Personen, und gegenwärtig schätzt man die Einwohner- zahl auf über 7 566 666. Paris   besaß im Jahre 1961 eine Bevölke- rung von 2 714 668 Seelen, und mag jetzt aus beträchtlich über 3 Millionen angewachsen sein. Berlin   zählte 1966 2 646 143 Ein- wohner; es wird nie, auch bei stärkstem Wachstum nicht, die Be- Völkerungszahl Londons   oder New Dorfs erreichen können, da bei ihm nur das Stadtgebiet, nicht aber das seiner Vororte, zählt. Tokio  , Japans   Hauptstadt, hatte vor zwei Jahren eine Bevölkerung von 2 685 166 Seelen. Auch Chicago   hat sich während des letzten Jahrzehnts bedeutend vergrößert, und es ist leicht möglich, daß es schon jetzt den Rang der vierten Stadt der Welt einnimmt._ verantw. Redakt.: Varl Mermuth, Berlin  -Rixdors. Druck u. Verlag; Voruuirl« Buchtruclerei u.VerUrgsanjtalt Paul Singer slEo..«erUn Li«.