,9hm, das mag sein/ sagte ich.Aber was ist's mit den Armen?" Ich nenne ihm die alten Leute, denen man den Samowar abgenommen hat. Die sind allerdings bedürs lg, da ist nichts zu holen. Aber man macht eben keinen Unterschied!" Ich nenne die Frau, der man das Schaf gepfändet hat. Auch da äuverl der Vorsteher sein Bedauern, rechtfertigt sich aber damit, daß er die von oben gegebenen Befehle ausführen müsse. Ich frage ihn, ob er schon lange Vorsteher ist und wieviel Gehalt er bekommt. Ja, etwas bekomme ich," antwortet er nicht auf meine aus- gesprochene, sondern auf die unausgesprochene, von ihm erratene Frage, warum er an solcher Tätigkeit teilnimmt.Man möchte es ja aufgeben. Dreißig Rubel monatlich, aber die Sünde wird man nicht los!" Und dann nimmt man die Samoware, Schafe und Hühner weg!" sage ich. Was soll man machen? Ist einmal befohlen. Das Amt hat schon die Aukiion angesetzt." Da werden die Sachen verkauft?" Werden schon untergebracht..." Ich begebe mich zu der Frau, die wegen deS SchafeS ge­kommen ist. Eine winzige Hütte, im Flur das einzige Schaf, das das Staatsbudget iompleltieren soll. Nach Weiberart beginnt die nervöse, von Not und Arbeit erschöpfte Frau sofort erregt und hastig: Da sebcn Sie: so lebe ich hier. Das letzte Schaf nimmt man mir fort. Ich bringe mich so schon kaum durch mit dem Kahlbäuchen da." deutet sie auf die Pritsche und den Ofen.Kommen Sie doch näher, haben Sie keine Angst!" DieKahlbäuche" sind wirklich nichts anderes. In zerrisienen Hemden, ohne Hoien klettern sie vom Ofen und umringen die Mutter. An, selben Tage fahre ich aus das Amt, um mich nach den Einzelheiten der Steueremtreibung zu erkundigen. Der Vorsteher ist nicht da.Er kommt sofort," wird mir ge- sagt. Hinter dem Giller stehen ein paar Leute, die ebenfalls auf ibn warten. Zwei kommen in Paßangelegenheiten. Bringen Geld für ihren Paß. Einer erzählt eine verwickelte Erbscdaftsgeschicbte. Dann tritt ein großer Bauer mit strengem, mürrischem Gesichts- ousdruck zu mir. Er gräbt auf seinen, Acker Erz. Schon seit Generationen. Nun ist plötzlich eine Verfügung erlassen, die das Graben ver- bietet. Auf seinem eigenen Grund und Boden soll man nicht graben dürfen?" sagt er.Wer kann einem daS verbieten? Wir leben ja davon! Schon seit acht Wochen bemühen wir uns darum und finden kein Ende. Die Leute haben keinen Verstand. Ruinieren uns einfach!" . Ich kann auch diesem Manne nicht« Tröstliches sagen und wende mich mit meiner Erkundigung nach den Maßregeln, die jetzt bei der Eleucreimreibung angewandt werde», an den inzwischen erschienenen Vorsteher. Der teilt mir mit. daß die Bauern jetzt mit sieben Arten Steuern im Rückstände sind: 1. KronS<Staats->Zteuern. 2. SemstwolLandschasts-jSteuern. 8. Assekuranzsteuer». 4. Verpflegungssteuern. B. Furagesteuern. 6. Amlssteuern. 7. Doristeuern. Der NmtSvorsteHcr sagt mir, ebenso wie der Dorfvorsteher, daß der Grund der besonderen Strenge in der Beilreibung eine Ver- ordnung von oben ist. Er gibt zu, daß es schwer sei. den Armen etwas abzunehmen, zeigt aber schon weniger Mitgefühl, als der Dorfälteste, erlaubt sich nicht, seine Vorgesetzten zu kritisieren und zweifelt nicht im mindesten an der Notwendigkeit und Berechtigung seiner Tätigkeit. Man kann den Leuten doch nicht alles nachsehen l" Bald darauf sprach ich über denselben Gegenstand mit dem Landschafts-<Semstwo-) Vorstande. Der äußerte schon sehr wenig Mitgefühl nrit den Armen, die er fast nie zu sehen bekam, und eben- sowenig Zweifel an der moralische» Berechtigung seiner Tätigkeit. Zloar gab er in der Unterhaltung zu. daß c's vielleicht bequemer wäre, keinen Beamtenposten zu bekleide», hielt sich aber trotzdem für ein nützliches Mitglied der Gesellschaft, weil andere an seiner Stelle weit schlimmer wären. Da man einnial auf dem Lande ivohnte, warum sollte man da nicht das allerdings nur kärgliche Gehalt eines LandschaflsvorstandeS mitnehmen. DaS Urteil des Gouverneurs vollends war gänzlich frei von irgendwelchen Reflexionen über Samoware, Kälber, Sckafe und Leinewand. die man den Dorfarinen abgenommen, und verriet nicht den geringsten Zweifel an dem Nutzen seiner Tätigkeit. Die Minister endlich und diejenigen, die den SchnapShandel leiten, Verbannungen, Gefängnis-, Zuchthaus- und Todesstrafen be- stinnnen die Minister und all' ihre Gehilsen sind fest überzeugt, daß Samoware. Schafe, Leinewand und Kälber, die man den Armen abnimmt, ihre beste Verwendung zum Schnapsbrennen. Gefängnis- bau und u. a. zur Gehaltszahlung an sie und ihre Gehilfen finden, wovon sie Gesellschaften geben, ihren Fr aien Kostüme kaufen und die unumgänglichen Ausgaben für Reise» und Zerstreuungen be- streiten, die sie zur Erholung von der schweren, omjreifendcn Tätig­keit zun» Wohl des rohen, undankbaren Volkes benotigen. Vincent van Sogb. (Im Salon Caffirer.) Meine Freunde, ich möchte, daß Sie van Gogh liebten, daß Sie ihn liebend erlebten. Denn van Gogh ist einer von denen, die daS Wesen dessen, was dem Menschen der Gegenwart die Malerei sein kann, ausschöpfen. Ein Revolutionär, ein verzehrendes Feuer, eine Entladung der Leidenschast, und dennoch im Innersten seines Emp« finden« und Wollens ein Klassiker, einer, der die Schönheit anbetete und nach der Vollkommenheit geizte. In seinen Sinnen wachten die Instinkte der Raubtiere; er stürzte sich auf die Welt, er riß sie an sich, er trank sie in sich. Er wurde trunken von der Lust an dem, was da wächst und blüht und vergeht. Doch über solchen Entbu» siasmuS, über dies Rasen der Flammen gebot, wenn die Temperatur auf daS höchste stieg. ein Gehirn von messerscharfer Logik, die'Kraft eines spaltenden Intellektes und einer ätzenden Analyse. Ein Urtier, das sich selber zähmte; ein Element. das durch die eingeborene Form zur Wirkung kam. So war van Gogh; so kämpfte er das Leben, besiegte den Stoff und besten Schwere, wandelte die gefangene Materie in erlöste Schönheit, ver» kündete mit Pathos die Herrschaft des Rhythmus und starb im Wahnsinn. Meine Freunde, ich möchte, daß Ihr diesen Helden lieben lernt. Er selbst war die Liebe; er liebte die Sonne, daS Gras, die Ackerfurchen, er liebte alles, was Farben entsendet. Er liebte. Wie nur je ein in Träumen schwelgender Jüngling, ein brünstiger Hirsch, ein im Tode nach dem Leben Schreiender, so liebte van Gogh alles Irdische. Er verbrannte eS in seiner Liebe, um ihm die Reinheit eines höheren Daseins, das Ewige der schönen Form, zu schenken. Solcher Wunder die Fülle und mehr gibt es an jener Stätte zu sehen, da seit zwölf Jahren ftetS dem Wesentlichen, dem Entscheidenden und dem Klassischen in der Kunst aller Tage ge» opfert wird. Ich führe vor ein Bild(Nr. 40), darauf ist das Haus zu sehen, in dem van Gogh damals lebte; es war in Arles , in Südfrankreich . Der Himmel ist blau, gleich dem Mantel der Madonna. Die Häuser stehen in Gelb, sie brennen und strahlen im Strom der Sonne; wo der Schatten fällt, da sind sie grün, kahl, verklingend. Welch Bukett an Farben: das Zeltdach über dem Eingang zur Kneipe ist rosa und blau umrandet, die Fensterrahmen sind chromgeld, die Tür ist grün, und da. wo der eine Flügel offen steht, dunkelt ein Violett. Die Fenster sind zur einen Hälfte von einem müden Lila verhangen, zur anderen mit einem kranke» Gelb. Die Läden der Fenster wettern in Grün, und da, wo die Scheiben zu sehen sind, blickt ein dunkles Blau. Zur Seite, links, steht ein kleines Häuschen, rosa mit grünen Läden, und davor wächst das Grün eines Baumes, über den der Reichtum blühenden Gelbbraunes ausgeschüttet wurde. Und all diese Farben, sie einen sich zu einem einzigen Klang, sie gehören nicht den Dingen, sie schweben darüber, sie musizieren sich selbst zur Lust... Ein anderes Bild<Nr. 26). daS Zimmer, darin van Gogh schlief, als er dort unien war. Das Bett fft chromgelb, schwefelgelb sind Kissen und Lake», rot donnert die Decke. Schmutziggelb mit Sitzen von ausgebleichtem Grün die Stühle; der Tisch orange. Die Mauern und die Türen bescheiden sich mit Waschblau, fadendünn, abgegriffen. Ein sattiges Grün rahmt die Fenster, durch deren Scheiben das Fest des Gartens bellgrün hiueinspiegelt. Ein Hauch von Pfirsich, aber schwer und erdig, liegt auf dem Fußboden. Gleich einem Verliebten, so unermüdlich, so hingebend, schmückte van Gogh den Traum von seinem Zimmer. Man meint einen großen, schwärmenden Jungen zu sehe», der halb ein Gott und halb ein Tölpel, sein Mädchen streichelt. In diesem Zimmer, doch nein: in dem irdischen Ge» fängnis, aus dem der Meister diesen Hymnuö erlauschte hob der Wahnsinn des van Gogh an. Hier wohnte er mit seinem Freunde Gauguin , den er liebte und haßte zugleich, an dessen Bett er sich nächtlich schlich, den er zuletzt mit dem Messer bedrohte; hier lag. im Schlaf gelähmt, der vom Dämon Besessene, den Kopf in blutige Tücher gehüllt. An der Erde gespensterte das Ohr. daö er sich selbst abgeschnitten. Von hier aus ging er in die Gefangenschaft der Aerzte. Meine Freunde, begreift Ihr die Tragik dieses Zimmers, das Drama dieser Schönheit, daS Unsterbliche dieies Schicksals? Ecco horno, welch ein Mensch, der mit selbstverzehrender Liebe, mit eingespannter Leidenschaft, aus einem Nichts die Herrlichkeit, ouS dem lauernden Tod das ewige Leben schuf. War daö Zauberei? Vielleicht; aber gewiß war eS das Werk einer malenden Genialität. Alles in allem: van Gogh war ein Maler. Wißt Ihr. waS das ist? Seht her: er hat den Briefträger gemalt, einmal auf hellblauem, zum anderen auf grünein Grund (Nr. 41 und 38). Wie das Modell sich wandelte: durchlichtet, weiß- leuchtend steht daS Fleisch gegen das Blau; das Grün läßt im Geficht des Mannes grüne Funken aufsprühen, die Haut scheint gebräunt, die ganze Lebensart scheint nachgedunkelt, auch die Augen verfärbten sich nach grün. Das Objekt ist geblieben, wurde dennoch verändert; es blieb die Nehnlich- keit, eS wechselte daS Bild. DaS gleiche Thema wurde durch den Willen des Malers erst in Moll, dann in Dur verklärt. Das also beißt ein Künstler sein: den Stoff gestaltend, ihm zum Herrn, der eigenen Sinnlichkeit zum Offenbar w werden. So gilt es alle? anzusehen, waS van Gogh geschaffen h.it. Me ist da Naturalismus im Sinne der Photographie zu finden, aber stets destillierte Natur. Nie gibt es da Willkür zu sehen, aber stets eine Offenbaruug aus