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dem Heiligtum der Seele. Es ist eine Luft zu leben! fo fubelt ein Welt als Prediger in der Wüste dastand, sondern daß auch die, Bild( Nr. 18), darauf Mohnblumen wachsen. Sie wachien, das ist denen er im Kampfe gegen das Bestehende ein Führer hätte sein der Charakter des Bildes; man sieht, wie sie sich strecken, wie sie fönnen, an ihm und seiner Lehre vorüberschreiten mußten. Die fich reiben, wie sie sich der Sonne entgegenheben. Man sieht die revolutionäre Arbeiterklasse weiß dem großen russischen Dichter Felder fich aneinander fügen, aneinander laufen, gegen den Horizont Dank für die Aufdeckung der Schäden der bürgerlichen Gesellschaft stoßen. Bewegung ist alles. Olivenbäume( Nr. 15) starren zum und die erbarmungslose Kritik der Kirche, der Justiz, der StaatsHimmel; ihre Wurzeln frallen sich in die Erde, ihre Schatten gewalt. Sie sollt ihm Bewunderung wegen seiner sittlichen Größe schlagen auf den Boden. Darüber fiebt die Sonne; in Millionen und des Mutes, den er auch in den schlimmsten Perioden des russiTropfen trommelt sie durch den Raum. Das, ja das ist unsere schen Galgenregiments bewahrte. Sie geht aber an ihm vorüber, Welt, wie van Gogh fie gemalt hat; fein Sein, ein ewiges Werden. als treibende revolutionäre Kraft der geschichtlichen Entwickelung, Und das eben ist es, ob dessen wir ihn lieben müssen. Er ist einer, um auf den Trümmern der kapitalistischen Gesellschaftsordnung ber uns aufrüttelt, der uns anfacht, daß das Leben schneller durch die von Tolstoi so gehaßte Kultur auf eine neue höhere Grundlage die Adern kreist und der Wille zum Sieg machtvoll die Flügel ent zu stellen. faltet. Durch van Gogh werden die Sehenden zu Wollenden und die Genießenden zu Eroberern. Robert Breuer.
und die Arbeiterklaffe.
Mit Leo Tolstoi ist einer jener Starken, Mutigen dahinge gegangen, die sich in der Misere des bürgerlichen Zeitalters fast zur titanenhaften Größe emporrecken. An der Schwelle einer neuen Beit steheno, die er nicht begriff, nicht begreifen konnte, verförperte er in sich alle Widersprüche der modernen Zeit, die er durch die Wiederbelebung des Urchristentums, durch die Selbstverboll fommnung des Individuums, durch die absolute Negation des Kapitalismus, des Staates, der eratten Wissenschaften zu überwinden bermeinte. Der totale Mißerfolg seiner Lehre und seines jahrzehnte langen agitatorischen Wirkens zeigt am deutlichsten, daß die Widersprüche der fapitalistischen Gesellschaftsordnung nicht überwunden tverden fönnen durch ein urchristliches Prophetentum, durch die Abkehr von der Wirklichkeit. Wie groß der fünstlerische Genius, der fittliche Pathos, der bezaubernde persönliche Eindruck Tolstois auch ivar, er vermochte dennoch nicht die Entwickelung der bürgerlichen Gesellschaft zu beeinflussen, und blieb, trop der gößenhaften Verehrung, die ihm gerade die Repräsentanten der von ihm geächteten Gesellschaft entgegenbrachte, ein Einsamer unter den Millionen, die fich weniger vor seiner Lehre, als vor seiner künstlerischen und fittfichen Größe beugten.
Eine Persönlichkeit wie Tolstoi fonnte nur in dem Rußland des 19. Jahrhunderts entstehen, wo neben den Ueberlieferungen der Leibeigenschaft, den grausamen Härten des Polizeistaates, den Greueln der ursprünglichen fapitalistischen Affumulation, die fommunistischen Ueberbleibsel der bäuerlichen Dorfgemeinde am längften erhalten blieben. In der Einfachheit und Natürlichkeit des Dorflebens, in der Bedürfnislosigkeit und gleichen Armut des russischen Bauern sah Tolstoi das Ideal des Lebens, während die religiöse Dentweise des einfachen Volkes und die intensive religiöse Gärung, die in unzähligen Setten zum Ausdruc tam, ihm die Rückkehr zur christlichen Lehre erleichterten, die er in geläuterter Form zur Grundlage seiner Moralpredigt machte. Alles, was außerhalb dieser Grenzen lag: die städtische Kultur, die Politik, die Wissenschaft, die Kunst, die Eisenbahnen, die staatlichen Organe, der Krieg, der Streit, die Revolution war in gleicher Weise vertverflich. Rettung war nur in der Negation der bestehenden morschen, verderbten Gesellschaftsordnung, in der Rüdfehr zur natüre lichen Lebensweise und der religiös- fittlichen Vervollkommnung des einzelnen Individuums.
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Diese Anschauung, ein Gemisch„ bolftümlerischer" Utopisterei, anarchistischer Negation und christlich- buddhistischer Moralphilosophie, schloß bei Tolstoi ein richtiges Verständnis für den Emanzipationstampf des Proletariats von vornherein aus. Er sah das Elend, in dem die Arbeiterklasse lebte, und brandmarkte mit flammenden Worten die Habgier und Profitout des Kapitals. Aber beide das Kapital und das Proletariat waren für ihn in gleicher Weise unvernünftig und unnük, und die Beseitigung des Arbeiterelends nur durch die Rückkehr zur Naturalwirtschaft möglich. Er faßte das Bestehende nicht als historisch Gewordenes auf, fondern als Produkt böser Rechtsbestimmungen, die nur aufgehoben werden müssen, damit das Paradies auf Erden eintrete. Er stand darin völlig auf dem Boden der rationalistischen Gesellschaftsauffassung der bürgerlichen Aufklärer des 18. Jahrhunderts und konnte darum nie die Dialektik als Grundelement des geschichtlichen ProBesses begreifen. Ein konservativer Anarchist, der die Gesellschaft zum Verzicht auf sich selbst und zur Rückkehr zum urchristlichen Kommunismus überreden wollte, mußte er mit völliger Verständnislosigkeit dem Emanzipationstampfe der Arbeitertlaffe gegenüberstehen, während die Kampfesweise der letzteren, das rüdsichtslose mutige Bordringen gegen den Feind, ihm, dem Prediger des passiven Widerstandes, der Nichtaufhaltung des Bösen, der sittlichen Selbstvervollkommnung, als schlecht und verwerflich erscheinen mußte. Aus demfelben Grunde stand er auch der russischen Revolution feindlich gegenüber, die das feudal- absolutistische Regime natürlich nicht durch Moralpredigten, sondern durch rüdsichtslosen Kampf niederztingen wollte.
Die Tragit in Tolstois Leben bestand nicht nur darin, daß er, angeachtet einer Schar von äffischen Nachbetern, in der bürgerlichen Berantw. Redakteur: Richard Barth , Berlin, Druck u. Verlag:
Neues vom fliegen.
Der Mammon fliegt! Das ist das allerneueste! Von den bescheidenen 5000 Mark- Preisen, die noch vor zwei Jahren die Söhne der Luft lockten, redet niemand mehr. Es müssen schon vier Nullen fein, wenn es ziehen soll. Der 25 000 Mark- Preis des Grafen Zeppelin ist überholt durch den Millionenpreis des französischen Kriegsministeriums. Der General Roques, der Organisator der französischen Militärflugfahrt, berlangt zwar ungeheuer viel von den Bewerbern, aber es ist faum ein Zweifel, daß die Bedingungen im nächsten Jahr erfüllt sein werden.
Die ungeheure Entwickelung in der Flugtechnik in Frankreich , Deutschland , Amerika und England springt am besten in die Augen, wenn man die einschlägige Fachpresse übersieht. Damals fleine Blättchen mit zaghaftem Text und feinen Annoncen. Jetzt stattliche Beitschriften, gut illustriert und mit sehr fetten Annoncenplantagen versehen, in denen eine Unzahl von Fabriken Einzelteile oder ganze Apparate offeriert, vom Jagdäroplan an bis zum bescheidenen Fliegerspielzeug. Neue Namen und neue Fachausbrüde entstehen in der jungen Industrie. Sie sind nicht immer glücklich. Das Wort Aviation ". das schon allgemein Gültigkeit hat, für Flugfahrt oder Luftflug ist gerade nicht sehr glücklich gewählt. Flotter flingt schon das Wort Flugzeug" für Aeroplan. Noch besser ist der Ausbrud Flieger", worunter allerdings borerst ebenso der Apparat verstanden sein fann, wie sein Führer. Es gibt schon Fliegerbundes tage und internationale Flugpatentprozesse. Nicht nur Sportsleute, auch bekannte Männer der Wissenschaft oder aus anderen Berufen fangen an, Apparate zu fonstruieren. Der bekannte englische Major Baden Powell ist unter die Aeroplanbauer gegangen und ebenso der Professor der Philosophie in Boston , White. Jede Woche kommen neue Modelle von Flugzeugen auf den Markt und fein Monat ber geht, ohne daß irgend ein Höhen- oder Geschwindigkeitsrekord geschlagen wird. Der allerneueste Reford soll jezt auf dem Gebiete der Langsamfeit geschlagen werden. In Paris sind dafür 100 000 Franken ausgesetzt für den Apparat, der am langsamsten fliegt. Es ist natürlich von großer Wichtigkeit für die Kriegstechnik, daß ein die feindliche Position ausforschender Aeroplan auch genaue Beobachtungen machen kann. Das ist aber nur möglich bei einer Art Schwebeflug, ähnlich dem seine Beute beobachtenden Raubbogel. Das Schießen und Photographieren aus Flugapparaten hat seit den ersten Versuchen in Amerita große Fortschritte gemacht. Bei den Versuchen in Nanch wurden mit dem Militärgewehr aus einer Höhe von 150 Metern bon zwanzig Schüssen nur fechsmal das Ziel gefehlt. Auch die Zahl der in Aeroplanen untergebrachten Personen wächst ständig. Farman unternahm im November einen Zwanzigfilometerflug mit vier Berfonen an Bord. Das Gesamtgewicht der fünf Personen einschließlich des Benzin betrug rund fieben Zentner. Außerordentlich interessant sind die Untersuchungen über die Ursachen der Unglüdsfälle. Am 14. November hielt Major Kennedy in London einen Vortrag über die Häufigkeit der Propellerbrüche. Die Statistik ergab, daß Brüche der Luftschraube, die natürlich immer mit einer sofortigen unfreiwilligen Landung, entweder durch Absturz oder durch einen richtigen Gleitflug verbunden sind, durch die unscheinbarsten Ursachen entstehen können. So ist zum Beispiel ber Flieger Ely, der von dem Kreuzer" Birmingham " zirka fünfzig Kilometer weit von der Küste Englands aufstieg, verunglückt, weil der Propeller einen Wellenberg, also Wasser, streifte und zersplitterte. Die Flieger müssen ganz besonders darauf bedacht sein, daß ihre Passagiere feine Gegenstände tragen, die sich loslösen fönnen. Haarkämme, Münzen, Knöpfe wären groß genug, um die rafend rotierende hölzerne Luftschiffschraube zum Brechen zu bringen.
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Geradezu märchenhaft flingt es, was der Pariser Korrespondent des Flugsports", der besten deutschen Zeitschrift für das Flugs wesen, seinem Blatte mitteilt. Es handelt sich um eine geniale Vorrichtung, die der Aviatiker Levavasseur erfunden hat und die es ermöglichen soll, mit einem Aeroplan von einem Schiffsmast abzufliegen und auf ihn sich wieder niederzulassen. Versuche mit aufgerichteten Masten werden jezt schon in Buteaug gemacht. Das französische Kriegsministerium beabsichtigt, falls fich das Syftem bewährt, alle Striegsschiffe so einzurichten, daß die Aeroplane von ihren Masten abfliegen und ebendort auch landen fönnen.
Man sieht, Jules Verne und die Phantasien anderer wissen schaftlicher Träumer werden viel rascher verwirklicht sein, als diese es selbst gedacht. O. F. VorwärtsBuchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.