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dann können Sie antworten." Jd wer mir's merken," gab die schwarze hübsche Stepperin gleichmütig zurück und in ihren Mund­winkeln zudte ein spizbibisches Lachen. Der möchte woll' n Bucht­haus hier einführen, so'n Affel" fügte sie noch halblaut hinzu und die andern nickten beifällig.

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Hofmannsthal Jhr Liebling ift, vielleicht auch, ob Sie einen schon an Kunst und Natur bewußt gebildeten Geschmack haben, der jedoch mit der poetischen Begabung nicht das mindeste zu tun hat. Ich kann( und das wird für Ihre Verse sprechen) günstigenfalls etwa auch Spuren Ihres Erlebens entdecken und versuchen, mir ein Bild Am Sonnabend, lurz vor Geschäftsschluß, wurde Magdalena Ihres Charakters zu machen. Mehr ist unmöglich, und wer Ihnen plöglich ohnmächtig, erholte fich jedoch rasch wieder und ging mit den verspricht, aus Ihren Anfängermanuskripten Ihr literarisches Talent ins Kontor. Dort lagen schon für eine Anzahl Berionen, darunter zu tagieren, wie ein Graphologe den Charakter des Abonnenten in auch für Magdalena, die Papiere bereit. Es war hier, wie in den der Briefstellerecke der Zeitung begutachtet, der ist ein recht ober­meisten anderen Betrieben auch, feststehende Uebung, daß nach Er- flächlicher Mann, wenn nicht ein Schwindler. ledigung der Aufträge mit Eintritt der stillen Geschäftszeit die zu- Es ist nicht eben schwer, nach der Lektüre des Wilhelm Meister  legt gekommenen und überflüssigen Arbeitskräfte entlassen wurden. und des Faust Goethe   für einen bedeutenden Dichter zu erklären. Magdalena verabschiedete sich und wir alle wünschten ihr, fie man könnte aber sehr wohl aus seinen Anfängerjahren ein Heftchen möge es sich gut gehen lassen, obgleich wir selbst empfanden, daß Gedichte zusammenstellen, aus dem niemand etwas anderes zu es in Anbetracht ihrer Lage wie Hohn und Heuchelei flingen mußte. schließen fände, als daß der junge Autor seinen Gellert und andere Es kann doch noch gar nicht so weit mit ihr fein", meinte Vorbilder eifrig gelesen und Geschick im Reimen habe. Man hat, die schwarze Klara, nachdem sie die Abgebende prüfend angesehen als Goethe schon den Werther   und Göz gefchrieben hatte, noch batte: höchstens sieben Monate schätze ich." Mehr wohl faum", lange Zeit manche Schriften des Dichters Lenz ihm zugeschrieben stimmten die Umstehenden bei. und umgekehrt. Es ist also, selbst bei den größten Dichtern, die Am nächsten Tage gegen Mittag fam ein blaffer, blaugefrorener Handschrift früher Verfuche feineswegs immer schon wirklich fenn­Junge in dünnen, zerrissenen Kleidern und zerfeßten Stiefeln, auszeichnend und einleuchtend originell. In Schillers Jugendgedichten denen das eisige Schneewaffer quoll, in meine Wohnung und bat, fann man geradezu erstaunliche Konventionalitäten und Geschmac ich möchte mitkommen zu feiner Mutter, es sei wegen Magdalena lofigkeit finden. Korfinsky, die bei ihnen wohne. Mehr war aus dem Kleinen nicht Es ist also nichts mit dem Beurteilen junger Talente, das herauszubekommen und so eilte ich denn hin nach der bezeichneten Ihnen so einfach scheint. Wenn ich Sie selbst nicht genau kenne, so Wohnung, die in einem der ältesten und baufälligsten Häufer weiß ich ja nicht, auf welcher Stufe Ihrer persönlichen Entwickelung des Stralauer Viertels lag. Durch mehrere schlecht gepflasterte, Sie stehen. Ihre Gedichte können Raivitäten enthalten, die Ihnen pfüßenbedeckte Höfe, an Remisen und Ställen und Werkstätten vorbei, ichon in einem halben Jahre nimmer passieren werden, ebensowohl gelangten wir in einen feuchten, muffigen und dunklen Gang und können Sie aber auch in zehn Jahren noch dieselben Verstöße be ftiegen dann eine schmale, ausgetretene hölzerne Treppe hinan, die gehen. Es gibt junge Dichter, die mit zwanzig Jahren ganz ers bei jedem Tritt stöhnte und knarrte. staunlich schöne Berse dichten, mit dreißig aber feine mehr oder, Oben empfing uns eine ärmlich gekleidete, abgehärmte Frau was schlimmer ist, noch genau diefelben. Und es gibt Begabungen, mit Jammern und Wehklagen und führte mich in die Stube, die in die erst mit dreißig, mit vierzig Jahren zum Bewußtsein kommen. ihrer Kahlheit und Leere, mit den zerrissenen Tapeten und den Kurz, die Frage nach den Aussichten auf fünftigen Dichter papierbellebten Fenstern entießlich deprimierend auf mich ruhm, die Sie mir stellen, gleicht der Frage einer Mutter, ob wirkte. Außer einem riesigen Stochofen und einigen isten wohl ihr Fünfjähriger einmal groß und schlank werden oder stand nur noch eine wadlige Bettstelle darin, um die fich etwa sechs flein bleiben werde. Der Bub fann bis zum vierzehnten, fünf schmutzige und halbnadte Kinder gruppiert hatten und die nun scheu zehnten Jahr ein Knirps bleiben und dann plöglich in die Höhe und ängstlich zurüdwichen, als ich eintrat. Die Frau ging freischend fchießen. und weinend an die zerwühlte Lagerstätte und zog eine Decke hin­Angenehm hat es mich berührt, daß Sie mir nicht, wie sehr weg. Entient prallte ich zurüd: aus den geblümten, zerrissenen viele Ihrer werten Kollegen, die Verantwortung für Ihre poetische Kissen starrte mich das weiße, talte Geficht Magdalenas   an. Zukunft aufgeladen haben. Biele nämlich, die mit derselben Sie war tot. Die Witwe und Mutter der Kinderichar er- Frage, wie Sie zu einem schon erfahreneren Schriftsteller zählte mir unter Heulen und Klagen, daß das Mädchen kurze fommen, machen es nicht ohne Pathos von deffen Entscheid und Zeit vorher eine Frühgeburt gehabt hatte und Zivar ohne Antwort abhängig, ob fie je wieder einen Vers schreiben jeglich Hilfe. In der höchsten Not habe das Mädchen werden oder nicht. Da fönnte man also unter Umständen meine Adresse genannt und da hätte sie, die Frau, in ihrer Rat- fein Leben lang mit dem Gefühl herumlaufen, man babe vielleicht Tofigkeit mich rufen laffen. Bevor ich jedoch gekommen sei, habe die durch einen fleinen Frrtum die deutsche Literaturgeschichte um Ribe­Wöchnerin schon die Augen für immer gefchloffen. Ihre legten lungenlieder und Faufte gebracht! Worte hätten gelautet: Wenn Karle schreibt

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Das Kind sei nicht lebensfähig geweien und auch gleich ge­ftorben, es lag wie ein rotes Büppchen neben der Mutter.

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Wissen Sie denn die Adresse von ihren Eltern oder ihrem Bräutigam?" fragte ich, als die schluchzende Frau das Tuch wieder über die beiden Toten gebreitet hatte. Ach, sie hat ja niemanden mehr, un wat der Karle is, ihr Bräutigam, na,' n schöner Bräutigam' n Lump,' n Filou is er! id hab's ihr ja immer jefagt, fie wollt's aber nich globen. Der hatte ja noch' n paar Mädels an de Nase rumjeführt un allen hat er's Heiraten ver­sprochen!"

Ich sah ein, daß ich hier nichts mehr tun fonnte, und versprach der Frau noch, einen Arzt aufzusuchen und ihn herzusenden, damit er das weitere veranlassen sollte.

Den ganzen Tag verfolgte mich das graufige Bild und immer und immer wieder hörte ich Magdalenas schleppende Stimme, von Hoffnung und Glüd durchzittert, sagen: Wenn Karle schreibt

Der junge Dichter.

Ein Brief an viele von Hermann Heffe.

Lieber Herr!

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Haben Sie Dank für Ihren hübichen Brief und die Zusendung Ihrer Gedichte und Profaversuche, in denen ich mit Teilnahme ge­blättert und manche fast vergessene Svur der eigenen dichterischen Anfänge angetroffen habe. Ihr lieber Brief und die Uebersendung Ihrer Dichtungen zeigt mir ein Vertrauen, das mich beschämt, da ich es leider enttäuschen muß.

Damit wäre Ihr Brief eigentlich beantwortet. Sie haben mich um einen Dienst gebeten, den ich Ihnen leider nicht erweisen kann, da er jenseit der Möglichkeit liegt. Doch mag ich nicht gern mit einem Enticheid Sie verlassen, der Sie nicht befriedigt und den Sie am Ende doch nur als eine spitfindig verkleidete Absage auffaffen. Erlauben Sie mir darum noch ein freundschaftliches Bort.

Ob Sie in fünf oder zehn Jahren ein bedeutender Dichter sein werden, fann ich nicht wiffen. Daß Sie einer werden, hängt aber gewiß nicht von den Verfen ab, die Sie heute machen!

Und schließlich ist es denn notwendig, daß Sie gerade ein Dichter werden? Ein Dichter zu sein ist vielen begabten jungen Männern ein Jdeal, denn sie verstehen unter einem Dichter einen original gebliebenen, im Herzen reinen, empfänglichen Menschen mit feinen Sinnen und einem geläuterten Gefühlsleben. Nun, diese Tugenden lann man alle haben, ohne ein Dichter zu sein; und es ift besser fie zu haben, als an ihrer Stelle nur das zweifelhafte litera rische Talent. Wem aber an der Dichterlaufbahn nur gelegen ist, weil man dabei möglicherweise berühmt werden kann, der soll lieber Schauspieler werden.

Daß Sie zurzeit das Bedürfnis haben, Verse zu machen, das ift an fich weder auszeichnend, noch beschämend. Die Gewohnheit, Erlebtes im Bewußtsein zu flären und in fnapper Form fest aubalten, fann Sie fördern und Ihnen helfen, ein wahrer Mann zu werden. Das Dichten tann Sie aber auch schädigen, und es fcädigt sehr viele, indem es dazu verführt, Erlebtes rasch hinter fich zu bringen und abzutun, statt es rein auszufosten. Mancher junge Dichter gewöhnt sich, seine Erlebnisse nach ihrem poetischen ipekt einzuschätzen und wird ein sentimentaler Dekorateur, der schließlich nur noch erlebt, um darüber zu schreiben.

Solange Sie das Gefühl haben, Jbre poetischen Versuche seien Sie legen mir vor, was Sie an Verfen und anderen Dichter verfuchen bis jetzt geschrieben haben, und Sie bitten mich, Ihnen Ihnen förderlich und helfen Ihnen, über sich selbst und die Welt nach der Leftüre dieser Blätter zu sagen, was ich von Ihrem dich- flarer zu werden, Ihre Erlebenskraft zu steigern, Ihr Gewissen zu terischen Talent halte. Die Frage sieht einfach und harmlos aus, fchärfen, folange bleiben Sie dabei. Ob Sie dann ein Dichter find um so mehr, da sie ja teine Schmeichelei, sondern die strenge oder nicht, es wird ein brauchbarer, wacher, helläugiger Mann aus Wahrheit zu bören verlangen. Ich würde auch nichts lieber tun, als Jonen werden. die bündige Frage bündig beantworten, wenn ich nur fönnte. Die Wahrheit" ist nicht so leicht zu finden. Ich halte es sogar für vollkommen unmöglich. aus Proben eines Anfängers, den man nicht persönlich sehr genau fennt, irgendwelche Schlüsse auf sein Talent zu ziehen. Ich fann aus Ihren Verien sehen, ob fie mehr Niezsche oder mehr Baudelaire gelesen haben, ob Liliencron   oder

Wenn das aber Ihr Ziel ist, wie ich hoffe, und wenn Sie im Genießen oder Hervorbringen poetischer Literatur das geringste Hemmnis und die kleinste Berführung zu unredlichen Nebenwegen, zu Eitelkeit und Abschwächung des naiven Lebensgefühls erblicken, so werfen Sie alle Dichtungen, Ihre und unsere, weg! Es grüßt Sie mit guten Wünschen Ihr

( Aus der Dürer- Bundes- Korrespondenz.)

H. H.