Jrtiet sein Fleckchen Erde hatte und sein HauS, ein kleines Einzel-hauS für sich und die Seinen— mitten im Garten... Aber hier...Sein Gesicht flammt auf und seine Stirne furcht sich.«Hierhaust Du womöglich im Keller des dritten Hofes, und Deinen Nackendrückt ein graues, fiinfstöckigcS Haus..Bisweilen Sonntags, da kommen vier, fünf Männer zu unsheraus, Heinrichs Freunde, mit denen er früher am Schmelzofen stand,bis er das Glück hatte, die Schwindsucht zu kriegen und wegkam,geradewegs hinaus in den Grunewald.„Ist das nicht Glück?" pflegt er oft zu sagen..Riesenglück?Ha, wo wäre ich denn sonst?"Und er lächelt ein grimmige? Lächeln.Aber es ist ja nicht nur Glück, sondern auch anderes, denn sodiele da drinnen fallen ja einfach um und sterben, und man sieht siesterben und zuckt die Achseln und geht vorüber, ihm aber hilft man— alle helfen ihm, denn er ist ein guter Mensch und ein aufrechter,braver Genosse.Da kommen also Sonntags bisweilen vier, fünf Männer zuunS heraus, die stapfen mit offenen Mündern durch unserenGarten und schnappen die würzige Luft, und dann sitzen sie rundum Heinrichs Bett und reden ihm aufmunternd zu— o, überhaupt jetzt, wo es Frühling wird!— jetzt muff es ja besser wcrdenl„Der Frühsing.. sagt Heinrich versonnen, und in seinerStimme zittert ein unendliches Sehnen....Lange noch, nachdem die Freunde dann fort sind, liegt er still-lächelnd, und seine Augen sind ganz Dank und Rührung.„Das sind Freunde," sagt er,„was?— Ja, siehst Du— wirVerlassen einander nicht... nein, einer den anderen nicht".Und nun sieht man ja auch, datz die Freunde recht haben. Esgeht im Sturmschritt vorwärts; nicht lange mehr, da wird Heinrichaufstehen und am Fenster sitzen. Er fühlt sich so wunderbar leicht,gerade in diesen Tagen; er hat nun große Pläne. Und wen» ersich erst völlig erholt hat, dann läßt sich ja auch noch erwägen, ober sich nicht hinüberarbeiten kann nach La Paz— sozusagen zurendgültigen Heilung... Wenn eS aber erst hier warm und grünwird--.„Weißt Du, was wir dann machen? Dann laden wir sie alleeines Sonntags ein, und dann kommen sie aus ihren stickigen Löchernzu uns heraus ins Grüne. Da wollen wir mal lustig sein."Ich nicke..Ja, und sag— haben wir dann auch schon den Hund? Gewiß.Und da werden wir denn beisammen sitzen— und der Doktornatürlich mitten dazwischen— und der Perro wird auch dabei fitzenoder vielleicht im Garten umherlaufen. Und dann habe ich ja auchdie Stimme wieder, und da denke ich— ja, weißt Du, da möchteich dann eigentlich aufstehen und an mein GlaS klopfen— und—*Er stockt einen Augenblick uud sieht mich an..— da möchte ich dann eine Rede halten--."Dies ist sein Lieblingsgedanke, und ich muß sagen, er gefälltmir in seiner sonnigen Stimmung. Ab und zu kann es vorkoinmen,daß ich ihn selbst auZspinne; ich sehe dann alles ganz deutlich vormir: die Laube voller Gäste, unseren guten Doktor, den Perro—daS kühle schattige Tischtuch— hier und da einen Lichtfleck, einenSonnenringel— und daS schwere grüne geschliffene GlaS, an dasHeinrich klopft...Bloß gestern früh gefiel mir Heinrich nicht; ich erschrak förmlich,als ich ihn sah, aber es war wohl nicht weiter schlimm, er hattenur schlecht geschlafen. Ein knappes Stündchen die ganze Nackt,dielleicht auch nur ein halbes; es war so eine qualvolle Unruhe inihm, und er mußte an so mancherlei denken.An so mancherlei. Wie um diese Stunde im Werk die Nacht-schicht beginnt, wie sie in dichter Reihe in die Hallen strömen, wiedie Räder surren... urrr... urrr... urrr... und wie dieHämmer sausen, schwarz und wuchtig, durch Dampf und Glut—.Ob in Bolivien wohl auch die Malaria ist—. Und ob wir denHund durchdringen werden, denn cS ist ja nicht leicht mit einemjungen Hund—. Und wie schön es doch sein muß, nun bald ge-sund zu sein—.Der Doktor sagte nichts weiter, als er um Mittag kam. er sahihn scheinbar nur flüchtig an—„ja. man merkt, Sie haben schlecht ge-schlafen,—" aber er war gegen seine Gewohnheit merkwürdig einsilbigund verschlossen.Der Tag verging: es war ein stiller sanfter Tag, gegen Abendober kam wieder die Unruhe, und des Nachts lag er und stöhnte,—er wollte hinan« und auf und abgeben— einmal nur I— aber, ach,es ging wohl nicht, er war doch noch zu schwach....In der Frühe lag er da mit großen glänzenden Augen. DaSBett war zerwühlt, und die Finger der rechten Hand zerschunden.—so hatte er sie in die Laken gekrallt—, aber seine Brust stampfteund keuchte, und sie gemahnte an ein alteS tapferes Schlachtroß. dassich trotz Mattigkeit und Wunden noch immer aufbäumt zu einigenSprüngen.„Hast Du geschlafen?"„Nein..." keucht er,„uh... nein..."Die Stimme ist fort, und die Laute, die irgendwo aus der Brust.«US der Tiefe poltern, klingen wie Bellen.„Das Fenster--* keucht Heinrich.„Lust... Luft..."Er bohrt sich tiefer in die Kissen, es ist, als wiche er vor etwaszurück, vor irgend etwas, mit den, er einen wilden ungleichen KampfDa nehme ich seine Hand. Ich nehme sie fest in die meine.ich sehe ihn ruhig an, und all mein Denken strahlt zusammen ineinen einzigen winzigen Punkt.Ich spreche. Ich spreche vom Winter, der hinter uns liegt, undvom Frühling, der nun draußen steht vor den Toren.—„ja, stehstDu, wir ahnten ihn ja längst, o längst I aber nun ist er gekommen,nun ist er in Wirklichkeit da, und alles ist wieder Licht und Lebenund Sonne--"Da plötzlich entreißt mir Heinrich die Hand, seine Augen rollen,er fuchtelt hiflos mit den Armen--„So»— ne I" schreit er...Und plötzlich gibt ihm etwas einen Ruck, er schnellt emporwinselt, röchelt— etwas würgt, drosselt ihn— er schnappt,gurgelt— bebt— sinkt vorüber-- und über daS Laken sprudeltein heißer hellroter dampfender Strom--------—Wenn der Tag graut, sagt der Doftor, wird er fort sein.irgendwohin verschwunden— versunken oder emporgestiegen— insDunkel der Nacht oder das Licht des Tages....Es ist nur noch ein winziges Atmen in ihm, ein leises lindes,müdes Verdämmern, selten nur setzt für Augenblicke die Kraft ein,die alte zähe ursprüngliche Kraft, und die Brust bäumt sich und ringt,und der Atem fliegt und pfeift--Der Doktor sitzt am Fußende des Bettes, den grauen Kopf inden Händen und sinnt und lauscht.Die Brust, die Brust... es dröhnt, es hämmert... Ha,Heinrich will nicht sterben! Hier ist die Esse, und hier— derHammer I Schlagt zu—! Diese Glut, diese Glut... l Ja,Freund, es siedet, brodelt... die Erze schmelzen... Wirsteigen herab von La Paz, von den Bergen— aus der Kühle—oh... pich, mitten hinein in den Brand der Tropen.... Unddas— dies Sausen— das ist der Oststurm— wir arbeiten unshinüber— der Dampfer reitet, stampft, und cS ist Nacht über demMeere.Wenn eS aber erst warm und grün wird, weißt Du, was wirdann machen? Dann kommen sie alle zu uns heraus ins Grüne.Wir wollen dann sehen, daß wir auch Wein kriegen, und dann deckenwir den Tisch in der Laube und die Sonne fällt nur von obenherein, so ein klein wenig, weißt Du...?Da wollen wir dann alle beisammen fitzen und der Doktormitten dazwischen— und Perro— ja, der Perro wird auchirgendwo umherlaufen, und da werden wir nun lustig sein.Da mit einem Male aber wird sich Heinrich erheben. Er hatseine Stimme natürlich längst wieder— o längst I— er wird sichalso erheben und bescheiden an sein Glas klopfen.„Freunde!" wird er sagen.„Freunde und Genossen!../Da wird eS still werden.— totenstill.Irgendwo nur wird eine Mücke summen.Und das schwere grüne GlaS wird funkeln..,Und Heinrich-- wird eine Rede halten.)Zus den ersten Stundendes Köm�reiebs Italien.Untröstlich nicht, doch wirklich traurig genug wars in Italienam Schlüsse des Jahres 1860: zu Venedig noch die österreichischenWeißröcke, am Tiber noch die französischen Rothosen, Savovenund Nizza als Trinkgeld gespendet und über Gaeta noch die Fahneder Bourbonen. In der Silvesternacht ward für den heiligen Vaterin Rom demonstriert. Der dort lebende deutsche SchriftstellerFerdinand Gregorovius sah den Akt an und schrieb darüber in seinNotizbuch:„Diese Menge in dem bunten Gemisch von Guelfenund Ghibellinen, die doch ihrem Haß nicht freien Ausdruck gebendurfte, bot einen seltsamen Anblick dar: Soldaten von Sebastopokund Magenta mit ihren Medaillenz„Märtyrer" von Castelfcdardomit ihren Peterskreuzen; Zuaven von St. Patrick, grün kostümiertwie Erin; verzückte Frauen mit weißen Schleiern; Priester, Mönche,uniformierte Mulatten, Mohren, Armenier; römische Sbirren, daslange Dolchmesser unter dem Mantel; verwundete neapolitanischeOffiziere in Zivil, elend und jammervoll; die Garde der laterani»schen Pfalz; mittelalterliche Schweizer. All das ein wunderlicherKnäuel, des heiligen Vaters harrend. Dann frenetischer Jubel-ausbruch, Tücherschwenken und Evviva Pic Nona."Und weiterhin bemerkt Gregorovius noch:„Es scheint, daßCapua der Höhepunkt der Nationalbewegung war; sie stockt inrSüden. Man bezeichnet schon den Tag, an welchem Franz II.wieder in Neapel einziehen soll und eine Erhebung in Calabriendürste organisiert sein." Die Gerüchte, die damals einander jagten,waren gar nicht aus der Luft gegriffen. Die Konterrevolution hattemit der Arbeit nicht gezögert, und obendrein ward jetzt schon vonden Spekulanten und Intriganten im Trosse des neuen Kurses viel,sehr viel verdorben. Indessen vermochte die frühere Wirtschaft sichnicht wieder empor zu lümmeln; sie war geliefert, und vergnüglichkonnte das Haupt der savohischen Dynastie zu seinen Dienernsagen:„Wir sind beisammen, fanget an." Um das zusammen-geschweißte neue Reich, das zweiuniManzig Millionen Seelen