Gahlte, muffte Set staatliche Reif geschmiedet, voraus ein Parlament Bestellt werden. Es geschah dies im Januar 1861 auf Grund der in Savoyen gültigen Bestimmungen; ein allgemeines Stimmrecht gab es nicht;"man wählte nach einem steifen Zensus. Die guten Re- sultate, deren es l-edurfte, wurden auch erzielt— da und dort unter freundlicher Nachhilfe des amtlichen Apparates— und einige Wochen darauf empfing das festlich geschmückte Turin die neuen Landes- Voten. Es lag der Enttvurf eines ganz kurzen Gesetzes vor, wonach Victor Emanuel für sich und seine Nacksolger den Titel eines Königs von Italien erhielt. Ter(durch Ernennung von oben ge- bildete) Senat diskutierte nicht lange und nahm es an mit 12? gegen 2 Stimmen. Etwas länger spann sich die Erörterung in der Kammer hin. Man hätte, hieh es mehrfach, die Initiative in dieser Angelegenheit der Vertretung des Volkes überlassen, auch zuwarten sollen, bis die Einheit wirklich vollendet sei. Da traf die angenehme Meldung vom Falle der Zitadelle Messinas ein— es trotzte bloß mach das kleine Felsennest Civitella di Tronto—, und jetzt erfolgte eine Annahme mit 292 gegen 2 Stimmen. Wie winzig die Minori - tat auch war, sie paßte nicht in den schönen Nahmen, und zwei Herren waren denn auch so gefällig, zu eröffnen, sie hätten nur �.aus Versehen" schwarze Kugeln eingeworfen. Am 14. April ward sodann nach bewährtem Pariser Muster verordnet, Victor Emanuel sei Herrscher„von Gottes Gnaden lun>d durch den Willen des Volkes". Eine lebhafte Debatte kam hier tn Gang. Mehrere Redner wollten dies zweifelhaste Gotttum ge- strichen haben. Doch war die Regierungsmehrheit kompakt genug, den Schnörkel zu retten. Der lustige Frankfurter Dichter Friedrich Stoltze verfaßte damals eine Regententafel, worin er die erlauchten Potentaten besang, die unter dem Beistand des Himmels auf den Thron und wieder herunter befördert worden waren; sie schloß mit den Worten: Auch Neapels Franz der Zweite Hatt' den Purpur und die Seide, Krön und Land von Gott direkt, Victor Hais dann eingesteckt. Edle Herzog der Toskaner, Modeneser und Parmaner, Gott gab euch den HerzogLhut, Und dem Victor steht er gut. Aus dem allen wird vernommen, Wie von Gott die Kronen kommen: Daß sie aber dann und wann Auch der Teufel holen kann. Ucber die Formalitäten und Dekorationen gelangte man sanft hinweg; nicht so über die dringliche Frage der Heeresorganisation; wo man diese anpackte, war sie stachlig: denn allerlei geheimer Hader zwischen den hohen Federbüschen spielte verderblich mit. Drei Armeen bestanden noch nebeneinander: die vormals königlich- sardinische, die vormals königlich-neapolitanische, die freiwillige «Garibaldis , die Südarmec genannt. Auf diese Irregulären, die «die Hälfte des neuen Reichsbodens erobert hatten, ivaren die Piemontesen aus Eifersucht erbost; sie suchten jener sich zu cnt- tledigcu und machten kaum Hehl daraus. Die unbrüderlichen Szenen, die entstanden, kamen anläßlich einer Interpellation Kamarmoras in>der Kammer zur Sprache. Man sei schnöde und erbärmlich mit der Südarmee verfahren, in deren Lager doch Italien war, wetterte General Sirtori, und da seine Anspielungen immer deutlicher ausfielen, die Vorwürfe immer massiver nieder- «prasselten, brauste ein Tumult auf, dem das Glöcklein des Präsi- «deuten Natazzi nicht entfernt gewachsen war; wie ein Greis, der sich nicht zu helfen weiß, rutschte er auf dem Äuhle herum, bis der Deputierte Massari den ersten besten Hut, der zur Hand war, er- Uriff, zu dem Armen hinsteuerte und ihm von hinten das Möbel über den Kopf bis über die Ohren hinunterstülpte. Natazzi befreite sich von der Hülle und schraubte, den Wink kapierend, den eigenen jZylinder auf, so andeutend, daß er die Sitzung unterbreche. Der fiärm wiederholte sich noch tobender am 18. April, da Garibaldi er- schien und dem Ministerium direkt die Anklage der Pcrfidie ins »Gesicht schleuderte.«Es ist nicht gestattet, uns so zu beleidigen, wir protestieren!", schrie Cavour auftpringend, worauf der Held in tühlcm Tone erwiderte:..Ich glaube durch dreißigjährige Dienste, die ich meiner Heimat leistete, das Recht erworben zu haben, den Vertretern des Volkes die Wahrheit aufzudecken." Die Herrschaft, die nun am Ruder war, begehrte freilich anderer.£as flammende Morgenrot der Auserstehung Italiens war am Verblassen; herbe und häßliche Prosa setzte ein: der gierige «Streit um die Beute. Ter Patriotismus forderte sein Honorar und kein geringes. Die Kulturarbeit, die doch so brennend not- wendig war, geriet tn ein lahmes Tempo hinein, es fehlte fortan der richtige Herzschlag. Dabei aber häuften sich die Schwierigkeiten. Rom , als Hauptstadt in Aussicht genommen, bot vorerst denen be- heglich Quartier, die konspiriert hatten und auch die komplette Umkehr Wagten. Im Februar schon war von Gacta her Franz II. init seiner Sippe und einem Rudel französischer Legitimisten ein- vetcossen; nicht so.entblößt", wie geschwatzt wurde. Seine Mittel reichten aus, Geld zu prägen und das heimische Brigantenwesen Berantioortl. Redakteur: Albert Wachs, Berlin.— Druck u. Verlag: großartig in Schwung zu bringen; Munition und Waffen wanderten in schwerer Quantität hin. Und die Exkönigin Maria Sophia tat das ihrige: Sie ließ sich bei dem Photographen Allessandri wohl in 69 Stellungen und Trachten abbilden. Die Proletarier hatten und» haben fteilich kein Gefühl dafür, welcher Opfer ihre Landesmüttev fähig sind._ d. g. kleines feuilleton. Geographisches. DaS Fazit für Peary . Endlich kann man nun wohl unier die langwierigen Erörterungen der Frage, ob Peary am Nordpol selbst gewesen ist. einen Strick macken. Der Rest, der sich aus allen Rechnungen ergibt, ist die für Peary gewiß nicht erfreuliche Tatsache, daß er an diesem Punlte selbst nicht gewesen ist. Aber dieser Rest ist andererseits so unerheblich, daß eS eine Haarspalterei wäre, ihm deshalb den Ruhm des Nordpolentdeckers schmälem zu wollen. Bei den meisten Erwägungen über die Erreichung den Pols ist ein Umstand nur selten in Betracht gezogen worden, der allerdings geradezu als eine Niedertracht dieser heiß umworbenen Erdstelle zu bezeichnen ist: daß sie nämlich nicht einmal an ein und demselben Orte bleibt, sondern ihn verändert. Die sogenannten Schwankungen der Erd- pole sind freilich innerhalb kürzerer Zeitabschnitte gering, aber sie können doch genügen, einen Fehler in der Ortsbestimmung zu er» zeuge», der ein Verfehlen des Ziels veranlaßt. Der Nordpol ver» ändert seine Lage täglich um etwa 15 Zentimeter, und Peary hat das Pech gehabt, daß diese Polverschiebung gerade seinem Reiieweg enlgegengerichtet war. Man könnte nun auf den Gedanken kommen, daß darin gerade eine Gunst der Natur bestanden hätte, weil ihm demnach der Pol gewissermaßen entgegengekommen ist. Die Hauptsache aber ist, daß ein Polarreisender diese Polverichiebungen wirklich kennt, und das ist beim besten Willen unmöglich, solange die Gesetze, nach denen sie sich vollziehen, noch nicht ergründet find. Otto Baschin hebt in einem Aufsatz in der.Zeitschrift der Gesellschaft für Erd- künde" hervor, daß nach den Ergebnissen deS internationalen Breiten» dienstes, der zum Studium der Veränderungen der geographischen Breite, d. h. der Erdpole, eingesetzt ist, die Bewegung des Nordpols gerade damals, als Peary auf der Reise begriffen war, so stark ge» wesen ist wie nie zuvor. Der von der Geographischen Nationalgcsellschast in Washington gewählte Ausschuß holte zunächst entschieden, daß nach seiner Ansicht Peary am 6. April 1999 tatsächlich- am Nordpol gewesen sei. DaS spätere Urteil eines vom Kongreß ernannten Ausschusses hat dann anders gelautet. NuS der Untersuchung der von Peary während der Reise benutzten Uhr hatte sich nämlich ergeben, daß die vor» genommenen Ortsbestimmungen in einem Maß ungenau gewesen sind, das die Schlüffe von Peary auf die Lage des Pols beeinflußte. Peary hat den eigentlichen Punkt des Pols nicht erreicht, sondern in einer Entfernung von 1,6 Minuten oder rund 3 Kilometern verfehlt. Am nächsten ist er ihm nickt am 6., sondern erst am 7. April gewesen. Für den Ruhm Pearys kann, wie gesagt, die» «Ergebnis, das vielleicht auch noch mit kleinen Fehlern behastet ist. als durchaus gleichgültig betrachtet werden. Haben die Vertreter der Wiffenschast das Wettrennen nach den Polen , so weit es mehr ein Ziel de« Ehrgeizes als des Forichungsdranges war. stets abfällig beurteilt, so spielt der Unterschied von wenigen Kilometern bei der Erreichung diese? Punktes erst recht keine Rolle. Astronomisches. Fortschritte der SonnenforschunA. Die junge Sonnenwarte auf dem Mount Wilion-Berg in Kalisornien hat sich als eine außerordentlich wertvolle Bereicherung für die Astronomie bewährt. Ihre Schaffung ist eins der Verdienste gewesen, die sich das Carnegieinstitut im ersten Jahrzehnt seines Bestehens um die Förderung der Wiffenschast erworben hat. Im Dezember 1994 wurde nach sorgfältiger Prüfung verschiedener Gegenden der Mount Wilson in der Nähe der Ortschaft Pasadena im südlichen Kalifornien als Platz für die Sonncnwarte ausgewählt. Der Gipfel liegt rund 1899 Meter über dem Meeresspiegel und ist durch geringe Bewölkung und sehr trockene und ruhige Lust begünstigt. In Professor Haie hat das Vorhaben einen Gelehrten von großer Sachkenntnis gefunden. ES werden an dieser Sonnenwarte jetzt täglich Photographien der Sonnenscheibe ausgenommen, ferner besondere Photographien mit dem logenannten Spektroheliograpben und solche vom Spektrum derSonnen» flecken. Daneben«verde» Bestimmungen der Sonnenumdrehung, Beobachtungen der Sonnenwärmen. Untersuchungen über die Natur der Spektra und schließlich auch Forschungen an anderen Sternen ausgeführt. Die Ausdehnung der an der Sonne gemachten Feststellungen auf die Kenntnis anderer Fixsterne bildet einen besonderen Teil deS Arbeits» Programms. Die Beobachtungen begannen bereits mit einem ge» waltigen Spiegelfernrohr von anderthalb Meter Oeffnung; jetzt aber befindet sich em Noch viel größeres Instrument im Bau, dessen Spiegel den unerhörten Durchmesser von zweieinhalb Metern er» halten soll. Um die außerordentlichen Erfolge dieser Anstalt zu er» messe» genüge die Tatiache, daß bisher bereit» 11 009 Linien im Spekt, m der Sonnenflecken beobachtet und gemessen worden sind. tZorwärtSBuchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer<tEo., Berlin SW._
Ausgabe
28 (11.4.1911) 71
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten