— 404— tmttt tttn To eindringlicher, 018 Hier das Genie durch glückliche Lebenszufälle und durch einen ungewöhnlich robusten Willen zur Selbstdurchsetzung gefördert wird. Wenn gleichwohl der Mann erst nach seinem fünfzigsten Lebensjahre von seinen materiellen Nöten befreit wurde, wenn er noch bei der Schöpfung der„Meistersinger ruhelos umhergetrieben wird wie ein schwangere? Weib, das keine Stätte findet, in Frieden niederzukommen, wenn es ihm endlich erst in den letzten Jahren seines Daseins gelingt, sich künstlerisch durchzuringen, so gibt es keinen stärkeren Beweis für die hoffnungs- lose Lage des Künstlers in der bürgerlichen Ordnung, der bald ein einsam verachteter Narr, bald ein überspannt umschwärmelter Halbgott, immer ein Stück Hochstapler ist, der auf unrealisierbare Werte eine bürgerlich ehrbare Existenz gründen will und diese Zweideutigkeit erst dann verliert, wenn er erfolgreich kapitalistisch gegründet ist. Der Lebenslauf Richard Wagners, der in dem reicheren SS. Jahrhundert sich vollendet, zeigt noch all die abstoßenden Züge beS unendlichen Supplikantcnelends, das die meisten deutschen Literaten des 18. Jahrhunderts niederdrückt. Ich sagte: Richard Wagner war im Grunde ein Günstling beS Zufalls. Er war in weit verzweigte Familienbeziehungen hin- «ingeboren, die einmal in ein tragfähiges wohlhabendes Bürgertum emporreichtcn und die ihm— was noch wichtiger— von Beginn ort unmittelbar den Zugang zum Theater erschlossen. Er durfte sich in feiner Jugend frei entwickeln, und jede Bildungsmöglichkeit wurde sihm gewährt. Er ging stets durch ein Gewimmel von Freunden Und Gönnern , die er gänzlich unbekümmert ausnützte. Frühzeitig gewöhnt er sich an die naiv egoistische Einbildung, daß alle Welt die Wflicht habe, für das Fortkommen seines Genies zu sorgen: durch Gelddarlehen, Vorschüsse, Lebensrenten, Stellungen, Douceurs und Asyle vom einfachen Landhaus bis zum üppigen Schloß. Echte 9!ot hat Richard Wagner nur während seines abenteuerlichen ersten Aufenthalts in Paris gekostet, da er wohl einen Tag lang durch die Straßen irrte, um irgendwo ein Fünffrankstück aufzutreiben, da er bis Notdurft seines Lebensunterhalts bestritt, indem er für den Kerleger Schlesinger fade italienische Modeopern bearbeitete. Sonst ober ist jederzeit viel, sehr viel Geld durch seine ebenso erwerbe eifrigen wie unwirtschaftlichen Finger geronnen. Aber an jedem Gulden haftet doch der Geruch des Almosens, häufig des erpreß- ten Almosens . Und jede neue Unterstützung scheint die Nöte des tooti Gläubigern ewig verfolgten Mannes nur zu steigern, und Unternehmungen, mit denen er sich retten will, vermehren zumeist seine Schuldenlast. Aber dieser zähe Kampf mit Gläubigern und Geldgebern zcr- frißt den Charakter des Menschen. Der unanständige niedrige Haß gegen begünstigte Nebenbuhler, der WagnerS Bild entstellt, ist letzten Endes finanziellen Ursprungs. Unziemlich und wahllos sucht er seine Hilfsquellen, wo er sie vorfindet. Nachdem die Welt- geschichte ihm die Slangierung seiner Verhältnisse versagt hat— das erhoffte er von der Revolution!— ist der als Teilnehmer deS Dresdner MaiaufitandeS steckbrieflich verfolgt« Hochverräter, Re- publikancr und Sozialist unermüdlich, deutsche und fremde Fürsten für sich zu ködern: Die Großherzöge von Weimar und Baden werden mit seinen Anerbietungen verfolgt. Selbst den bald preußisch erledigten armen Nassauer Potentaten begnadet Wagner mit der Zumutung, ihm ein Schlößchen zur Verfügung zu stellen. Den dritten Napoleon belagert er förmlich. Er hofiert russische Großfiirstcn, ungarische Magnaten, schlesische Junker. Kein Staats- mann ist ihm zu reaktionär, als daß er ihn nicht für sich zu ge- Winnen unternähme. Als er endlich von Sachsen amnestiert wird, geht er zu Herrn v. Beust, um ihm zu danken. Was er damals zu jBem Minister gesagt haben muß, erkennt man beschämt aus diesen Sätzen:„Mit lächelnder Eleganz unterhielt er sich mit mir davon, daß ich denn doch wohl nicht so unschuldig sein möchte, als ich mir dessen jetzt bewußt schien; er machte mich auf einen Brief von mir aufmerksam, der zu jener Zeit in Rockels Tasche gefunden worden fei: dies war mir neu, und gern gab ich zu verstehen, daß ich die mtr erteilte Amnestie als eine Verzeihung begange- mer Unvorsichtigkeiten zu betrachten mich gedrungen fühlte." Daß jeder wohlhabende Freund zu Opfern für seinen Unterhalt bereit sein müsse, hält Wagner für selbstverständlich. Erbt eine be- freundete Familie, so tritt Richard Wagner in deren Genossenschaft liebenswürdig ein, will sagen, er nimmt«ine beträchtliche Jahres- xente. Gelegentlich erweist er sich seinen Geldgebern dankbar, in- dem er sie verhöhnt, so den jungen Enthusiasten Weisheimer. Die Hingabe schwärmerischer Frauen weiß er wohl auszumünzen. Ihn bedrückt niemals das Geld, das er erhalten hat, sondern immer nur das, was man ihm verweigert. Und trotz all dieser fast brutalen Fähigkeit, sich zu behaupten, bat schließlich nur ein märchenhafter Zufall seinen materiellen und künstlerischen Untergang gehindert: Daß im letzten Augenblick Lud- wig II. den bayerischen Thron bestieg, ein kaum dem Knabenalter entwachsener Jüngling von sonderbar schwärmerischer Gemütsart. bat ihn gerettet. Ihn spann Richard Wagner mit ausschweifenden Huldigungen ein, deren vorhandene Urkunden leider so bald nicht das Geheimnis des Archivs verlassen dürsten. Geldsorgen hatte «r nun nicht mehr. Und dann kam auch der Ruhm, der metallisch glänzte. So durfte dann schließlich auch das Volk an Wagners Kunst teilnehmen, das Volk, das— fiir die Zivilliste Lteuerte 1 Und das verhaßte und verächtliche Publikum wurde gesiebt und geläutert zu einem einzigen Menschen, der Im kseren Theater einsam saß, wie einst das Wuchrerpaar in Magdeburg , und schluchzend Tristan und Jsoldens Nachtgesang lauschte, während auS oer Ferne schon der dunkle Wahn das königliche Hirn umsdsfich. _ K. S. Schach. Unter Leitung von S. Alapin. ab edafgh od*( g b (I CBa'I) Schachnachrichten. Für August ist in Karlsbad ein große» internalionales Turnier mit neun Preisen von 30<X) Kronen abwärt» ausgeschrieben. Die Dauer der ununterbrochenen Spielsitzung ist wie gewöhnlich auf vier Stunden festgesetzt. Bei diesem Spielmodu» kann die ältere Generation der Meister, trotzdem sie au» erfahreneren Kennern des Spieles besteht, mir den jüngeren Kräften nur sehr schwer konkurrieren, die dieser physischen Anstrengung mehr ge« wachsen sind. Es besteht die Absicht, beim Komitee zu petitionieren, es möge die erwähnte Vorgabe von den älteren Herren nicht verlangen, indem es die Dauer der ununterbrochenen Spielsitzung aus 3 Stunden herabsetzt. Auch die Qualität der Partien würde hierdurch gehoben werden, denn erfahrungsgemäß pflegen die meisten groben Fehler wegen großer Ermüdung der Spieler in der vierten Spielstunde vorzukommen. Der Wiener Schachklub läßt daS Turnierbuch des Königsgambit« Turniers von 1903 erscheinen. Diese höchst interessante Partien- sammlung ist von Georg Marco -Wien (Redaktion der Wiener Schachzeitung") zu beziehen. Wir entnehmen hieraus nachstehende Partie: Philidors Verteidigung des Königsgambits. I. Mieses. C. Schlechter . 1.«2— e4 e7— c5 2. 12— f4©5Xf4 8. SglXf3 g7— g5 4. Iii— c4..... Besser sofort h2— h4 1 4...... Lf8— g7 1 Diese von Philidor empsoblene Deckung des DdS ist die beste Bei. teidigung des SprmgergambitS. 26. Däl-ckL 26. 1)2—63 27. Sc4— a5 28. LgSXeS 29. SaöXcß 30. Td2— dl 31. Sc6Xa7 32. Sa7— c6 33. Kol— d2 Oder 33. Te2— 64 Lfö— efl Sf7— 65 llls4Xo6 Te5— elf Tel— 63 g4— g3 g3— g2 Te3— o4 Th3; 34. Tgl, Ld5; 36. Sd4 nebst CS. So2. 34. Tdl— gl Le6— 63 86. a2— a4 Tei— f4 36. Kd2— öS Tf4— fl 87. Sc6— eöf Kg6— 65 38. Se5— 13 Lh3— g4 89. TglXga TflXfSf 40. KeS— d4 Tf3-f5 41. 63—64 K65X64 42. c2— c4 Tfö— f4t Schwarz sollte mit c7— c5l Remis spielen. auf 43. Kd4— c5 44. Tg2— c2 46. 64—65 46. a4— a5 47. Kc5— 64 Der entscheidende Lg4— 66 LeO— d7 Kh4— g5 Tf4— köf Kg5-f6? Fehler. Mit c7— c6J war noch immer ein Remis möglich. 48. a6— a6 49. Tc2— a2 50. K64— c5 51. Tal— a4 62. Kc5— c6 53. Kc6— 67! Fehlerhaft wäre LX66 je. 53...... 54. a6-a7 Eine durchwegs lehrreiche Pattie. Tf5— fl Ld7— c8 Tfl-cl Kf6— e7 Lc8— d7t ' 63.'KXc7f, Ke7—<36 Ausgegeben. spannende und Kerantwortl. Redakteur: Albert Wachs, Berlin.— Druck u. Verlag: vorwärtsBuchdruckereiu.BerlagsanftaltPaulSingerchSo.,B«linSs�,'
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28 (27.5.1911) 101
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