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Deswegen brauchst Dir keine grauen Haare wachsen zu laffen," sprach er ruhig; das hab ich alles vergessen."
Sie sentte den Kopf auf die Brust, ein Schmerzenszug umspielte ihren Mund:„ Und Du," fragte sie, wirst Du wirklich immer ein Junggeselle bleiben?"
Ja," entgegnete er; ich bleib der einsame Mensch, zu dem Ihr mich gemacht habt."
19.
Die Nachricht, die Pavel aus der Stadt erhalten sollte, traf ein und lautete sehr unbefriedigend. Die Frau Baronin ließ sagen, noch könne ihm die Erlaubnis, seine Schwester zu besuchen, nicht erteilt werden; aus welchem Grunde, solle er später erfahren und sich vorläufig in Geduld fassen.
Bald darauf kam ein Brief von Milada, in dem sie Pavel bat, fein Kommen aufzuschieben. Auf das liebreichste dankte fie im voraus für die Erfüllung ihrer Bitte, vertröstete ihn auf das Frühjahr, versicherte, daß es ihr von Tag zu Tag besser gehe, und schloß mit der Kunde, daß ihre Einkleidung, auf die sie sich unaussprechlich freue, im Mai stattfinden werde.
So mußte Pavel sich bescheiden und tat es; doch wurde es ihm nicht leicht. Jede Woche wenigstens einmal ging er ins Schloß und fragte: Ist die Frau Baronin zurückgekommen?" und erhielt immer zur Antwort: Nein." ,, Hat sie auch nicht geschrieben?"" Das wohl- um Anordnungen zu treffen, die auf eine neue Verzögerung ihrer Rückfehr schließen lassen."
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Mit der Verlobung Slavas, die ihr pflichtgemäß angezeigt worden war, hatte sie sich einverstanden erklärt, dem Mädchen die erbetene Entlassung und ein Geschenk gegeben, das nicht nur hinreichte, um die Kosten der Hochzeit zu bestreiten, sondern auch, um ein rundes Sümmchen für die Wirtschaft zu erübrigen. Dies alles, weil Slava, obwohl von früher Jugend an verwaist und auf eigenen Füßen stehend, sich stets brav geführt und nun unbescholten an den Altar treten konnie.
Am dritten Sonnabend nach Ostern fand die Trauung ftatt. Pavel fungierte als Brautführer. Er hatte sich schwerlich dazu entschlossen, tat es aber dann in guter Haltung und mit Stolz auf seinen über sich selbst errungenen Sieg. Anton der Schmied vertrat die Stelle des Brautvaters, Vinska die der Brautmutter. Sie war trotz des großen Witwentuches, daß sie sich über den Kopf gezogen hatte, schöner als die Braut selbst. Der Herr Pfarrer sprach die Traurede mit ganz ungewöhnlicher Wärme, beehrte auch die Neuvermählten mit feiner Gegenwart beim Festessen im Wirtshause. Der Doktor, der Verwalter, der Förster, der Bürgermeister und. einige große Bauern famen, ihren Glückwunsch zu bringen und den Dank des jungen Paares für die ihm ins Haus geschickten Geschenke zu empfangen. Alles ging ohne unanständigen Lärm, einfach aber urnobel" zu.
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( Fortsetzung folgt.
Letzte fabrt.
Von N. A. Ordemann.
Wer hat nicht schon in seiner Jugend von Jsland gehört, dem Tagenhaften Eislande", mit seinen vulkanischen Gebirgen, seinen heißen Springquellen, seinen trobig ragenden Basaltkuppen, seinen schauerlichen Lavatüsten, der Hochebene, die zu den durch Fjorde zerschnittenen Küsten in sandigen Flußtälern und schneeigen Planen abfällt. Die Befahung unserer von Nordenham , Geestemünde , Bremerhaven , Cuxhaven und Altona auslaufenden Fischdampfer fennt Jsland nur vom gigantischen Anblick der ragenden Gletscher, die Hunderte von Kilometer lang, auf eine Strede, wie die von Düsseldorf nach Frankfurt geradenwegs gemessen, an der Südküste fast unmittelbar aus der See aufsteigen.
Ist das Handwerk auch rauh und gefahrboll, den Jsländer Schellfisch, den Kabeljau und den Rotbarsch und manch andere nützliche Nahrung in diesem Revier zu fischen, im Sommer ergreift es auch das schlichte Seemannsgemüt wie mit Wundergewalt, wenn es diese herrliche Szenerie erschaut. Aber ein geheimes Grauen faßt es an, sobald die Herbst- und Frühjahrsstürme die schwarze See heulend auftürmen und das Schiff, wie in rasender Wut, umherschlagen.
Frühmorgens zwischen der sechsten und siebenten Stunde. Unter Jsland tobt im fahlen Dämmern ein Märzorkan von unerhörter Heftigkeit. Der Bremerhavener Fischdampfer Merkur " hält sich fchon zwei Tage hier auf, tatlos, er tann die Neße nicht auswerfen,
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weil ein Fischen in diesem Wettertoben geradezu das Leben aufs Spiel fehen heißt. Das Fangzeug ist fest an Deck gefroren und gebrauchsfertig werden. So falt ist's dort im März noch? frags nur durch stundenlanges Weichen in heißem Wasser kann es wieder gebrauchsfertig werden. So kalt ist's dort im März noch? fragt der erstaunte Leser. In dieser Breite„ ja!" Wir sind nicht weit vom nördlichen Polarkreis und hier stellt sich der Frühling zaghaft zu einem fümmerlichen Gastspiel ein, wenn bei uns schon längst die Nachtigall aus blütenvollen Büschen gesungen hat.
Der wetterharte Kapitän Aarons will den Sturm abwarten und hält in langsamer Fahrt Kopf auf See", denn mit der Nähe der Küste wächst in solch höllischem Tanze die Aussicht auf Tod und Verderben.
Das waren Sekunden
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6 Uhr 50 Minuten. Eben ist der Kapitän von der Brücke in seine Kammer gegangen, um nach dem Barometer zu sehen, als eine furchtbare Sturzsee den Dampfer glatt auf die Seite wirft, und nur langsam läßt sie ihn wieder hochkommen. aber was ist alles in ihnen geschehen! als ob eine Riesenfaust über das Schiff hinweggestreift ist. Die Vorderseite der eisernen Brüde, auf der das Ruderhaus steht, wurde vollständig eingedrückt, das Haus selbst zum großen Teil in Trümmer und in die brüllende See geschlagen. Wie durch ein under ist der Mann am Ruder gerettet, in seiner Angst kletterte er hinter den Schornstein und wartete hier auf sein letztes Stünd lein. Das Rettungsboot ist fortgewaschen, auch Kompaß und wände der Decsaufbauten aus schwerem 10 und 12 Millimeter Seitenlichter, eiserne Stüßen sind wie Streichhölzer geknickt, die Eisenblech hat dieser eine, fürchterliche Wasserschlag wie ein Spielzeug verbogen. Doch nicht genug damit! Die unsichtbare Hand des Verderbens hatte auch das Reservenez entführt und es in die Schraube geraten lassen, daß die Maschine ihren taktmäßigen Gang gegen die höllenentfesselte Gewalt aufgeben mußte. Der wachthabende Maschinist arbeitet, daß ihm der Schweiß in Strömen von den weit hervorgetretenen Augen tropft. Er muß die starre Eisenmasse da wieder ins Leben bringen, sonst ist's um Menschen getan! Gott sei's gedankt! Ein Pfauchen und Bischen und langsam stampfen die Kolben. Der Kapitän steht selbst am Ruder und seiner ehernen Ruhe gelingt es, den Dampfer, der quer zur mörderischen See lag, wieder auf sie hinauszubringen.
Nur guten Mutes! Was tut es, wenn der„ Merkur " aus schaut, als ob er aus dem Gefechte tommt. Sein erbarmungs würdiger Anblid gereicht jenen Braven zur Ehre, die ihn aus dem Rachen des Todes gerissen haben.
Nun darf auch an das Frühstück gedacht werden. Koch! hallt's über Ded. Und nochmal: Koch!! An Leeseite schlägt die Kombüsentüre bei jeder Zuvfee klappernd zurück. Die enge Küche, die quer über Ded liegt, ist leer. Ist der Koch im Logis? Auch nicht-! Bangklopfenden Herzens fucht Mann für Mann- bergebens! Es bleibt nur die Möglichkeit: Ueber Bord! So hatte sie sich doch ihr Opfer geholt, die rasende Flut
Als es zwei Stunden später Tag geworden, da findet man den Kameraden unter dem Badbordwant an Ded tot. Nicht in ein feuchtes Grab hatte die See ihn gerissen. Meuchlerisch durchbrach sie die Tür der Kombüse an der Leeseite und schleuderte den Aermsten mit furchbarem Anprall gegen die Tür luvseits, daß sie aufsprang und die dämonischen Wassergeister frei dahinstürmen konnten. Schädel und Wirbelsäule waren gebrochen
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Kurs südwärts! Den Toten zur Heimaterde bringen! Das ist nun der Schiffsleitung heilige Sorge. Daheim fißt ein blühendes Weib, heiter der Heimkehr des jungvermählten Gatten wartend, und wiegt das Erstgeborene--
Sie haben dem Kameraden Roch den lehten Liebesdienst getan, ihn gewaschen mit dem Wasser der tückischen See, die ihn getötet hat, dann wurde er in das rauhe Segeltuch gehüllt und vorn an Deck unter die Back gelegt zur letzten Fahrt.
Der tatkräftigen und umsichtigen Leitung gelang es dann, einen Reservekompaß in Gang zu bringen und nach Beschluß des Schiffsrats wollte man Nordschottland anlaufen. Drei Tage nach dem schrecklichen Morgen wurde Dunnet Head gesichtet und von dort Kurs auf die Weser gesetzt, die man drei Tage später ohne weiteren Unfall glüdlich erreichte.
Wie nichts so traurig in der Welt ist, daß nicht auch der Humor mit seinem versöhnlichen und tröstlichen Lächeln hineinschaut, so hat in dieses Statastrophe der sprichwörtliche Stoizismus unserer Fahrensleute" einen heiteren Ton angeschlagen. Bei dem furchtbaren Brecher, der über den Merkur " hinweggging, fiel ein Matrose aus seiner Koje und, stubig geworden durch den ohrenbetäubenden Donner der Mogen und den furchtbaren Anprall, eilte er die Treppe hinauf an Dec. Ein Blick aus der Luke machte es bei ihm gewiß, daß das Schiff in Strandung sei. Bedächtig stapft er wieder ins Zogis, sucht das verloren gegangene Briemchen, die " Seemannsschokolade", und legt sich seelenruhig wieder auf die Matraße. Als ihn die Kameraden fragen: Wat is denn los?" meint er nur:" De Dampfer strand't, denn will idk darbi doch wenigstens in de Koje liggen!"
Nachdem der„ Merkur " ohne jeden Fang, Flagge halbstoc, Bremerhaven binnen gelaufen war, fand die Seeamtsverhandlung statt, in der der Tod des Kochs auf höhere Gewalt zurückgeführt wurde. Die Maßnahmen der Schiffs- und Maschinenleitung era fannte der Spruch des Gerichts als tatkräftig und durchaus fachs gemäß besonders an. Ein nicht alltägliches Lob von dieser Stelle, a