drchte, daß sein Abfall von Schamyl für die Russen von großer Bedeutung war, und daß er, wenn sie ihn nicht verschickten oder töteten, für seinen Uebertritt einen hohen Preis fordern könne. Er hatte auch begriffen, daß Meller-Sakomelskij, abschon er den höheren Rang bekleidete, doch nicht den gleichen Einfluß wie der ihm untergebene Woronzow   besaß, daß er sich daher an Woronzow  und nicht an Meller-Sakomelskij zu halten habe. Als nun Meiler- Sakomelskij Chadschi-Murat vor sich beschied und ihn über seine Absichten und Pläne befragte, nahm Chadschi-Murat eine feierlich- stolze Haltung an und sagte, er sei aus den Bergen niedergestiegen, um dem weißen Zaren zu dienen, und werde alles Weitere mit demSardar", dem Oberftkommandierenden, Fürsten Woronzow in Tiflis  , verabreden. (Fortsetzung folgt.) (Barles Diekens. ii. In dem Jahre der Pickwickicr 1837 wurde auf den eng- lischen Büchermarkt ein Werk geworfen, das die Französische   Revo- lution in leidenschaftlichem Glühen schilderte. Es gab die Ereig- nisse der riesigen Bewegung ungeschminkt und unverzerrt. Jako- binische Neigungen lagen dem Verfasser fern, er wollte nicht zur revolutionären Inbrunst aufstacheln. Aber das Werk sollte politisch erziehen: es sollte warnen vor den Ausbrüchen sozialer Ver- zweiflung, sollte raten, die Ursachen solcher Ausbrüche zu beseitigen, ehe es zu spät war. Und das England der dreißiger Jahre war voll von solchem Zündstoff hungernder Verzweiflung. Geschrieben war das Buch von einem, der schon die schweren politischen und sozialen Zuckungen Englands nach den napoleonischen Kriegen und dann mit starken Hoffnungen den Reformkampf nach der Juli- revolution miterlebt hatte. Enttäuscht und gedrückt war das Er- gebnis von 1832 über ihn gekommen und die Erfahrungen der Gegenwart hatten nun an seiner Arbeit über die Französische   Revo- lution mitgeschaffen. Thomas C a r l y l e, der Sohn eines schotti- sehen Maurers  , hatte das Werk geschrieben, und wenn Dickens   den Gedanken des Verfassers schon aus dem eigenen Erfahren der radi- kalen Bewegung von 1830 bis 1832 nahe war, wenn er sich mit ihm traf in gemeinsamem Hasse gegen all die verrotteten Einrich- tungen des Staates, so sollte sich nun geradezu eine Art Waffen- brüderschaft zwischen ihm und Carlhle, dem wissenschaftlich ge- schulten Kopfe, entwickeln. Das Buch über die Französische   Revo- lution wurde ein Hausbuch Dickens  '. Nach Jahren schrieb er ein- mal an einen Freund, er habe daswundervolle Werk" schon fünf- hundertmal gelesen. Das war während seiner Arbeit an dem Roman Die Geschichte zweier Städte(1859), worin Einzelschicksale so eng mit den Ereignissen der gewaltigen Pariser Jahre verbunden sind, daß der Leser in ihre Wirbel mitten hinein- gerät. Das wichtigste an diesem Roman ist aber die Art, wie Dickens   aus den unendlichen Drangsalen von Knechtschaft und Hunger die harte Unerbittlichkeit aufgehen läßt, die ohne Erbarmen vergilt, was das Volk lange machtlos hinnehmen mußte. Carlyles warnende Stimme ist in diesem Buche. Erst recht eine epische Dich- tung von der Verzweiflung der hungernden Massen ist der Roman Barnaby Rudge(1841), in dem der unheimliche Aufruhr von 1780 geschildert ist, der London   tagelang mit Feuersbrünstcn, Er- stürmung von Gefängnissen, Plünderungen erschütterte. Auch dieses Werk sollte der Oefscntlichkeit zeigen, welche Schrecken kommen müßten, wenn dem Elend der Massen nicht beizeiten abgeholfen würde. Eine große und grausige symbolische Verkörperung ver- geltender Hungerwut ist Dickens   in diesem Romane gelungen: Weithin sichtbar und immer dort auftauchend, wo der Aufruhr das Wildeste wagt, reitet der Anführer Hugh, mit der Axt in der Rechten, ans einem großen starken Braucrpferde, das mit abge- feilten Ketten aus dem erstürmten Gefängnisse von Newgate bc- hangen ist, die bei jedem Schritte ksirren und rasseln. Carlyle, der 1839 in die Bewegung des Tages eingriff mit der kritischen SchriftChartismus  ", war eine Natur, in der vorwärts- weisende Tatkraft und hemmendes Zaudern eng nebeneinander wohnten. Er war skeptisch nach zwei Seiten, nach oben und nach unten. Er zeigte den Herrschenden und ihrer Regierung, was ihre soziale Pflicht war, und war ein Gegner eigenen politischen Han- delns der Arbeitcrmasse, die eben anfing, sich als Klasse zu organi- sieren. Das Parlament war ihm seit der Reformbill zuwider, und nun kam� es in der Chartistenbewegung 1842 und 1843 zu Zu- sammenstößen zwischen dem antikornzöllnerischen Bürgertum und dem Proletariat, das sich von den politischen Forderungen der Volks- charte nicht auf Nebengeleise ablocken lassen wollte. Aufständische Erhebungen der Arbeiterschaft geschahen damals, und Carlyles Hoffnungen auf den guten Willen und die Macht der Regierung, die drängenden sozialen Fragen zu lösen, sanken tief herab. Das blieb auch auf Dickens   nicht ohne Wirkung, aber er war doch immer die gläubigere Natur. In jenen kritischen Jahren, die für die rein proletarische Weiterentwicklung der chartiftischcn Sache wichtig waren, schrieb Dickens   zwei kleinere Weihnachtserzähungen, die bis heute ihren dichterischen Ruf bewahren konnten und damals ins- besondere noch politische Aktualität besaßen. DieS i l v e st e r- glocken" entstanden 1842 in Italien  . Diese Erzählung war eben daS Ergebnis jener mißtrauischen Abkehr von dem Glauben an die Willigkeit der herrschenden Klassen, ihre soziale Pflicht zu tun. Nun sollte die Erzählung dem Bedrückten verkünden, daß er das Glück, das er suche, bei sich selber holen müsse. In vollen Güssen schleuverie ver Dichter seinen Hohn wider die heuchlerische. sinnverdrehte bürgerliche Wohltätigkeit. Als die Erzählung fertig war, ließ ihm der Wunsch, vor allem Carlyles Urteil zu hören. keine Ruhe: im Winter jagte er im Schlitten über Mailand   und den Simplon durch Süddeutschland   und Frankreich   nach London  und las das Werk im Freundeskreise vor; beglückt konnte er einige Tage später wieder nach Italien   zurückkehren. Und wieder malte er in denSilvesterglocken" die drohende soziale Zukunft in feu- riger Lohe.Es wird, sagt der obdach- und arbeitslose Will Fern. heut« nacht ein Feuer sein. Es werden viele Feuer sein in diesem Winter, um die dunklen Mächte zu erleuchten im Osten und Westen, Süden und Norden. Wenn ihr den Himmel rot erstrahle» seht, dann werden sie beim Brennen sein; denkt dann nicht mehr an mich; oder wenn ihr es tut, erinnert euch, welch eine Hölle in meiner Brust angezündet war. und denkt, daß ihr diese Flamme» in den Wolken Widerscheinen seht." Faßt man all dos unermüdliche Bemühen Dickens  ', den Eni« erbten gegen die sozialen Hilfsmittel der Herrschenden Arbeits­häuser und Gefängnisse beizuspringen, zum Bilde zusammen, so zeigt sich freilich, daß er so wenig wie Carlyle und wie die sozial gerichtete Schicht bürgerlicher Politiker überhaupt zu irgend- welcher Klarheit über Richtung und Möglichkeiten der sozialen Entwicklung des Proletariats kam. Was der Klärung den Weg verrammelt, ist vor allem der vormärzliche bürgerliche Unglaube. daß die Arbeiterschaft selber fähig ist, sich zu führen. Carlyle rief dencaptain of industry" zu den rettenden sozialen Taten auf, der auch für Dickens   als derMann von Eisen" der Former der Zukunft zu sein bestimmt war. Was sollte werden, wo nun die Führerschaft von oben her ausblieb? Carlhle verlor sich hilflos ins Blaue mit der Mahnung vagen Hoffens:..Arbeiten, und nicht verzweifeln!" Und mit Carlyles Meinung harmoniert Dickens  , wenn er in der ErzählungW e i h n a ch t s l i e d", die 1844 ent- stand und von Thackeray   alsnationale Wohltat" gepriesen wurde. zwei seltsame, elende, verwahrloste Geschöpfe vor dem in Geldgier hart gewordenen, gegen alle Freude feindlichen Kaufmann Scrooge erficheinen läßt. Der Geist, der Scrooge ins Gewissen redet und an dessen Gewand die beiden Wesen sich klammern, sagt:Es sind des Menschen Kinder. Der Knabe ist Unwissenheit, das Mädchen Mangel. Hüte dich am meisten vor diesem Knaben, denn auf seiner Stirn sehe ich das Schicksal der Menschheit geschrieben, wenn diese Schrift bis dahin nicht ausgelöscht wird." So verkehrte sich dem bürgerlichen Ideologen die kausale Ordnung der sozialen Erschci- nungen. Er fand den Ausweg nicht aus dem Labyrinth der sozialen Wirrnis. Aus dem aber sollte sich nun gerade jene Zeit der vier- ziger und fünfziger Jahre herausarbeiten. Ins Grenzland dieser Klärungsarbeit führt der bedeutsame RomanHarte Zeiten", den Dickens   1855 veröffentlichte. Er ist der treueste Spiegel der sozialen Gedanken Carlyles und war auch ihm gewidmet. Der Arbeiter Stephan Blackpool ist Dickens   und Carlyle zugleich. Um ihn her organisiert sich die Arbeiterschaft als Klasse. Das Prinzip der proletarischen Kampforganisation ist bereits ihr oberstes Lebens- gesetz geworden: Wer nicht für mich ist, der ist wider mich. Aber Blackpool   bleibt für sich und wird abgestoßen, wie viel Achtung auch seine menschliche Vortrcfflichkeit einflößen mag. Die Zeiten sind unerbittlich hart. Blackpool   sieht die soziale Wirklichkeit schleierlos deutlich, aber er weiß keinen Auswegs Er geht zu- gründe, indem er in einen totliegendcn Kohlcnschacht stürzt. Drunten liegt er mit dem Gedanken an die Unzähligen, die dort arbeitend gemordet wurden, und sein letzter Trost ist"ein Stern, der aus unendlichen Fernen als Botschaft einer entschädigenden besseren Welt in den Schacht herniederstrahlt. Sein soziales Denken war im Leben und kommt auch im Sterben nicht hinaus über das auf totes Gleis festgefahrene Wort:Alles ist Konfusion." Von diesem bedeutsamen Roman, den Taine eine kurze Zu- sammenfassung aller in den übrigen Schriften Dickens   niedergelegten Grundsätze und Ansichten nennt, ist gesagt worden, er gehöre zu Dickens   unpopulärsten Werke». Er stand eben damit zwischen zwei Lagern. Auf der einen Seite hielt er eine vernichtende Abrechnung mit den nationalökonomischen Heucheleien und Verranntheiten und den sozialen Vorurteilen der profitgierigen Bourgeoisie, mit den manchcsterlichen Tatsachcn-Mcnschen, die die Arbeiter be- handeln,als wären sie Ziffern in einem Rcchcnexempel oder Maschinen ohne Neigungen und Leidenschaften, ohne Erinnerungen und ohne Seelen, die hofften". Abrechnung auch hielt er mit jenen blasierten, schmarotzenden, junkerlichen Nichtstuern, deren einen er von sich sagen läßt: er seiein geldgieriges Stück Menschenfleisch, bereit, sich zu jeder Zeit für jede anständige Summe zu verkaufen". Von diesen junkerlichen und jenen bürgerlichen Typen aus verhöhnt Dickens   auch den Parlamentarismus,� auch in diesem Punkte Carlyles überzeugter Genosse. Und auf der anderen Seite brach in den Harten Zeiten auch seine Abneiguiig gegen das ungefüge revolutionäre Schlagwort durch, das die Massen packt. In dieser Abneigung war er sich seit den Tagen der Londoner   Skizzen gleichgeblieben. Der jakobinisch gestimmte Gaststubenredncr Rogers, den er damals zeichnete als TyPuS eines zahlreichen Geschlechts, das nicht wenig Unheil anrichte, hat sich in den seitdem verstrichenen zwanzig Jahren zu Slackbridge, dem . Sprecher der. organisierten Weber von Coketown, entwickelt, der