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Didens ebensowenig wie einst Rogers sympathisch ist. Dickens blinken-au denken, wieviel glüdseliges Bergessensein ein jegliches mischt sich da mit persönlichem Wort in den Gang der Erzählung Haus in sich einschließt: daß hier Kinder sind, die in ihren Bettchen ein; er wundert sich, daß die Arbeiter ihrem Sprecher erregt getauert liegen, daß hier Jugend, hier Alter, hier Armut, hier folgen. Der Glaube ist in seinen Augen falsch, daß jeder seine Reichtum, eins dem andern gleich in seinem Schlafe, eins wie das einzige Hoffnung nun darin sieht, sich mit seinen Kameraden zu andere sich gleicherweise der Ruhe erfreut nichts gemeinsam zu verbinden. Aber er sieht, daß der Glaube tief und wahrhaft haben mit der schlummernden Welt um einen her, nicht einmal den ernst" ist. Auch konnte kein Zuschauer verfehlen zu wissen, daß Schlaf, diese Himmlische Gabe, an der doch jegliches Geschöpf auf diese Leute selbst noch in ihren Irrtümern große Eigenschaften Erden seinen Teil hat; und mit nichts, nichts Verwandtschaft zu zeigten." haben, als mit Verzweiflung sich durch den elenden, jämmer Die ideellen Gründe, die den Dichter veranlaßten, die Aus- lichon Gegensatz zu allem und jedem um sich her und bei jeglichem einandersetzung des Webers Blackpool mit den organisations- Anlasse weit schrecklicher einsam und weit schrecklicher verlassen und willigen Kameraden in breiter Ausführung in den Roman zu verstoßen zu fühlen, als in einer pfadlosen Dedenei: das ist fügen, find in jeder Beziehung für die Kenntnis Didens wichtig. eine Art von Leid und Weh und Qual, worüber sich gar manches Er sah in der Forderung des Anschlusses an die Organisation das Mal die Flüsse großer Städte schließen, und die einzig und allein Verlangen, daß das Gefühl des einzelnen sich der allgemeinen die Einsamkeit unter Massen zu erwecken vermag. Sache unterordne". Daß er sich gegen dies Verlangen der KampfAus: Barnaby Rudge. disziplin wehrte, wird verständlich, wenn man bedenkt, wie unerbittlich er zeitlebens gegen die seelische Verderbnis, gegen die geistige Verstümmelung und Verkrüppelung gekämpft hat, die, seit die Walze des rajend wachsenden neuen Kapitalismus über England hinrollte, zum Kulturmerkmal des Inselreiches geworden war. Immer wieder schilderte er gerade auch in den Harten Zeiten die Ertötung des Phantasielebens unter der Herrschaft eines Erziehungssystems, das einzig die Entwickelung des Verstandes gelten ließ. Als Leiter und Redner zahlreicher Sizungen und Kongresse von Arbeiterbildungsvereinen trat er gegen das arge Uebel auf, und so witterte sein Mißtrauen nun auch in den neuen Organisationen eine neue Gefahr. Die Zusammenhänge von individueller Entwickelung und ihren erzieherischen Möglichkeiten mit den Machtverhältnissen des Klassenstaates hat er nie kennen gelernt. Der sozialistischen Gedankenbewegung stand er fern, und als die neuen pädagogischen Anschauungen ihren Weg machten, zählte er nicht mehr zu den Lebenden. Aufgerieben durch eine ungeheuerliche Vortragstätigkeit und bloß 58 Jahre alt, starb er am 9. Juni 1870. In der Westminsterabtei ward er begraben.
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Die Stadt der Maschinen und Essen. Es war eine Stadt von roten Ziegeln oder von Ziegeln, die rot gewesen wären, wenn es Rauch und Ruß erlaubt hätten; aber unter bewandten Umständen war es eine Stadt, natürlich rot und schwarz gefärbt wie das gemalte Gesicht eines Wilden; es war eine Stadt der Maschinen und der hohen Essen, aus denen sich endlose Rauchschlangen beständig emporwanden und nie müde wurden. besaß einen schwarzen Kanal und einen Fluß, dessen Fluten rot, von übelriechender Farbe waren, und lange, vielstödige Gebäude voller Fenster, wo es den ganzen Tag rasselte und zitterte und wo der Stolben der Dampfmaschine eintönig auf und niederging, wie der Stopf eines von trübem Wahnsinn befallenen Elefanten. Es enthielt mehrere große Straßen, die sich alle sehr ähnlich sahen, und viele fleine Straßen, die sich noch ähnlicher faben, bewohnt von Leuten, die sich auch ähnlich sahen, die alle zu denselben Stunden, in dem selben Takte, auf demselben Pflaster aus dem Hause kamen oder in die Häuser gingen, um dieselbe Arbeit zu verrichten, in denen jeder Tag ebenso war wie der gestrige und morgende, und jedes Jahr ebenso wie das vorige und das nächste. Aus: Harte Zeiten.
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All die schreckliche Verwüstung der seelischen und auch körperlichen Lebens, die er gesehen, der bethlehemitische Kindermord, den die kapitalistische Industrie vor seinen Augen vollbrachte, steht aber auch in engstem Zusammenhange mit der Liebe, die fein Dichten den Kindern bewiesen hat. Sie waren ihm die Keime Was es nicht bessern wird! tommender Kultur. Auch hier spornte ihn sein großer Glaube: Sir, ich fann nicht mit meinem wenigen Wissen und meiner die Reform der Gesellschaft müsse in der Besserung der Individuen ungefchickten Weise dem Herrn sagen, wie es besser gemacht werden borgebaut und fundamentiert werden. Kinder bargen in seinen obgleich es einige Arbeiter in dieser Stadt besser als ich Augen noch unverbildet die Möglichkeiten einer harmonischen Aus- tun könnten, aber ich kann Ihnen sagen, was es nicht besser machen bildung von Denten und Fühlen. Er gab ihnen Eigenschaften, wird. Gewalt wird es nicht besser machen. Obsiegen und Triumph die sie zu Vorbildern und Lehrmeistern der Erwachsenen machten. wird es nicht besser machen. Sich verständigen, daß die eine Seite Ueber ihre Jahre hinaus haben sie flugen Verstand, eine Willens- unnatürlicherweise immer und ewig recht hat, und die andere Seite stärke, die selbst bei Erwachsenen selten ist, ein Pflichtgefühl, das unnatürlicherweise immer und emig unrecht, wird es nie und nimmerDickens wieder und wieder von den Großen forderte. Sie sind mehr besser machen. Die Sache gehen lassen, macht es auch nicht idealisiert durchaus, sind meist ein krasser Widerspruch gegen das besser. Laßt Tausende und Abertausende unbekümmert ihres Weges Milieu ihrer Herkunft, aber auf ein ethisches Ziel lief alles Dichten gehen, alle das gleiche Leben führen und alle in dieselbe Konfusion Dickens ' hinaus. Hier eben waltet mit herrlicher Kraft sein geraten, und sie werden wie eine Masse sein, und sie eine andere, und optimistischer Humer, der in allen Wesen, selbst im härtesten zwischen beiden eine schwarze, unüberschreitbare Kluft so lange oder Heuchler und furchtbarsten Mörder den Kern menschlicher Vor- so furze Zeit als ein solches Elend dauern kann. Sich nicht mit trefflichkeit freizuschälen weiß. Freundlichkeit und Geduld und gemütlicher Weise mit Leuten abgeben, die in ihren vielen Leiden so innig zusammenhalten und sich in ihrer Not mit dem unterstügen, was sie selbst bitter ent behren wie es, glaube ich in aller Demut, fein Volk, das der Herr auf seinen Reisen gesehen, besser macht das wird es auch nicht besser machen, ehe die Sonne zu Eis wird. Und endlich sie als so viel Menschenkraft abschäßen und sie behandeln, als wären fie Ziffern in einem Rechenegempel, oder Maschinen ohne Neigungen Wir möchten unsere Leser auf die neue Ausgabe von Dickens ' und Leidenschaften, ohne Erinnerungen und ohne Seelen, die hoffenRomanen hinweisen, die, von Richard Boozmann vortrefflich her- wenn alles ruhig geht, sie anstrengen, als befäßen sie nichts von der gerichtet, im Verlage von Hesse u. Becker in Leipzig erscheint. Die Art, und wenn alles unruhig geht, ihnen vorwerfen, daß sie im bis jetzt herausgekommenen sechzehn Bände jeder kostet ge- Umgang mit Ihnen keine solchen menschlichen Gefühle verraten Funden und einzeln fäuflich 2 M. bringen alle wichtigeren Romane und jeder ist mit einer in furzen Zügen brauchbar unter- allen, das wird es nie beffer machen, ehe Gottes Schöpfung nicht umgeschaffen wird." richtenden Einführung versehen. Eine andere neu übersetzte Didens- Ausgabe erscheint bei A. Langen in München .
Es ist das Wesen seiner Romane, daß sie mit unverfälschter Spiegelung der Wirklichkeit einsehen und dann, wenn sie gezeigt haben, wie die Dinge und Menschen sind, eine Wendung in Handlung und Charakteristik geschehen lassen, die nun zeigt, wie die Menschen sein sollten, wenn die Welt werden soll, wie der soziale Ethiker sie träumt.
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Hus Dickens' Schriften.
Obdachlos.
Fr. D.
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Aus: Harte Beiten.
Laßt mich ungeschoren!
Wenn mich die Arbeit nicht wie ein menschliches Geschöpf erhält wenn ich so schlecht leben muß, daß ich in und außer dem Hause hungre wenn ich sehe, daß ein ganzes Leben voll Tätigteit so beginnt, so fortfährt und so endet, ohne eine Aussicht auf einen Wechsel zum Besseren, dann sage ich zu dem vornehmen Bolte: " Haltet euch fern von mir und laßt meine Hütte ungeschoren. Meine Türen find dunkel genug, ohne daß noch euer Schatten dazukommt. von mir dürft ihr nicht verlangen, daß ich in dem Parke die Schaustellung vermehren helfe, wenn's da einen Geburtstag, eine schöne Führt eure Komödien Sprüchemacherei oder etwas der Art gibt. Wir haben ohne mich auf, und mögen sie euch wohlbekommen. nichts miteinander zu schaffen, und es ist am besten, wenn man Aus: Silvesterglocken.
Obdachlos und allein auf offenem Felde zu sein, wenn man den Wind heulen hört und durch die ganze, lange, beschwerliche Nacht dem Tag entgegenbarrt: den Regen niederklatschen zu hören und unter eine alte Scheuer oder in einen Heuschober oder in die Höhlung eines Banmes zu friechen, um auf der vom Wind geschüßten Seite ein wenig Wärme zu finden: das sind Dinge schauerlicher Art aber doch nicht so schauerlich, wie es das Auf- und Niederwandern mich gehen läßt!" an Stätten ist, wo Obdach winkt und Betten mit Schläfern zu tausenden stehen, das Wandern eines heimatlosen, verstogenen Wesens! Von einer Stunde zur andern Stunde über die Hallenden Steine zu schreiten, dieweil man die trägen Schläge der Glocken zählt die Lichter zu beobachten, die in den Schlafstubenfenstern
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