Ja. Ö ist schrecklich," antwortete Ellen und sah ihn Heidend an.Und ich kann Dich jetzt so gut verstehen!" Die drohende Not hatte sie unter seine Fittiche geführt. Sie wagte selbst nicht mehr zu denken und nahm alles aus seiner Hand. Eines Tages, bald nach dem Wochenbett, forderte sie Pelle auf, einmal hinzugehen und sich nach Vater Lasse umzu- sehen.Sieh zu, daß Du ihn mitbekommst!" sagte sie.Wir können ihn gut hier haben, wenn wir ein wenig zusammen- kriechen. Ich fürchte, daß er Not leidet." Pelle freute sich über das Anerbieten und ging gleich hinaus. Es war groß von Ellen, ihr Herz dem Alten zu er- schließen, gerade jetzt, wo sie selbst keinen sicheren Ausweg für ihr Auskomm" hatten. DieArche" lag da und sah ganz verheert aus. Die Gar- dinen waren überall verschwunden, ausgenommen bei Olsens. Zusammen mit der vergoldeten Leiste brachten sie doch immer fünfzig Oerel die Blumen an den Fenstern waren erfroren. Man konnte direkt in das Ganze hineinsehen, und drinnen war es auch leerer geworden. Es lag etwas Schamloses über dem Winter, der so entkleidete, statt einzukleiden und immer zuerst die schirmende Wand veräußerte. Die Aborte auf dem Hof hatten Türen und Deckel eingebüßt, und Pelle hatte seine liebe Not, auf die Mansarde hinaufzugelangen! Das meiste von den Balustraden war verschwunden, und jede zweite Stufe fehlte: dieArche" half sich, so gut sie konnte. Drüben bei Frau Johnsen fehlte der Kübel aus Eichenholz, der sonst immer in der Ecke auf der Galerie stand, wenn er nicht aus- geliehen war. DieArche" hatte nur den einen. Und nun war der verbrannt oder verkaujt- Pelle guckte da hinüber, hatte aber nicht den Mut, sie zu begrüßen: Hanne war ar- beitslos, das wußte er. Fortsetzung folgt.) (NaAdrock verboten.) Chadfdri-JVIurat» 27] Von Leo Tolstoi . 22. Um die Mitte der Nacht hatte er seinen Entschluß gefaßt. Er hatte sich dahin entschieden, daß er in die Berge fliehen, mit den ihm ergebenen Awaren in Schamyls Residenz einfallen und ent- weder untergehen oder die Seiniaen befreien müsse. Lb er dann mit ihnen zu den Russen zurückiehrcn oder nach Chunsach gehen und unter Chamhls Fahnen kämpfen würde, wollte er noch nicht entscheiden. Er wußte nur, daß er jetzt gleich die Rusien verlaffen und in die Berge fliehen müsse. Und er traf sogleich alle Beran- staltungen, u« seinen Entschluß zur Ausführung zu bringen. Er zog seinen schwarzen, wattierten Bcschmct unter dem Kissen hervor und begab sich nach dem Zimmer, in dem seine Muriden unter- gebracht waren. Es war durch den Hausflur von seinem Zimmer getrennt. Als er in den Hausflur trat, verspürte er die Kühle der taufrischen Mondnacht, die durch die offene.Haustür hereinströmte, und vernahm das Trillern und Flöten der Nachtigallen in dem an daS Haus anstoßenden Garten. Er durchschritt den Hausflur und öffnete die Tür nach dem Zimmer der Muriden. Es war kein Licht darin, nur die Sichel des zunehmenden Mondes warf ihren silbernen Schein ins Zimmer. Der Tisch lind die beiden Stühle waren zur Seite ge- rückt und vier der Muriden lagen auf Teppichen und Filzmänteln hingestreckt da. Chanefi schlief draußen bei den Pferden. Als Hamsalo da? Marren der Tür vernahm, richtete er sich auf, sah Chadschi-Murat groß an und legte sich, als er ihn erkannt hatte, wieder hin. Eldar hingegen, der neben ihm lag, sprang auf und begann in Erwartung ein� Befehls seinen Beschmet anzuziehen. Chan-Mahoma und Bata schliefen. Chadschi-Murat legte seinen Beschmet auf den Tisch. Ein Geräusch, wie wenn ein fester Gegen- stand dumpf aufschlüge, ließ sich vernehmen es rührte von dem Golde her, das in den Beschmet eingenäht war. Näh ' auch das da noch ein," sagte Chadschi-Murat zu Eldar und reichte ihm die Goldstücke, die ihm Kirillow gebracht hatte. Eldar nahm das Gold und den Bcschmet, ging an das vom Mond- licht erhellte Fenster, zog sein kleines Messer unter dem Dolch her- vor und begann das Futter des Beschmets aufzutrennen. Hamsalo hatte sich gleichfalls wieder erhoben und saß mit gekreuzten Beinen da. Und Du, Hamsalo, sag' unfern Jungen, sie sollen ihre Ge- wehre und Pistolen nachsehen und sich Patronen in Vorrat zurecht machen. Morgen treten wir einen langen Marsch an." Kugeln und Pulver sind da, alles wird bereit sein," sagte Hamsalo und stieß einen unverständlichen Laut aus. Hamsalo be- griff, wcShalb Chadschi-Murat alle diese Vorbereitungen treffen ließ. Er hatte von Anfang an nur den einen Wunsch gehabt, der mit der Zeit immer stärker und stärker geworden war: recht viele von diesen russischen Hunden niederzuschlagen und niederzustechen und dann wieder in di« Berge zu fliehen. Jetzt sah er. daß auch Chadschi-Murat nichts anderes wollte, und er war zufrieden. Als Chadschi-Murat hinausgegangen war, weckte Hamsalo die Gefährten, und alle vier brachten nun den Rest der Nacht damit tu, ihre Büchsen, Pistolen und Feuersteine nachzusehen, die um- rauchbaren gegen neue umzutauschen, frisches Pulver auf die Pfannen zu schütten, die Patronenhülsen, die sie vorn an der Tscher- keska befestigt hatten, mit der nötigen Pulvermenge zu füllen und mit den in ölige Läppchen gewickelten Kugeln zu verstopfen, die Säbel und Dolche zu schleifen und die Klingen einzuölen. Bevor noch der Tag anbrach, trat Chadschi-Murat wieder in den Hausflur, um Wasser zu seinen Waschungen zu holen. Noch heller und lauter als am Abend klang jetzt, vor Tagesanbruch, das süße Lied der Nachtigallen an sein Ohr. Aus der Stube der Mu- riden vernahm er den halb zischenden, halb kratzenden Laut, den das Wetzen der Dolche auf dem Stein hervorbrachte. Chadschi- Murat hatte bereits Wasser aus der Tonne geschöpft und nähcrto sich wieder der Tür seines Zimmers, als er aus der Stube der Mu- riden plötzlich leisen Gesang vernahm: Chanefi war es, der ein Chadschi-Murat bekanntes Lied angestimmt hatte. Er blieb stehen und lauschte. In dem Liede ward erzählt, wie der Dschigit Hamsat mit seinen tapferen Genossen eine Herde weißer Rosse bei den Russen geraubt und der Russenfürst sie jenseits des Terek eingeholt und mit seinen Kriegern, die so zahllos waren wie die Bäume des Waldes, umzingelt habe. Das Lied schilderte weiter, wie Hamsat die Pferde getötet, und wie er mit seinen Genossen hinter dem blutigen Wall, den sie aus den Pferdeleibern gebildet, sich so lange gegen die Russen gewehrt hätten, als sie noch eine Kugel im Laufe, den Dolch am Gürtel und Blut in ihren Adern gehabt hätten. Und bevor Hamsat gestorben, habe er eine Vogelschar oben am Himmel erblickt und den gefiederten Boten zugerufen:»Fliegt hin üjr lieben Vögel, fliegt nach unseren Häusern und sagt unseren Schwestern und Müttern und unseren weißen Mädchen, daß wie alle für das Chasawat gestorben sind. Sagt ihnen, daß unsere Leiber nicht in Gräbern liegen werden, sondern daß gierige Wölfe unsere Glieder verschleppen und benagen und schwärze Raben uns die Augen aus den Höhlen hacken werden." Damit endete das Lied, dessen letzte, melancholisch klingende Worte auch der muntere Bata mitgesungen und um ein laut hinausgeschmettcrtcsLa illach il allah" erweitert hatte. Dann war alles still geworden, und Chadschi-Murat- vernahm wieder nur dos Flöten der Nachtigallen und das Wetzen der Dolche hinter der Tür. Er war so in Ge- danken versunken, daß er gar nicht bemerkte, wie der Wasscrkrug sich überneigte und das Wasser aus ihm überfloß. Er schüttelte über sich selbst den Kopf und begab sich in sein Zimmer. Nachdem er das Morgengebet verrichtet, untersuchte er seine Waffen und setzte sich dann auf sein Lager. Alle Vorbereitungen waren ge- troffen. Wollte er ausreiten, dann mußte er den Kommissar um Erlaubnis fragen. Es war jedoch noch dunkel, und der Kommissar schlief wohl noch. Chanefis Lied hatte Chadschi-Murat an jenes andere Lied er- innert, das seine Mutter Patimat dereinst gedichtet hatte, nachdem der Bater sie, die ihn als Säugling an der Brust hielt, mit dem Dolche verwundet hatte. Er stellte sich lebhaft seine Mutter vor, nicht als die alte, runzelige, grauhaarige Patimat mit den schwarzen Zahnftumpfen, als die er sie zuletzt verlassen, sondern als hübsches, junges, kräftiges Weib, wie sie ihn, den fünfjährigen, schweren Jungen, in einem Korbe auf dem Rücken über die Berge zum Großvater getragen. Und er gedachte auch des runzeligen, grau- bärtigen Großvaters, der mit seinen sehnigen Armen das Silber schmiedete und den Enkel die Gebete lehrte. Er gedachte des Springbrunnens am Fuße des BergeS , zu dem er mit der Mutter, sich an ihren Pumphosen festhaltend, nach Wasser gegangen war. Er gedachte des mageren Hundes, der ihm das Gesicht geleckt hatte, und des rauchigen Dunstes und säuerlichen Milchgeruches, der die Luft erfüllte, wenn er mit der Mutter beim Melken der Kühe und beim Abkochen der Milch zugegen war. Er gedachte des Tages, da ihm zum ersten Mal der Kopf rasiert worden war: wie er damals seinen runden, bläulich schimmernden Schädel in dem glänzenden Kupferbeckcn erblickt hatte und über sein Aus- sehen höchst verwundert war. Und wie er so seiner eigenen Jugend gedachte, trat ihm auch sein geliebter Sohn Juffuf vor die Seele, dem er selbst zum ersten Mal den Kopf rasiert hatte. Jetzt war dieser Juffuf schon ein stattlicher junger Dschigit. Er sah seinen Sohn so. wie er ihn zum letzten Male geschaut: das war an jenem Tage, da er sein Heiuiatsdorf Zelmes verließ. Der Sohn hatte ihm sein Roß vorgeführt und ihn gebeten, mit ihm ziehen fu dürfen. Er war bereits angezogen und bewaffnet und hielt ein eigenes Roß am Zügel. Jussufs hübsches, rotwangiges Gesicht und seine ganze schlanke, stattliche Gestalt er war größer als der Vater strotzte nur so von Lebenslust, Mut und Jugcndftische. Die trotz seiner jungen Jahre bereits gutentwickelten, breiten Schultern, die wohlgebildeten, schlanken Hüsten, die kräftigen Arme und die Gewandtheit und Sicherheit, die sich in allen Bewegungen deS jugendlichen Körpers ausdrückte, waren stets die Augenweide und Freude des Vaters gewesen. Bleib lieber daheim," hatte Chadschi-Murat zu ihm flsfallk. Du bist jetzt der einzige Mann im Hause. Beschütze Deine Mutter und Deine Großmutter." Und Chadschi-Murat gedachte jenes kühnen, stolzen Ausdrucks in JussufS freudig errötendem Gesichte, als er zur Antwort gab, solange er lebe, weder seiner Mutter noch seiner Großmutter ein