Von allein anderen abgesehen: die Frage wäre, ob das wirklich einen Fortschritt bringen würde; oder ob nicht das Sensation?- bedürfnis und die auf falsche Wege geratene Phantasie der Massen zu anderen Befriedigungsmitteln ihre Zuflucht nehmen würden, die von Kunst noch weiter entfernt und für die geistige und seelische Ge- sundheit noch gefährlicher wären. Die Ucberwindung der heutigen Uebelstände im Kinematographen- Wesen ist vielmehr in erster Linie eine Erziehungsfrage oder sollte es wenigstens sein. Die Gesellschaften für Volksbildung und Volksknltur, alle die, welche da Protest erheben gegen die.Kino-Gefahr", die sollten mit- helfen, daß das Kino sich mehr und mehr den Gebieten zuwendet, die ihm nach seinem Wesen zugewiesen sind. und daß das Publikum seinen Weg zu jenenLichlbühnen" nimmt, die sich in diesem Sinne bemühen. Man sollte den Kincmatographenbefitzern mit Rat und Tat in der Schaffung geeigneter Films und ihrer Ver- Wertung zu Seite gehen; vielleicht wäre es nicht unangemeffen, solche Kinobefitzer, die�fich willfährig zeigen, auch materiell zu siib- dentionieren, oder gar selbst Kinematographen einzurichten, die allen Anforderungen entsprechen, und damit Vorstellungen zu geben. die durch eine besondere Billigkeit aber auch durch geschickte Reklame, durch Abwechselung des Programms dem Publikum entgegenkommen. Vielleicht würden sich auch Kommunen, die sich zu der Äuffaffnng durchgerungen haben, daß die künstlerische wie jede andere Erziehung eine eminent bedeutsame Aufgabe der Gemein- schast ist, zu ähnlichen Schritten entschließen können. Daß nebenher das Publikum durch Schule und Schriften aufgeklärt werden muß über das Wesen wahrer Kunst, bedarf kaum noch besonderer Er- wähnung. Besser als die Belehrung durch Schule und Druck wirkt aber immer die durch praktische Erfahrung. DiesesErleben' des wirk­lich Künstlerischen vermittelt nichts bester als ein gutes Theater selbst. Man kann unsere heutigen Bühnen nicht davon freisprechen, daß sie selbst mit schuld daran sind, wenn ihnen der KonkurrentKien- topp' jetzt allmähliib über den Kopf wächst. Sie haben ihre Auf- gäbe, die Kunst wirklich ins Volk zu tragen und das Volk zur Kunst zu erziehen, gar zu sehr vernachlässigt. Sie wurden mehr und mehr aus Volksthcatern Bühnen für die oberen Zehntausend und hielten schon durch ihre Eintrittspreise die Mäste fern. Statt den schlechten Instinkten ein Paroli zn bieten, gaben sie obendrein dem Sensations- bedürfnis und der Mode des großen Publikums auch ihrerseits nur allzu sehr nach, und laszive französische Schwanke und Sherlock- Holmes-Romane machten sich auf den besten Bühnen breit wo sie ja auch heute noch vielfach ihr Heim finden. Die Leute, die das befördert haben, besitzen eigentlich recht wenig Grund, über die Ge- schmacksverwilderung durch das Kino und über dieKinogefahr' zu jammern und zu klagen. Jetzt ist es natürlich besonders schwer, das Publikum wiederzugewinnen, nachdkm weite Kreise einmal eine so falsche Vorstellung von Kunst gewonnen haben. Solange unsere Bühnen viel mehr Profit- als Kunstinstitute sind, wird es überhaupt schwer sein, durch sie die Masse von der ' Pseudo-Kinokunst abzubringen und der wahren Bühnenkunst wieder zuzuführen. Auch das Theater, dasliterarisch" sein will, muß als GeschästSunternchmung bei der heutigen Lage der Dinge Reklame, Druck der Konkurrenz, unsichere Komunktur usw. Preise berechnen, die dasVolk" vom Besuche abschrecken. Diekapitalistische' Kunst ist gewistermaßen in eine Sackgaste geraten: In dem stetig wachsenden Einfluß des Luxus, in der Sucht, die Konkurrenz zu übertreffen. hat sie es dem einfache» Manne immer schwieriger gemacht, sich ihr zu nähern. Nun, da er einen billigen, freilich auch minderwertigen Ersatz gefunden hat und deshalb meint, auf das Theater ganz verzichten zu können, schre'en die Herren Kunst- Kapitalisten Zeter und Mordio über die Gefahr, die ihnen, bezw. ihrer" Kunst drohe. Um dieser Herren willen braucht man die EntWickelung nicht zu beklagen, wenn nur das Volk nicht selbst den Schaden hätte von dieser Verdrängung wahrer Kunst durch das minderwertige Kino-Surrogat I Um des Volkes willen muß ernstlich versucht werden, dem Profitintereste zum Trotz an die Stelle unserer Geschäftsbühnen oder wenigstens neben sie wieder wahre Volksbühnen zu setzen und das Kino in seine Grenzen zu verweisen. In erster Linie müßten zu diesem Zwecke die guten Theater so billig und bequem sein, daß sie in diesem Punkte nicht die Kon- kurrenz der Kinos zu scheuen brauchten. Kleine Eintrittspreise Ausschaltung aller Plätze, von denen auS nicht gut zu hören und zu sehen ist, bequemer Billettverkauf ohne Sondergebühr bei bor - berigem Bezug der Eintrittskarten, möglichst günstige Zeit für die Vorstellungen, am besten vielleicht keine feste, ein für alle- mal bestimmte Stunde, sondern ein von Tag zu Tag oder Woche zu Woche wechselnder Beginn, das waren so die äußeren Voraus- setzungen. Selbstverständlich außerdem wirklich gute Kunst lind wirklich gutes Spiel! Keine Rücksichtnahme auf SensationSbcdürfnisse der Masse aber vielleicht ein wenig Rücksicht auf die Freude an der Abwechselung, die im Volke lebt. Wenn die alten Griechen ihrer Tragödie ein lustiges Satyrspiel folgen lassen konnten, könnten vielleicht auch unsere ernsten Darstellungen nach einer an- gemessenen Pause, versteht sich! ein heileres Nachspiel vertragen. Das alles berücksichtigt, ließe sich vielleicht, schneller und umfang- reicher als man denkt, die Menge dem Theater zurück- oder neu« gewinnen, und durch das Theater dem Verständnis wahrer Kunst. Soweit die Theater von heute die Geschäftstheater daS nicht können und wollen, müsten die die Führung übernehmen, die das Volk lieben und die Kunst zu schätzen wisten. Auch hier ist ein Anfang gegeben. In Berlin mühen sich die Freie Volksbühne und die Neue freie Volksbühne in diesem Sinne, an anderen Orten ähnliche Vereine. Aber die Mttel, die dort zur Verfügung stehen, genügen noch nicht. In ganz anderem Maße muß die Oeffentlichkeit interessiert, muß Arbeit geleistet werden. Unbillig wäre eS gewiß nicht, wenn auch Staat und Kommune sich schon jetzt der Sachen annähmen und zum mindesten mit den Vereinen Hand in Hand arbeiteten. Wenn dieKino-Gefahr' in diesem Sinne anregend und an- feuernd wirkte, hätte auch sie ihr Gutes. In diesem Punkte sollte man suchen, sie auszunutzen. Vielleicht gelingt es. S. Nestriepk«. kleines Feuilleton. Hauswirtschaft. Spinal Und Mangold . Unter allen Blattgemüsen nimmt der Spinat, die hervorragendste Stellung ein, nicht nur wegen seines Wohlgeschmacks, sondern auch wegen der besonderen gesundheitfördernden Eigenschaften, die man ihm mit Recht zu- schreibt. Häufiger Genutz von Spinat ist ganz besonders denen zu empfehlen, die an Blutarmut leiden. Der Spinat enthält näm» lich Eisen und ist also geeignet, das an Eisen arm gewordene Blut damit anzureichern. Außerdem enthält er kleine Mengen von Phosphorsäure sowie, andere pflanzliche Säuren, die anregend auf den Stofswechsel wirken. Aus seiner Heimat Persien kam der Spinat zu Anfang unserer Zeitrechnung nach Indien und China , später durch die Araber nach Spanien und Italien und im 15. Jahrhundert über Frankreich nach Deutschland . Die landesübliche Zubereitung des Spinats ist nichts weniger als einwandfrei. Gewöhnlich kocht man ihn in vielem gesalzenen Wasser ab, entzieh�, ihm dadurch die wichtigen Nährsalze und einen guten Teil seines aromatischen Geschmacks, um ihm nachher durch Zusatz von Zwiebel, Sardelle oder gar Hering, manchmal auch durch Zucker, ganz unnötigerweise einen fremden Geschmack zu verleihen. Die einzig rationelle Bereitung des Spinats, wobei nichts von seinen wertvollen Bestandteilen verloren geht, besteht darin, daß man ihn nach dem Verlesen und Waschen nur einige Male mit dem Wiegemesser durchschneidet, ein Stückchen Palmin oder Butter in einen Kochtopf gibt und den Spinat hierin auf kleinem Feuer weich dünsten läßt. Dann rührt man ihn durch ein Sieb oder hackt ihn mit dem Wiegemesser fein, nach dem man den Saft hat ablaufen lassen. Spinat braucht reichlich Fett, in dem man etwas Mehl schwitzen läßt. Dies löscht man mit dem Spinatsaft und Milch nach Bedarf ab, salzt, fügt Schnittlauch sowie den Spinat hinzu, läßt alles gar kochen und würzt mit ganz wenig Muskat- nuß und einigen Tropfen Maggi beim Anrichten. Der Zusatz von Milch mildert den Herben Geschmack des Spinats. Man kann ihn auch mit allerlei wild wachsenden Frühlingskräutern mischen, z. B. mit Melde, Sauerampfer, Löwenzahn, Brunnenkresse, auch mit Kerbel und Petersilie. Reicht man ihn mit pflaumenweichen oder Spiegeleiern, so empfiehlt es sich, Bratkartoffeln dazu zu geben. Spinatreste lassen sich zu folgenden sehr wohlschmeckenden Gerichten verarbeiten. . Eierkuchen mit Spinat. Nach bekannter Art ge- backene Eierkuchen werden mit heiß gemachter Spinatmafle, der man etwas Kerbel zusetzen kann, gefüllt, aufgerollt und zu Tisch gegeben. Spinat mit Nudeln. Breite Gemüsenudcln werden in Salzwasser gar gekocht, abgegossen, mit dem Spinat und dem nötigen Fett zusammen erhitzt und mit gekochten, abgeschälten Eiern angerichtet. Spinatsuppe. Bouillonwürfel werden in kochendem Wasser aufgelöst, übrig gebliebene Kartoffeln reibt man fein und läßt alles mit Spinat zusammen durchkochen. Beim Anrichten gibt man ein Stückchen Butter hinein. Eine Abart des Spinats ist der Mangold . Er ist in Mittel- und Norddeutschland wenig bekannt, während man im Süden ein gutes Gemüse daraus bereitet. Wer ein Stück Gartenland zur Verfügung hat, versuche es einmal mit dem An- bau von Mangold . Die am besten schmeckende Sorte hat den Namen Lukullus. Mangold hat vor Spinat den Vorteil einer weniger umständlichen und zeitraubenden Vorbereitung. Die großen Blätter werden von den Stielen gestreift und dann weiter wie Spinat behandelt. Die Stiele geben eine zweite Gemüse» schüssel. Man schneidet sie in längliche Stücks und kocht sie in einer seimigen Sauce weich, die man aus Schwitzmehl, leichter Brühe und Milch bereitet hat. Nach Belieben kann man das Ge» müse mit einem zerquirlten Eigelb abziehen._ m. kt. Veranttvortl. Redakteur: Albert W-chS, Berlin. Druck u.Verlag: vorwärtsBuchdruckerei u.Verlagsanstait Paul S>agerölCo., Berlin SVV.