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Gleichheit beschränken; Freiheit, treil jede private Abhängigfeit eine dem Staate entzogene Straft bedutet; Gleichheit, weil ohne sie die Freiheit nicht bestehen kann.

Ich habe schon gesagt, was bürgerliche Freiheit ist; was die Gleichheit betrifft, so muß man dies Wort nicht so verstehen, als ob alle Abstufungen von Macht und Reichtum absolut die gleichen toären; aber was die Macht angeht, so muß sie über jede Gewalt= tätigkeit erhaben sein und nie anders, als auf Grund von Rang und Gejcken ausgeübt werden; und was den Reichtum betrifft, so sei kein Bürger so reich, um einen anderen kaufen zu können, und feiner so armi, um gezwungen zu sein, sich zu verkaufen; was von seiten der Großen Verminderung der Güter und des Kredits, und von seiten der Kleinen Verminderung der Habsucht und Begehr­Wollt ihr daher dem Staat eine feste Grundlage geben, so nähert die äußersten Rangstufen einander so viel als möglich; duldet weder übertrieben Reiche noch Bettler. Diese beiden, natür­lich unzertrennlichen Stände sind gleichmäßig unheilvoll für die öffentliche Wohlfahrt; aus dem einen geben die Helfershelfer der Tyrannen hervor, aus dem anderen die Tyrannen; zwischen ihnen spielt sich stets der Schacher mit der öffentlichen Freiheit ab; der eine kauft und der andere verkauft.

lichkeit vorausjeßt.

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Privateigentum.

Der erste, der, nachdem er ein Stück Grund und Boden einge zäunt hatte, auf den Einfall fam zu sagen: dies gehört mir, und der Leute fand, die einfältig genug waren, um es zu glauben, war der eigentliche Begründer der bürgerlichen Gesellschaft.

Bürger und Mensch.

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Metaphyfit. ni asupan os lid Allgemeine und abstrakte Jdeen sind die Quelle der größten menschlichen Irrtümer; niemals hat das Stauderwelsch der Meta­physik vermocht, eine einzige Wahrheit zu entdecken, und es hat die Philosophie mit Ungereimtheiten erfüllt, deren man sich schämt, sobald man sie ihrer Hochtrabenden Worte entkleidet.

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Kleines feuilleton.

Les Muses

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der Musit ein tiefes Intereffe zu, das er sein ganzes Leben hindurch Rousseau   als Musiker. Rousseau   wandte schon als Jüngling Fehlte dem Komponisten des Devin du intensiv bekundete. village", der lyrischen Szene, Pygmalion", der Ballett­oper galantes" des Opernfragments Romanzen Daphinis et Chloe" und eines Bandes auch die technische Schulung und das kompositorische Können, das seinen Arbeiten einen die Zeit überdauernden Kunstwert hätten leihen können, so hat er als musikalischer Schriftsteller wie als schaffender Musiker doch solch tiefgehenden Einfluß auf die Entwidelung geübt, day auch dem Musiker Rousseau   ein Wort dankbarer Anerkennung gebührt. Wenn die zeitgenössischen Fachleute den Philosophen als Musiker nur sehr bedingt gelten lassen wollten, so liegt das in der Hauptsache daran, daß der Polemiker und Kritiker Rousseau   in dem zur Zeit die musikalische Welt Frankreichs   durch tobenden Streit der Buffonisten und Antibuffonisten, den Vertretern der italienischen und französischen   Musit, so oft die Stellung wechselte, daß er sich bald beide Parteien zu Feinden machte. Hatte er zunächst für die französische   Musit im allgemeinen und für ihren großen Bahn­Kein Mensch und Bürger, wer er auch sein mag, hat der Gebrecher Rameau im besonderen gegen die Verfechter der Lullischen sellschaft ein anderes Gut darzubieten als sich selbst, alle anderen Richtung gekämpft, so wandte er sich später mit gleicher Leidenschaft Güter sind ohne sein Zutun vorhanden; und wenn ein Mensch und Schärfe gegen die Antibuffonisien" und das unmusikalische reich ist, so genießt er entweder seinen Reichtum nicht, oder die Frankreich   überhaupt, um sich am Ende wieder für den französischen  Gesellschaft genießt ihn ebenfalls. Wer im Müßiggang verzehrt, Stil zu erklären. Stein Wunder, daß Rameau   nach dem Besuch der was er nicht erworben hat, stiehlt cs; und ein Rentner, dem der Generalprobe des Muses galantes" bei dem Generalpächter Staat sein Nichtstun bezahlt, ist in meinen Augen nichts Befieres La Popelinière sich überaus abfällig über das Werk äußerte und als ein Stäuber, der auf Kosten der Vorübergehenden lebt. Mujer- Rousseau einen Plagiator nannte. Das vernichtende Urteil Rameaus, halb der Gesellschaft hat der isoliert lebende Mensch, der niemand der als eigentlicher Begründer der Harmonielehre der harmonie­etwas schuldig ist, das Recht, nach seinem Gefallen zu leben; aber fremben Kompositionsart des musizierenden Philosophen begreif­in der Gesellschaft, wo er notwendigerweise auch Stosten' anderer licherweise teinen Geschmad abgewinnen fonnte, tat in­lebt, ist er ihr durch Arbeit den Lohn für seinen Unterhalt schuldig; dessen dem Erfolg des 1752 aufgeführten Devin du hierfür gibt es feine Ausnahme. Arbeit ist daher eine unumgäng village"( des Dorfwahrsagers) feinen Abbruch, ein Werk, liche Pflicht für den sozialen Menschen. Reich oder arm, mächtig mit dem Rousseau   das französische   Singspiel begründete, oder schwach jeder müßige Bürger ist ein Spizbube. wie er mit der 18 Jahre später erschienenen Ihrifchen Szene Bygmalion", bei der die Deflamation mit der vom Drchester begleiteten Pantominen wechselte, dem Melodram die Wege wies. Der Dorfwahrsager" erlebte seine Uraufführung am 18. Oftober 1752 in Fontainebleau  . Der Erfolg war außer­ordentlich groß, und Frau von Pompadour, die die Hosenrolle der Colin gemimt hatte, fand folches Gefallen an dem Wert, daß sie dem Autor 50 Louisdor überweisen ließ und dafür forgte, daß das Wahrsagen" in das Repertoir der Pariser Oper, aufgenommen wurde, wo es sich trotz seiner Schwächen und Mängel über 50 Jahre auf dem Spielplan behauptete. Als musikalische Jubiläumsgabe studiert jetzt die Komische Oper in Paris  Rousseaus Devin du village  " ein. Der Generalprobe wird eine Aufführung in Ermenonville bei Paris  , in der Eremitage, folgen, die Rousseau   auf Einladung des Marquis de Girardin bezogen hatte, wo er am 2. Juli 1778 eines plöglichen, wie einige behaupten, freis willigen Todes starb und die später in den Besitz eines anderen großen französischen   Musikers, des Stomponisten Andri Erneste Modeste Grétrh überging.

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Das Wesen der Erziehung.

Alles ist gut, wenn es aus den Händen des Schöpfers aller Dinge hervorgeht, alles entartet in den Händen des Menschen. Er zwingt einen Boden, die Produkte eines anderen zu nähren, einen Baum, die Früchte eines anderen zu tragen; berwischt und berwirrt die Klimata, die Elemente, die Jahreszeiten; er ver­stümmelt seinen Hund, sein Pferd, seinen Sklaven; er stürzt alles um, berunstaltet alles, er liebt die Mißbildungen, die Ungetüme; er will nichts so, wie die Natur es macht, nicht einmal den Menschen; er muß für ihn dressiert werden wie ein zugerittenes Pferd; man muß ihn nach seinem Belieben krümmen und drehen wie einen Waum seines Gartens.

Ohne dies würde alles noch viel schlechter gehen, und unser Geschlecht will nicht halb ausgebildet sein. In dem augenblick­Cichen Zustand der Dinge würde ein von Geburt an sich selbst über­Lassener Mensch unter den andern als der allerverunstaltetste er­scheinen. Vorurteile, Autorität, Notwendigkeit, Beispiel, alle diese Sozialen Einrichtungen, von denen wir überschwemmt sind, würden in ihm die Natur erstiden und nichts an ihre Stelle seßen. Sie würde wie ein Bäumchen sein, das der Zufall inmitten cines Weges aufsproffen läßt, und das die Vorübergehenden bald um tommen lassen, indem sie es von allen Seiten stoßen und ce nach allen Richtungen biegen und krümmen.

Eigenwert der Jugend.

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Rousseau  - Ausgaben. Von Rousseaus Werken existieren zahllose Ausgaben im franzöfifchen Original wie in beutichen leber­fegungen, aber keine einzige, die die wichtigsten Werke und aus den weniger wichtigen und der Korrespondenz das Wesentlichste zusammens faßte. Kurz vor Rousseaus 200. Geburtstage erschien in der lleber­fegung von R. Grosse eine Volksausgabe des Emil" in zwei Bänden a 1 Mart bei Alfred Kröner  , Leipzig  . Die in der Cotta­schen Weltliteratur erschienene Auswahl gibt in 6 Bänden zu 1 Mark die Bekenntnisse", den Emil", den Gesellschaftsvertrag" und den Ur­sprung der Ungleichheit". Bei Reclam sind außer dem letzten, die gleichen Werte erschienen, außerdem noch die neue Heloise  ". Eine sehr schöne Ausgabe der unverkürzten Bekenntnisse gab in einer neuen llebersetzung von E. Hardt der Verlag Wiegandt u. Grieben heraus( der Preis von 10 M. macht sie allerdings nur

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Was soll man sich von der barbarischen Erziehung denken, die bie Gegenwart einer ungewissen Zukunft aufopfert, die ein Kind mit allen Arten von Ketten belastet und damit beginnt, es elend zu machen, um ihm in ferner Zeit Gott   weiß was für ein angeb­liches Glück zu bereiten, das es voraussichtlich niemals genießen wird? wenn man her empe dinger fraicheng, ab ip vicle wird? Wenn man auch den Zwed dieſer Erziehung für vernünftig für Bibliotheken erschwinglich) Muße hat, sich in die größeren sehr

Unglückliche unter einem unerträglichen Joch zu unaufhörlicher Arbeit verdammt sind, wie Galeerensflaven, ohne die Sicherheit, daß so viele Mühen ihnen jemals nüßlich sein werden! Das Alter der Fröhlichkeit verstreicht unter Tränen, Strafen, Drohungen und Sklaverei. Man quält den Unglücklichen zu seinem Besten und man sieht nicht den Tod, den man herbeiruft, und der ihn inmitten dieser traurigen Veranstaltung ereilen wird. Wer weiß, wie viele Kinder der übertriebenen Klugheit eines Vaters oder Behrers zum Opfer fallen?

Für den Leser, der nicht

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umfangreichen Werke Nousseaus zu vertiefen den kürzeren Ge fellichaftsvertrag sollte freilich jeder ganz lesen empfiehlt sich zur Einführung eine sehr geschickte Zusammenstellung aus seinen Werken, die Eduard Spranger   bei Eugen Diederichs   in Jena   veranstaltet hat( J. J. Rousseaus Kulturideale, Preis 3 M., geb. 4 M.).

Doch wer über Rousseaus Leben und Behren Belehrung wünscht, mag zu Professor Paul Hensels in der B. G. Teubnerschen Samm­lung Aus Natur und Geisteswelt" bereits in zweiter Auflage er­schienenen Werkchen( geb. 1,25 M.) greifen.

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Berantwortl. Redakteur: Albert Wachs. Berlin  . Druk u. Verlag: VorwärtsBuchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin   SW.