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Dich etwas Schönes zum Dank dafür, daß Du einem alten Weibe| Schmuck von einheitlichen Gesetzen des organischen Gestaltens auf ihrem legten Wege Gefellichaft geleistet baft!" sagte sie und diftiert wurde. Diese vier Elemente wurden als Belebungsmittel sah mich auf einmal ganz fchelmisch an; so schelmisch, wie nur ein in der bewußten Abficht angewandt, den Eindruck der Sonderart zu Antlig blicken fann, wenn die Erfahrung des Todes darüber aus- steigern. Will man aber die Grundgefeße des organischen Ges gebreitet ist. Die tiefen Furchen auf den Wangen prägten sich immer staltens beachten, damit das Frauenkleid wird, was es sein sollte, mehr aus, als wollten auch sie nicht zurückstehen früher waren wie Gertrud Brellwig fagt, ein liebevoller, unbewußter Ausdruck es einmal weiche Grübchen gewesen. der eigenen Art", so muß man zuvor ein Gebot erfüllen, das heißt: Tue Geld in deinen Beutel!"
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Bulegt aber fiel Ann Marie doch zusammen. Alles in allem waren wir gut durch die Dunkelheit gekommen, die für die alte Frau das Fremde mit Spannung erfüllte. Als aber jetzt die Sonne über den Türmeu Kopenhagens in der Ferne aufging, lag Ann' Marie stilt da, mit geschlossenen Augen, und hatte nicht die Kraft, von der Wirklichkeit Befiz zu ergreifen. Es war, als ob der Zauber vor dem Tageslicht wiche. Die Leute aus der Klinik, die Ann' Marie geschäfte gesagt: Wir wollen keine bleibende Mode, wir wollen holen famen, mußten sie nach dem Wagen tragen; und sie erkannte mich nicht mehr.
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Auf den Operationstisch kam sie nicht. Sie setzte die Reise in bas Unbekannte fort, wie sie ging und stand. Es wunderte mich nicht, als ich am nächsten Tage eine Notiz darüber in den Zeitungen las. Jahrelang hatte sie sich ja auf diese Reise gefreut; und wenn die Fahrt weiterhin ebenso verlief, wie sie begann, dann macht es nicht viel, daß es ihre einzige blieb.
Die Mode.
Die herrschende Mode mit ihrem Gefolge von Schönheitsmittelchen, die die Gestalt des Weibes zur Karikatur erniedrigt, entspricht genau dem Wesen des kapitalistischen Systems, sie ist charakteristisch für die Sitten der herrschenden Klassen.
In der österreichischen Zeitschrift Neues Leben" schreibt die Schriftstellerin Klara Ebert über die Damenmode mit den herausgeschnürten Hüften, der prallen Taille und den faltenlos gerundeten Gigpartien" unter anderem:
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Sie hat sich mit allem erdenklichen Raffinement dazu entwickelt, die sinnliche Lüfternheit der Männer zu wecken und hat in dieser Hinsicht in dem geraden Korsett den Gipfelpunkt erreicht. Die Frauen, die vom Manne leben, sei es nun als Vampyre der Halbsvelt, sei es als Ehedirnen Frauen, die fich als Ware dem Meist bietenden unter der Sanktion der„ Ehe" verkauften haben, um den Mann zu födern, diese Mode geschaffen, Tausende äffen sie gedankenlos nach. In ihr ging die Keuschheit des ganzen Geschlechts unter, und die Demi- vierge( albjungfrau), die mit frech vorgeschnürtem und entblößtem Busen sich auf dem Balle den Blicken fremder Männer preisgibt, hat ihre Jungfräulichkeit entweiht. Unsere Herrichende Kleidung ist unsittlich, unschön, gesundheitsschädlich. Bis her hörte man fast immer nur das letztere betont, seltener von Künstlern das Unschöne. fast gar nicht das erste. Und doch ist das Unfittliche daran für uns Frauen von unabsehbarer Bedeutung. Im heutigen Kleide stempelt sich das Weib zum Geschlechtswesen des Mannes. Ihr Alpha und Omega ist, jene Körperteile, die sie dazu machen, recht zur Geltung zu bringen.
Pfui!" höre ich manche Leserin rufen über diese drastischen, aber leider wahren Worte. Damit meine ich nicht, daß alle, die sich so fleiden, diefe Zwecke verfolgen. Gewiß nicht. Die meisten tun es gedankenlos, unbewußt. Aber jetzt sollen sie zu denken beginnen und alles abwerfen, was sie zu dem animalen Weibchen herabdrückte, jeder Schönheit und Menschenwürde bar. Wenn wir Frauenfreie Menschen" werden wollen, müssen wir uns eine Sleidung schaffen, die diese niedrigen Zwecke oder auch nur den Schein ausschließt, die unfere und unserer Nachkommen Gefundheit gewährleistet und schön zugleich ist, nicht bloß nicht häßlich" nein, schön in edlen Linien, schön in erhebendem und erhabenem Sinne, fern von aller Gewöhn lichkeit.
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Neben der Geldfrage spielt aber auch das Verständnis und die richtige Auffassung eine Hauptrolle. Der Weg zur Erkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung. Dem Modeunfug der herrschenden Klaffe zu steuern ist ein vergebliches Bemühen. Haben mir doch selbst die Leiter der ersten maßgebenden Berliner Konfektionsstets etwas Neues bringen", als ich ein Kleidmodell empfahl, das sich im Handel als bleibende Frauentracht Eingang verschaffen wollte. Sich an die Vernunft der Modedamen zu wenden, ist ebenso zwecklos. Dieser Auffassung war auch der Regierungskommissar St. Just, als er mit einem Regierungsukas dem Modeunfug aus patrios tischen Gründen beizukommen fuchte. Während der französischen Revolution erließ dieser energische Herr in Straßburg folgenden furzen Befehl:„ Die Bürgerinnen von Straßburg werden eingeladen, die deutschen Moden abzulegen, weil ihre Herzen französisch find. Dieser Verfügung der französischen Regierung wurde gehorcht, denn die Gewalt stand hinter ihr. Um dem Unfug ein Ende zu machen, müßte man auch bei uns Gewalt anwenden. Das geht aber nicht, denn Kultur kann man nicht mit Gewalt erzwingen. Es bleibt also nur übrig, die Modedamen sich selbst und unserem Spott zu überlassen. Jedenfalls entspricht diese Halbweltmode dem inneren Wert L. H. der deutschen wie der französischen Modedamen.
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Kleines feuilleton.
Literarisches.
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Ursächlich
Bruno Wille : Die Weltdichter fremder Zungen. ( Märkische Verlagsanstalt Berlin.) Vom Werkschaffen unserer großen deutschen Dichter, anhebend mit der„ klassischen" Periode und fortgeführt bis auf die Gegenwart, hat Bruno Wille ein vierbändiges Hausbuch für das deutsche Wolf" gegeben, bevor er daranging, auch die Goldströme der Weltpoesie zu gleichen Zwecken aufzufangen. Das Ergebnis dieses Sichtens und Einordnens liegt nunmehr abgefchloffen in zwei gewichtigen Bänden vor uns. Birgt der erste Band reiche Proben aus Poesieschäzen der Inder, Chinesen und Japaner, der Hebräer, Araber und Perser( mit Einschluß afghanischer, kurdischer, tscherkessischer und tatarischer Volkslieder), der Hellenen und Römer, der christlich- lateinischen Kirchendichtung, sowie endlich der altgermanischen Heldenepen und deutschen Kirchenhymnen, der nordfranzösischen Ritterromane, der Troubadours und Minnesänger bis auf den Einfall der Frübrenaissance, die in Dante ihren Meister hat, so hebt der zweite Band mit der Spätrenaissance an, um dann zum weitaus größeren Teil die Koryphäen der europäischen Literatur aus den letzten zwei Jahrhunderten bis zur Worte tommen Schwelle unserer Gegenwart zu zu lassen. Die einzelnen Epochen begleitet Bruno Wille durch knappe literar historische Darlegungen. So schwierig es an fich ist, große geistige Entwickelungen in eine fie erschöpfende prägnante Formel zu pressen, so unerläglich ist diese Forderung, sobald es sich um Bücher handelt, die, wie das vorliegende Sammelwert, dem Bolle gewissermaßen die Kronen menschlichen Schöpfergeistes vermitteln sollen. zeitliche Zusammenhänge der Dichtung mit politischen, gesellschaftlichen oder sozialen Umwälzungen aufzuspüren, ist Willes Sache kaum. Das Wesen beispielsweise der Renaissance sowie ihr Heraufkommen zu begründen, fällt ihm nicht bei. Er begnügt sich mit der überlieferten Phraseologie bürgerlich- ideologischer Literaturgeschichtsschreibung und übernimmt auch irrtümliche Auffassungen, die längst widerlegt wurden. Wohl ist Renaissance auch gleichbedeutend mit dem„ Erwachen der Persönlichkeit". Aber diesem Umstande verdankte jene Zeit nicht Diese Mode mit ihren ewig neuen( und doch alten) Nouveautés, die Wiedergeburt", sondern dem Aufkommen des Kapita furz, dem die von Pariser Dirnen und von spekulierenden Fabrikanten in die lismus, Emporstieg neuen Wirtschafts Welt gefegt werden, ist das berhätschelte Kind der herrschenden Klaffe. ordnung, nämlich der Herrschaft des Geldes an Stelle der alten Sie wird von dem tonangebenden Bürgertum freudig aufgenommen Naturalwirtschaft schuldet die Persönlichkeit" ihr„ Erwachen"! und kann daher erst verschwinden, wenn die Gebräuche und Sitten Jm Uebernehmen der Meinungen anderer Beurteiler tut Wille diefer Gesellschaft verschwinden, das heißt andere Formen annehmen. übrigens mehr, als sich mit unabhängiger Kritik verträgt. Es ist Sittliche und fünstlerische Einwände vermochten nicht hier Wandel einfach nicht richtig, wenn Wille Sigmor Mehring behaupten läßt: zu schaffen. Erst dem Mahnwort biologisch denkender Aerzte, die daß den französischen Alexandriner alle Dichter, die ihn je im auf die verderblichen Wirkungen der Modelleidung hinwiesen, ist eine Deutschen anwandten, bis heutigen Tages im eintönigen Silbenfall Schar fulturstrebender Frauen gefolgt, die in gesundheitlicher Er- des schulmeisterlichen Martin Opiz erhalten hätten. Es genügt doch fenntnis, in dem Verein für Verbesserung der Frauenkleidung, den wohl, Ferdinand Freiligrath zum Gegenbeweise ins Treffen zu Leib des Weibes von der Mißhandlung der Modefesseln zu befreien führen. Zu loben ist die Heranziehung jüngerer Ueberfeber, wie fuchte. Gesundheitliche Erkenntnis brachte dann das forsettlose Gewand, Gumppenberg , S. Mehring, Kirchbach, Zoozmann, in sehr reichlichem bie sogenannte Reformkleidung hervor, die im Anfang leider nur Maße der Herausgeber selbst u. v. a., die im ganzen dem Geiste ein unschöner Reformsad war. Manche Frau lehnte sie ab, weil der fremdländischen Poeten in vollendeter Feinfühligkeit gerecht ihr künstlerischer Geschmack dabei zu kurz fam. Allmählich wuchs werden. Jeder Band( mit Dichterporträts) fostet dauerhaft geaber das praktische Zweckgebilde, das es im Anfang mur war, zu bunden nur 4,50 M. und kann unabhängig vom anderen bezogen einem harmonischen Gewand heraus, dessen Stoff. Farbe, Form und werden.
Wenn John Ruskin , dieser große Schönheitsapostel sagt:„ Ein Leben ohne Kunst ist Vertierung," so fasse ich das so auf, daß bei dem hochstrebenden, nach Adel ringenden Menschen alles von Schönheitsgefühl durchdrungen und geleitet sein soll, das Große wie das Kleine, wie wir uns benehmen, ja, wie wir essen, was immer wir tun und treiben, wie wir uns fleiden, da doch die Kleidung ein Hauptausbrud unserer Perfönlichkeit fein sollte.
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einer
e. k.
Berantw. Redakteur: Alfred Wielepp, Neukölln. Drud u. Berlag: VorwärtsBuchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.
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