Kinderlehre unter dein Siegel strengster Verschwiegenheit mitteilte, daß Margritte elend in des sfabrikhemr Wagen­manns Erwin in der dritten Klasse verkracht sei. und daß er mir von den zweien noch viel mehr sagen könnte, da ging mir das innerlich nicht sehr nahe; höchstens daß ich nun meine erste Untreue oder Unbeständigkeit annähernd ebenso entschuldbar fand, wie die wunderliche Hinneigung zu dem viel älteren Mädchen. Diese neue, freilich sehr einseitige Liebschaft bereitete mir im stillen ein viel ungetrübteres Ver- gnügen als die erste: ich konnte jederzeit fast nur mit innigem Frohsein daran denken. Denn alle meine Wünsche und Gedanken waren knabenhaft, gleich neben dem Gernsehen war das Verzichten daheim. Meine Sorgen drängten sich einzig um Friedas Wohlergehen. Den reichsten und stolzesten Burschen im Dorfe mußte sie haben, billiger tat ich es nicht. Etwa den Winterhalder-Heinrich. Wenn dieser im Vorbei- gehen ein Scherzwort zu ihr sagte, oder wenn er gar eines Sonntagnachmittags an unserem Lattenhag stehenblieb, Friedas Blumengärtchen rühmte und sich von ihr eine Monat- rose oder eine weiße Nelke ins Knopfloch stecken ließ, dann klopfte mein Herz in selbstloser Genugtuung. Ich erman- gelte nicht, das große Ereignis in mein Tagebuch einzu- tragen, gewöhnlich mit der Randbemerkung, daß ich ihr s o einen ruhigen und ernsthaften Hochzeiter doch zehnmal eher gönnen würde, als zum Beispiel den Torbrunner-Noldi, der zu allen Mädchen Späße sage und von dem man nie wisse, wie ers meine. Mich selber ließ ich bei solchen Betrachtungen� ohne wei- teres aus dem Spiel. Wenn auch auf einem meiner Tage- buchblätter die scheinbar nicht ganz harmlose Notiz zu lesen ist, auf der Winterhalde feien, soviel man höre, die fremden Leute in Lohn und Essen gut gehalten und in einem g e- wissen Falle möchte ich später so wie so einmal dort als Meisterknecht oder so etwas eintreten, so kann ich hier des bestimmtesten versichern, daß bei der Ausarbeitung solcher Zukunftspläne meine Träume keineswegs herrenlos schweif. ten, daß mir vielmehr alles weltenferne lag, was nicht redlich und einfältig ist. Eine fast ebenso bedeutende Rolle, wie Frieda, spielte in meinen Aufzeichnungen eine Zeitlang die Base vom Wäldi- Hofe: ja sogar mein Götti brachte es fertig, daß ich ein- oder zweimal mit einem gewissen Wohlwollen seiner gedachte. tFortsetzung folgt.) Sein fcbönster Hag. Von Hermann Stenz. In die Wirtsstube des Kcrschbaumer JakI trat ein Mann mit einem Rucksack ein. Oder richtiger gesagt: ein Rucksack mit einem Mann. Denn das eisgraue Manderl, das da hinter sich die Tür wieder fein säuberlich zuklinkte und ein sehr bescheidenesGrüatz Gott!" sagte, das stand in gar keinem Größenverhältnis zu seinem mächtigen Rucksack. War der schon dick vollgcpackt, so ragten auch noch die langen Stiele zweier blitzblanken, hinten aufgeschnallten Holzäxte weit über den Kopf ihres Trägers hinweg. Die un- verhältnismäßig breiten Schultern, auf denen die Last saß. sie paßten wohl zur Ladung, aber die Größe des Alten stimmte nicht zu ihr. Das lohbraune Gesicht und der über den Mund hängende weißfransige Schnurrbart nebst der kurzen Figur schienen eher einem Waldschratt zu gehören, der einmal zum Schabernack in die luftige Tracht eines GebirgskohlenbrennerS gekrochen war. Schaute man dem Schratt! aber genauer ins verwettcrte Gesicht, dann blickte man in ein paar so treuherzige Kinderaugen, daß man das Drum und Dran vergaß und ebenfallsGrüatz Gottl" sagte. Mit einem Ruck warf der Alte seinen Packen neben die Holz- bank am Ofentisch und tat einen tiefen, erlösenden Seufzer. Dann schob er sich schwer hinter den Tisch aus die Bank, seufzte noch ein- mal tüchtig und beäugte den hinter dem Tisch sitzenden, großen, blondbärtigen Burschen von der Seite. Sodann zog er eine Schweinsblase mit gepaschtem Oestcrreicher Kommißtabak aus der Tasche, stopfte umständlich den großen, buntbemalten Kopf seiner Porzellanpfeife und begann zu qualmen. Alles in der langsamen Art eines Menschen, der Zeit übrig hat. Es war ganz ruhig in der Wirtsstube. Rur die Wanduhr, auf deren hölzerner Vorderseite und um das Zifferblatt knallrote Rosen gemalt waren, tickte laut, beinahe hart in das Schwelgen hinein. Durch die Fensterscheiben kroch träge ein Sonnenstrahl über die mit Sand weißgescheuerten Tischplatten hinweg, langsam, aber stetig, immer weiter, bis ihn die mit grüner Kallfarbe bestrichene Wand aufhielt. Dort lief er seitlich bis an einen gelben Oeldruck und blieb darauf sitzen, daß die Farben nochmals so lustig blinkten. DaS Bild stellte einen keuchenden Mann dar, der ein schweres Kreuz schleppte; auf dem saß ein zeterndes Weib und schlug aus den Mann mit dem Pantoffel ein. Die Wolken aus der Tabaks- vfeife gerieten in den Bereich des Sonnenblinks und wandten stet) darin in tausend lebendigen Wölkchen und Ringen und Fäden. Du, Thomerl, Dein Weiler raucht a net ärger wie Dul" brummte plötzlich schmunzelnd der Bursche am Ofen in die StMe hinein. Der Kohlenthomerl drehte sich schön pomadig um, nahm die Pfeife aus dem Mund und ließ ihn vor Verwunderung offenstehen, wahrend seine blauen Kinderaugen groß und rund wurden. Ja, mei' da schaug her, dös war sa der Berti! Ja, Bertl, grüaß Di Gottl Bist a wieder amal da, und a MordStrumm Lackel bist worden I" Dann sibüttelte er dem Langen die Hand: Wo san mir denn nachher iatzt, Aua?" Im Schongau drunten, Forstg'hilf." Da müaßt ma halt iatzt Herr Jaga und Sie zu Dir sagen?" meinte zweifelnd der Grauhaarige. Sei fein so guat, Thomerl," lachte der Bertl, daß die Zähne unter dem Schnurrbart blitzten,i Hab acht Tag Urlaub, der Jaga is im Schongau blieben und grad der Bertl iS auf B'suach umma kemma zum Herrn Göd(Paten)." Im gleichen Augenblick betrat der dicke Wirt die Stube. Da stand der Thomerl auf, nahm den schäbigen Filz mit der ausgefransten Eulenfeder zwischen die Finger und sprach treu- herzig:I bitt schön, Kerschbaumer, kunnt ma ebba auf a paar Tag Unterschlupf bei Dir haben? Woast, grad zum Schlafen. Wirst scho a Platzerl in der Stallkammer für mi haben." Ja, freili, Platz gnua für an ganzen Haufen so kloane Man- derln is no dal" pustete der Bertl heraus. Is schon recht, Thomerl, bleib nur," sagte der Wirt, und dann zu seinem Neffen gewandt:Du, Engelbert, tu mir fein den Thomerl net aber, der macht so viel wie einer, der um d' Hälft großer iSI" Er hat'S ja net bös g'meint, der Bertl!" mischte sich der Alt« drein und schüttelte den Kopf. So war er der Kohlerthomerl, dacht« immer nur das Best« von den Menschen und hatte sich darum so ein paar klare Augen bewahrt. Dann erzählte er, daß er gestern den letzten Kohlenmeiler vom Däublerbauer in Ellgos abgebaut und heute in aller Herrgotts- frühe seinen Lohn geholt habe. Und jetzt suche er wieder Arbeit. Zuallererst aber einen Unterschlupf auf ein paar Tage, bis er anderSivo zu brennen anfangen könne. Es ist ein mühselig Ding ums Kohlenbrennen. Schon gleich das Wohnen. Da stehen allenthalben im Gebirg herum und mitten im dichten Wald drinnen kleine Hütten. Sie sind ganz aus Holz gebaut und dienen den Kohlenbrennern als Wohnstatte. Vorübergehend nur, für die Dauer des Brandes. Ein dünner Baumstamm liegt länge- lang? über dem anderen und die Spalten sind dicht und fest mit MooS verstopft. Selbst das schräge Dach wird aus rohen, über- einandergreifenden Brettern gezimmert. Und auf diese wieder sind schwere Steme gelegt; denn da droben im Gebirg hausen die Wetter manchmal gar arg. Item: die Hütten sind aber meist so klein, daß ein erwachsener Mann gerade drinnen ausgestreckt liegen kann, und nur so hoch, daß er mit gehobenem Arm an die Decke langt. Das wäre also nicht hoch und brauchte der Köhler keine Sorg' zu haben, daß sich im Stockwerk über ihm einer versteckt hält und Raub oder Diebstahl plant. Schon deshalb nicht, weil es in solchen Hütten in der Regel nichts zu holen gibt. Da steht in einer Ecke ein kleiner, offener, aus rohen Steinen gemauerter Herd, auf der Seite eine breite, derbgezimmerte Bank. Liegt meist ein Stroh- sack mit ein paar wollenen Kotzen(Decken) darauf, und das heißt man da droben ein Bett. Oben, um die Wand herum, find Bretter aus Latten angenagelt. Auf denen liegen oder hängen einige ble- cherne Töpfe, auch einmal ein Eisenhafen dazwischen, das Mehl- sackl, das Haferl Butterschmalz und tieffchwarzeS Brot, zu dem ein gesunder Magen und noch bessere Zähne gehören. Unter der Bank lagert Werkzeug und über derselben an der Wand hängen Kleider und Rucksack. Oft ist im Rucksack auch ein Krug Enzian oder Wacholderbeerschnaps und manchmal irgendwo anders in der Hütten einige Söhlingen zum Wildfangen versteckt. So eine Wohnung ist im Winter leicht zu heizen; ein bisserl rauchig zwar, so daß einem, der eS nicht gewohnt ist, Wasser in die Augen �kommt und der Schnaufer ausgeht. Im Sommer ist«s schön lüftig hier oben, denn da bleiben die kleinen Laden offen und die Tur auch, damit es hell ist. Im Winter aber ist eS da drinnen meist so dunkel wie unter einer Pfaffenkappe. Um Wasser ist in den Bergwäldern keine Not. DaS sprudelt in gloshellen Strähnen lustig rauschend allerorts durch MooS und Gestein. Um die Hütten herum brennen im Winter und im Sommer einmal bei der, dann wieder bei einer anderen Hütte die Kohlenmeiler, hier und da ein Werk dazwischen. So einen Meiler richtig durchjubrennen, will wohl verstanden sein. Zuerst wird der Grund ausgegraben, dann da? Holz ge- spalten und geschichtet. Beim Meiler ,n runder Form, beim Werk länglich. Obenauf wird dann Erde geschaufelt und das Ganze mit ausgestochenem Rasen zugedeckt. Nun zündet der Köhler den Meiler an. Wenn er angcglüht ist, dann brennt er allein weiter, meinen die Stadtfräck. Ja, Schwammerln; nachher geht die Arbeit erst recht an. Da müssen in kurzen Zwischenräumen, je nachdem das Holz foriglüht, Luftlöcher durch die Erdschicht gestoßen werden. Und der Kohler muß hart beim Zeug sein, damit ihm nicht, während er schläft, der Meiler in Brand gerät. Wenn eS einmal hell lodert.