seine erste Ehe zu lösen. Aber hier findet er alles in Verwirrung: sein Kind krank; das Gut verwahrlost. Und in ihm selbst der Kampf zwischen Pflicht und Begierde. Sein Weib will ihm nicht helfen und kann ihm nicht helfen. Da kommt wie eine Erlösung der Krieg. Erfft stellt sich dem Heer zur Verfügung. Er will sich selber ent- fliehen. Aber in den Kämpfen für eine Idee findet er sich selber; er gesundet und mit den siegreichen Fahnen kehrt er, ein Sieger über sich selbst, zurück. Ein Buch, von dem zu reden schon Genuß ist, hat Bernd Jsemann geschrieben:.Lothringer Novellen' sS. Fischer, Berlin  ). Es ist von solch farbenfroher Fülle und solch wunderbarer Leichtigkeit und künstlerischer Heiterkeit, daß nur einer es schaffen konnte, der so reich ist, daß er wie ein glücklicher Erbe schenken darf, ohne sich zu besinnen, und der auch zu schenken versteht, so daß seine Gabe Freude macht. Ein Spätgeborener erzählt von den Abenteuern der Tafel und des Balles, die seine Ahnen, die ungekrönten Könige der Scholle, die stolzen, selbstbewußten Lothringer Bauern, mit der genußfrohen Sinnlichkeit und strotzenden Unverwüstlichkeit Rabelaisscher Helden, die uns heute wie eine Zote anmutet, bestanden. Und er erzählt, wie psychische Verfeinerung im Laufe der Generationen eindi ingt und die scheinbar wie die Berge festgegründeten Fundamente der Bauern- kraft lockert. Jean Philipp hilft sich nicht wie sein Ahn mit einem Spottreim über eine Liebesaffäre weg. Er erleidet Liebe, und sein Herzensroman ist von einer zarten differenzierten Schönheit. Immerhin ist in ihm noch ein gutes Stück des zähen Christoffschen Bauernwillen?. Aber dieser Letzte: Albert, der an den Weibern sich den Tod holt und aus seinem allzu verästelten Leben nur ein Raketenfeuer des Witzes zu machen weiß l Jean Pierre, der Ahn- Herr, der auS einem Gefühl der unversieglichen Kraft heraus lächelte. tvenn er sah, wie des Sonnenkönigs Blut in einem einsamen Schloß- fräulein verrieselte, während sich daneben seine Saat breit und groß wie ein Eichenwald ins Land dehnte, würde das alles nicht be- greifen. Und er war doch einmal eine lebendige Tatsache. Man weiß, es gibt. gewisse Gesetze: Verfall einer Familie. Aber jedes hat sein Leben und fordert sein Recht. Und das ist das Prachtvolle, was Jsemann seinen vier Novellen zu geben vermag: diese unmittelbare lebendige Gegenwärtigkeit in allem. Man denkt nicht daran, Gesetze festzustellen. Man lebt ein- fach ein Stück Leben in seiner schönen Fülle und seiner tiefen Un- begreiflickikeit. Und alles ist mit einer Heiterkeit des Geistes und einer frohe» sinnlichen Kraft des Schavens gegeben, die leicht und glücklich macht. Reich an gut herausmodellierten Gestalten, das Zeugnis einer prachtvollen Begabung, ist der Roman:.Das Freitagskind' von O t t o F l a k e.(S. Fischer, Berlin  .) Es ist die Entwickelungs- geschichte eines Knaben, des Sohnes eines kleinen Beamten aus dem Reichslande. Er verliert den Vater, der sich in üble Geschichten ein- gelassen und deshalb Selbstmord begehr, schon früh. Die Mutter sucht ihre Existenz mit aller Kraft aufrecht zu erhalten. Wie der Knabe heranwächst; wie er die Welt sehend erobern lernt; wie er sich zu den Dingen in Beziehung setzt; die Not der UebergangSjahre wie die Kämpfe des erwachenden Menschen mit der Schule nebst ollem Drum und Dran der Verhältnisse: da» alle? ist mit großer Plastik geschildert. Am Schluß stehen die Frauen als Er- zieherinnen zur Lebensreife. Was mir au dem Buche, das den Ein- druck des Biographischen macht, fehlt, ist der Mangel einer tieferen Lebensidee. Es ist ein schönes Stück Leben; aber der Sinn dieses Leben» wird nicht klar sichtbar. Man möchte das Werk als einen Auftakt ansehen, als einen ersten Teil eines größeren Ganzen, da« erst durch die Weiterführung einen sinnvollen Ueberblick eröffnet. Da ist ein autobiographisches Buch von Oskar Wöhrle  , .Der BaldamuS und seine Streiche', Verlag der Lese, Stuttgart  , das künstlerisch lange nicht an Flakes Können heranreicht; ja in einigen Partien direkt unkünstlerisch wirkt, und das doch eine bedeutende Tiefe des Lebensblickcs vor Flakes Roman voraus hat. Als Sohn eines Sckusters aus dem südlichen Elsaß   geboren, soll BaldamuS Lehrer werden. Der Bursche reißt aus. geht auf die Landstraße. In Paris   verdient er sich seinen Unter- halt als Geiger in Kneipen. Dann geht er mit einem anderen auf die Walze, bis weit hinein nach Italien  . Schließlich läßt er sich für die Fremdenlegion anwerben und steht in manchen Kämpfen seinen Mann. Krank geworden, kommt er nach Europa  . Hier desertiert er und landet nach allerhand Fährlichkciten in der Heimat/ Er ist Fabrikarbeiter. Dann Soldat. Hier wird er invalide und wird cntlaffen. Aber das Leben liegt nun erst vor ihm. Bei all seinen Irrungen steckt in diesem BaldamuS eine starke Aufwärtskraft; eine Sehnsucht, die sich eigene Wege sucht und nicht scheitern kann; ein unverwüstlicher Lebcnskern. Man gewinnt ihn lieb, und wenn er von seinen Wanderfahrten und von seiner Lcgionärszeit erzählt, lauscht man ihm gern. P. H.  Kleines f euilleton. Medizinisches. D a S Wesen des Magengeschwürs. Man ist jetzt viel weniger wie früher geneigt, mit der Kenntnis des Sitzes eines Leidens, der pathologischen Organveränderungen, sich zu begnügen und in dem Orte der Krankheit auch ihre Ursachen finden zu wollen. Vrtanfto. Redakteur: Alfred Wiclcpp, Neukölln. Druck u. Verlag Vielmehr ist man dazu übergegangen, viele rein lokal scheinende Krankheiten als den Ausdruck einer allgemeinen funktionellen Störung anzusehen. So wird zurzeit auch die Entstehungsgeschichte de» so« genannten runden Magengeschwürs einer Revision unter« zogen. Sehr bald hatte man richtig erkannt, daß ei Verdauung?« Vorgänge sind, die einen Teil der Schleimhaut vernichten und durch Verlust der oberen Zellschichten zu Bluwngen führen. Man wundert sich darüber, daß der Magen, der Pepsin und Salzsäure zur Ber« arbeitung der eiweißhaltigen Nahrung absondert, sich nicht selbst verdant. Die Erklärung dafür findet man darin: der Magensaft ist zwar sauer, aber die Gewebe der Magenwand sind, weil sie vom alkalischen Blut durchströmt werden, alkalisch. Das Alkali macht die Säure unschädlich, so daß diese der Magenschleimhaut nichts an« haben kann. Nur wenn die Blutzirkulation in dieser stockt, etwa weil die Blutgefäße verstopft sind, beginnt die Salzsäure ihre verdauende Tätigkeit. Genaueres über die Ursachen der Zirkulations« störung war aber nicht zu sagen. Man glaubt jetzt, diesen auf den Grund gekommen zu sein, indem man das Magengeschwür als eine sogenannte zweite Krankheit' auffaßt. Der Jenaer   pathologische Anatom Prof. R ö ß l e macht darauf aufmerffam, daß dem Entstehen deS Magengeschwürs andere Krankheiten häufig vorangegangen sind. Entzündungen der Bauchhöhle oder im Herzen, am Rachen, oder nach Verletzungen und Operationen bilden dasQuellgebiet' des Magengeschwüres. Von diesen affizierien Organen fließen nun in den Nervenfasern, die dem sogenannten autonomen System des Vagus angehören. Reize zentralwärts, die sich im Zentralorgan in motorische Impulse reflektorisch umsetzen, um dann wieder zu den Körperorganen zurückzukehren. Hier rufen sie Zusammenziehungen der glatten, nicht der Willkür unterworfenen Muskulatur, die in allen Organen vorhanden ist, hervor. Wirkt nun ein Reiz dauernd, so entsteht als Dauerreflex eine Dauerkontrnktion der glatten Muskel- fasern. Trifft er den Magen, so zieht sich die in der Schleimhaut liegende Muskulatur krampfartig zusammen und knickt damit auch die kleinen Blutgefäße ab, die die Magenschleimhaut ernähren. Nun sind alle Vorbedingungen gegeben, auf denen sich das Magengeschwür entwickeln kann. Dazu kommt noch, daß ebenfalls als ein vom Vagus ausgehender Reflex die Magendrüsen zur er« höhten Produktion von Salzsäure anregen und so das Uebel ver- schlimmert. Das Magengeschwür ist also letzten Endes ein Leiden, das auf eine Uebcrerregbarkeit des NervuSvagus zurückgeht und deswegen zu der großen Gruppe der V a g o t o n i c e n zugerechnet werden kann. Mit dieser Erkenntnis eröffnet sich aber auch die Möglichkeit einer Beeinfluffung der Krankheit durch Einwirkung auf die Nerven. In dem Alkaloid der Tollkirsche, dem A t r o p i n, be« sitzen wir ein Mittel, das die Funktion des Vagus in großen Dosen lähmt, in kleinen herabsetzt. Auf diese Weise hofft man, die Kon« traktion der Magenmuskulatur zur Lösung zu bringen und dadurch zur Ausheilung des Magengeschwüres beizutragen. Technisches. Der älteste und der neueste Automat. Der be- rühmte Mathematiker und Physiker Heron  , der um 100 v. Chr. in Alexandria   lebte, beschreibt in feinen) Werke über die Gase einen Apparat, der in der Vorhalle eines Tempels aufgestellt war und gegen Einwurf eines Geldstückes Wasser zum Benetzen der Hände lieferte. Der Apparat, der genau beschrieben wurde, war so ein- gerichtet, daß ein eingeworfenes Geldstück auf eine Platte fiel, dadurch einen Hebel herabdrückte und so dem Wasser die Ausfluß« öffnung frei war. Wenn die Münze von der Platte herabgeglitten war, wurde die Oeffnung hierdurch wieder verschlossen. Merk« würdig ist der Umstand, daß dieser Automat vollständig in Vergessenheit geraten konnte, trotzdem er sich mit den ein- fachsten Mitteln ausführen ließ. Schuld hieran ist wahrscheinlich die Bestimmung, die ihm Heron gab. Das Benetzen der Hände ist eine symbolische religiöse Hand- lung, die die Gläubigen gern erfüllen, wenn sie nicht mit erheblichen Opfern verbunden ist. Nun gab aber der Automat das Wasser nur frei gegen Einwurf von b Drachmen, das heißt von etwa 4 M. Berücksichtigt man das Sinken des Silberwertes, so würde immerhin noch eine derartige Waschung 1'/, bis 2 M, gekostet habe». Die durch die Fortschritte der Technik erzielte Verbilligung wird klar, wenn man einen modernen Apparat, der auch dem Waschen dient, zum Vergleich heranzieht. Es gibt nämlich Waschautomaten, die man etwa in einer gemeinsamen Waschküche aufstellen kann und dann an einen MünzgaSmesicr anschließt. Man braucht dann eigentlich nichts zu tun, als einen Groschen einzuwerfen und die schmutzige Wäsche wird automatisch gereinigt. Dieser Waschautomat ist so kon« struiert. daß man in ihn die Wäsche mit Seifcnwasser hineinbringt und daß sich die Gasflamme entzündet. Durch die Art der Konstruktion ist eS bedingt, daß das Wasser und der Dampf zwangläufig durch die Wäsche gehen, diese in Bewegung erhalten, reinigen und gleich« zeitig auch desinfizieren. Da die Hausfrau die Wäsche nachher nur zu spülen hat, so übernimmt der Automat eigentlich fast vollständig die Arbeit der Waschfrau, lind das alles in etwa 20 Minuten und je nach der Menge für einen oder mehrere Groschen. In dem Heronschen Apparat konnte man sicki für 2 M. die Hände benetzen, die automatische Waschfrau reinigt für 10 Pf. die schmutzige Wäsche. Es ist also wahrscheinlich, daß die automatische Waschfrau häufiger benutzt werden wird als der Hcronsche Automat._ Vorwärts Buchdruckerei u.VerlagSanstalt Paul Singer LrCo., Berlin   S W.